OGH 4Ob189/16x

OGH4Ob189/16x20.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers A***** S*****, vertreten durch Dr. Schartner Rechtsanwalt GmbH in Altenmarkt, gegen die Beklagte Gemeinde F*****, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manfred Buchmüller GmbH in Altenmarkt im Pongau, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert 16.000 EUR), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. Mai 2016, GZ 6 R 70/16f‑11, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 2. Februar 2016, GZ 1 Cg 115/15a‑7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00189.16X.1220.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.175,22 EUR (darin enthalten 195,87 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Zwischen den Streitteilen wurde 1991 ein Dienstbarkeitsvertrag abgeschlossen, in dem der Beklagten auf immerwährende Zeiten das Geh- und Fahrtrecht über das Grundstück des Klägers eingeräumt wurde und die Beklagte berechtigt ist, diesen Weg der Öffentlichkeit als Rad-, Wander- und Pferdeschlittenweg zur Verfügung zu stellen. Der Weg wird jetzt auch mit Segways befahren.

Der Segway Personal Transporter ist ein elektrisch angetriebenes Einpersonen-Transportmittel mit nur zwei auf derselben Achse liegenden Rädern, zwischen denen die beförderte Person steht und das sich durch eine elektronische Antriebsregelung selbst in Balance hält (http://de.wikipedia.org/wiki/Segway ).

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die Dienstbarkeit dadurch zu erweitern, dass dritten Personen auch eine gewerbliche Nutzung, insbesondere für Segway-Fahrten, eingeräumt werde, sowie die Unterlassung derartiger Anmaßungs- und Erweiterungshandlungen durch die Beklagte.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. In der Benutzung des Radwegs mit Segways liege keine Erweiterung der Servitut.

Das Berufungsgericht sprach zudem aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zur Frage zulässig sei, ob das Befahren eines im Dienstbarkeitsvertrag als „Radweg“ zur Verfügung gestellten Wegs mit Segways eine unzulässige Erweiterung der eingeräumten Servitut sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist – ungeachtet des (den Obersten Gerichtshof nicht bindenden) Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts – in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Die Fragen des Ausmaßes bzw des Umfangs einer Dienstbarkeit und der Grenzen der zulässigen Erweiterung sind einzelfallbezogen zu lösen und erfüllen daher – von einer krassen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen – nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO (1 Ob 192/04y; 5 Ob 136/09z).

2. Dem Rechtsmittelwerber ist beizupflichten, dass aus dem Umstand, dass nach § 2 Abs 1 Z 22 StVO iVm § 1 Abs 2a KFG idF der 20. StVO‑Novelle (BGBl 92/1998) Segways nunmehr als Fahrräder qualifiziert werden, nicht ohne weiteres abgeleitet werden kann, dass die zuvor abgeschlossene vertragliche Vereinbarung aus 1991 auch Segway-Fahrten umfasst. Das Ausmaß der Dienstbarkeit und der Umfang der dem Inhaber zustehenden Befugnisse richten sich nämlich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist (RIS‑Justiz RS0011720). Eine nachträgliche Gesetzesänderung kann dementsprechend für sich genommen noch nicht eine Ausweitung der Grenzen des vertraglich eingeräumten Dienstbarkeitsrechts bewirken. Dennoch ist die Auslegung des Dienstbarkeitsbestellungsvertrages aus 1991 durch die Vorinstanzen im Ergebnis als vertretbar nicht zu beanstanden.

3. Um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, sieht die Rechtsprechung den Umfang des Servitutsrechts nämlich durchaus dynamisch. Dementsprechend ist eine Anpassung der Benützungsart durch den Servitutsberechtigten an die fortschreitende technische Entwicklung grundsätzlich zulässig (RIS‑Justiz RS0016368 [T12]). Während Segways im Zeitpunkt des Dienstbarkeitsbestellungsvertrages noch unbekannt waren, besteht mittlerweile doch ein Bedürfnis der Öffentlichkeit, solche Fahrzeuge auf öffentlichen Wegen zu nutzen.

4. Nach der Rechtsprechung sind Dienstbarkeitsrechte so auszulegen, dass dem Berechtigten der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie möglich geschadet wird, weshalb eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit nur dann anzunehmen ist, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird (5 Ob 23/08f). Die Art der Ausübung findet dementsprechend ihre Grenzen in einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Grundstücks (RIS‑Justiz RS0016368 [T4 und T8]).

Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits ausgesprochen, dass etwa nicht ins Gewicht fällt, ob Fuhren mit Pferdefuhrwerk oder mit Lastkraftwagen und Traktor durchgeführt werden, wodurch der Eigentümer des herrschenden Gutes nicht gehalten ist, den landwirtschaftlichen Betrieb auf eine veraltete und unrationelle Weise zu führen (RIS‑Justiz RS0011725).

Im gegenständlichen Fall ist nicht erkennbar, dass Segway‑Fahrten im Vergleich zur bloßen Nutzung mit konventionellen Fahrrädern für den Kläger mit einer Mehrbelastung verbunden wären, zumal die Beklagte die Instandhaltungspflicht für den Weg trifft. Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die Benützung des Radwegs mittels Segways keine unzulässige Erweiterung der Servitut darstellt, ist somit im Lichte der bisherigen Rechtsprechung vertretbar.

5. Zu den vom Revisionswerber geltend gemachten Verfahrensfehlern ist auszuführen, dass angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden können (RIS‑Justiz RS0042963).

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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