OGH 17Os23/16k

OGH17Os23/16k6.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 2016 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten Gerhard K***** und der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung dieses Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 9. März 2016, GZ 72 Hv 10/14x‑197, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0170OS00023.16K.1206.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Gerhard K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard K***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von „17. Jänner 2007 bis 19. August 2007“ in S***** als Bürgermeister der gleichnamigen Gemeinde, mithin als Beamter (im strafrechtlichen Sinn), mit dem Vorsatz, dadurch „das Land Kärnten und die Antragstellerin A***** GesnbR an ihrem Recht auf Einhaltung der Bestimmungen der Kärntner Bauordnung und Erteilung der Baubewilligung bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 17 Abs 1 K‑BO 1996“ zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, „indem er es entgegen den Bestimmungen der §§ 35 Abs 1, 64 Abs 1 der K-AGO, sohin entgegen der ihn in seiner Funktion als Bürgermeister treffenden Verpflichtung, unterließ, eine Sitzung des Gemeinderats einzuberufen, um eine neuerliche Entscheidung in Bindung an die, in den tragenden Aufhebungsgründen der Vorstellungsbescheide vom 28. Juni 2006 und vom 4. August 2006 geäußerte Rechtsansicht der Kärntner Landesregierung über das Bauansuchen vom 15. März 2005 (Bauakt Nr 806) sowie über das Bauansuchen vom 27. April 2005 (Bauakt Nr 1055) innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Einlangen der Devolutionsanträge der vorgenannten Gesellschaft vom 16. Jänner 2007 und vom 16. Februar 2007 herbeizuführen“.

Weiters sprach das Erstgericht die Angeklagten K*****, Dr. P*****, St*****, O*****, Ko*****, E*****, L*****, H*****, Ha*****, G*****, F*****, N*****, La*****, M*****, Ed***** und B***** gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf frei, sie hätten in S***** als Beamte mit dem Vorsatz, das Land Kärnten und die Antragstellerin A***** GesnbR dadurch an ihrem Recht auf Einhaltung der Bestimmungen der Kärntner Bauordnung und Erteilung der Baubewilligung bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 17 Abs 1 K-BO 1996 zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem sie in der Sitzung des Gemeinderats der Gemeinde S***** vom 15. April 2008 als dessen Mitglieder die Ansuchen der vorgenannten Gesellschaft auf Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung einer Mobilfunkanlage in S***** vom 15. März 2005 für den Standort T***** sowie vom 27. April 2005 für den Standort D*****, entgegen den Vorstellungsbescheiden der Kärntner Landesregierung vom 28. Juni 2006 und vom 4. August 2006 trotz Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen nach § 17 Abs 1 K-BO bei gleichzeitig fehlender Kompetenz der Baubehörde zur Prüfung und Versagung der Bauführung wegen Gefährdung der Gesundheit wegen befürchteter Immissionsbeeinträchtigungen durch die Fernmeldeanlagen, einstimmig abwiesen.

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard K*****. Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Freispruch aus den Gründen der Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. Keine der beiden Nichtigkeitsbeschwerden ist berechtigt.

Das Erstgericht traf im Wesentlichen folgende Feststellungen (US 4 ff):

Am 15. März 2005 und am 27. April 2005 habe die A***** GesnbR als Generalunternehmer Anträge auf Erteilung der Baubewilligung hinsichtlich der Errichtung von Funkanlagen auf zwei Liegenschaften in der Gemeinde S***** gestellt. Die Vorprüfung durch einen Mitarbeiter der Gemeinde habe keine entgegenstehenden Gründe im Sinn des § 13 Kärntner Bauordnung 1996 (kurz: K‑BO) ergeben. „Als Interessen der Standortsicherheit“ (vgl § 13 Abs 2 lit d K-BO) „wurde als fraglich E-Smog angeführt“. Am 5. Juni 2005 sei eine mündliche Verhandlung (§ 16 K-BO) hinsichtlich eines Standortes durchgeführt worden. In Ermangelung weiterer Verfahrensschritte oder Entscheidungen habe die A***** GesnbR im September und Oktober 2005 Devolutionsanträge beim Stadtrat der Gemeinde S***** gestellt (vgl § 73 Abs 2 AVG iVm § 94 Abs 1 Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung [kurz: K‑AGO]). Diese sei im November 2005 vom Amt der Kärntner Landesregierung darauf hingewiesen worden, dass die Baubehörde im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Fernmeldeanlage befürchtete Immissionsbeeinträchtigungen aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht prüfen dürfe.

Am 14. Februar 2006 habe der Stadtrat die Baubewilligungen „wegen der Gefahr einer Gesundheitsgefährdung“ versagt, obwohl zuvor „diskutiert“ worden sei, „dass eigentlich alle Voraussetzungen für die Erteilung der Baubewilligung vorlagen“ und der Stadtamtsdirektor auf die zu erwartende „Berufung“ (richtig: Vorstellung [vgl § 95 K-AGO in der im Tatzeitraum geltenden Fassung]) und die Möglichkeit einer Aufhebung der Entscheidung durch die Kärntner Landesregierung hingewiesen habe.

Die jeweils am 29. März 2006 erlassenen Bescheide habe die Kärntner Landesregierung als von der Bauwerberin mit Vorstellung befasste Aufsichtsbehörde auf Grund der bereits im November 2005 dargelegten Rechtsansicht (am 28. Juni und am 4. August 2006) aufgehoben.

Im November 2006 habe der Stadtamtsdirektor den Stadtrat der Gemeinde S***** darauf hingewiesen, dass dieser im weiteren Verfahren an die Rechtsansicht der Landesregierung gebunden sei (vgl § 95 Abs 5 K-AGO [aF]). Da in weiterer Folge „keine verfahrensrechtlich relevante Maßnahmen oder Entscheidungen“ gesetzt worden seien, habe die Bauwerberin im Jänner und im Februar 2007 in beiden Baubewilligungsverfahren Devolutionsanträge beim Gemeinderat eingebracht. Ungeachtet weiterer Schreiben der Aufsichtsbehörde, in denen die Gemeinde mit dem Hinweis, als Baubehörde allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen wegen befürchteter Immissionen nicht prüfen zu dürfen, zur raschestmöglichen Genehmigung der Bauvorhaben aufgefordert worden sei, habe Gerhard K***** in den folgenden Monaten als Bürgermeister der Bauwerberin bloß Alternativstandorte für die Errichtung der Sendeanlagen angeboten, welche durchwegs als „funktechnisch nicht geeignet“ abgelehnt worden seien. Im Februar 2007 habe sich Gerhard K***** in einer Tageszeitung dahingehend geäußert, dass beide Bauvorhaben „bewusst seit Monaten verzögert würden“.

Erst in der Gemeinderatssitzung vom 20. November 2007 hätten die Bauansuchen einen Tagesordnungspunkt gebildet. Nach Darstellung der Sach- und Rechtslage (etwa des Fehlens von Bedenken aus Gründen der Bautechnik oder des Ortsbildes sowie der Bindung an die Rechtsansicht der Landesregierung) durch den Stadtamtsdirektor habe der Gemeinderat die Baubewilligung einstimmig (lediglich) „aus Gründen der Gefährdung der Gesundheit der Bewohner“ versagt.

Am 22. November 2007 habe die Eigentümerin einer der betroffenen Liegenschaften die Bauwerberin in einem Schreiben darauf hingewiesen, dass der zum Zweck der Errichtung und des Betriebs der Telekommunikationsanlage abgeschlossene Mietvertrag auf Grund einer entsprechenden Vertragsklausel als nicht zustande gekommen gelte, weil die baubehördliche Bewilligung nicht innerhalb der vereinbarten Frist von 30 Monaten erteilt worden sei (eine inhaltsgleiche Klausel habe übrigens auch der Mietvertrag mit der anderen Liegenschaftseigentümerin enthalten).

Mit Schreiben vom 30. November 2007 habe die Kärntner Landesregierung Gerhard K***** darauf hingewiesen, dass der Beschluss des Gemeinderats vom 20. November 2007 die bindende Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde missachte und der Bürgermeister unter diesen Umständen nach § 72 K‑AGO verpflichtet sei, die Durchführung des Beschlusses vorläufig aufzuschieben und dem Gemeinderat in der nächsten Sitzung die Bedenken vorzutragen. Dieser Aufforderung sei Gerhard K***** zunächst nicht nachgekommen. In der Sitzung des Gemeinderats vom 15. April 2008 habe er diesen über das Schreiben der Kärntner Landesregierung informiert und weiters auf die Möglichkeit hingewiesen, „zur Entscheidung vom 20. 11. 2007 auch den Versagungsgrund des Wegfalls der Zustimmung“ (der Grundeigentümer [vgl § 10 Abs 1 lit b K‑BO]) „hinzuzunehmen. Eine positive Entscheidung im Sinne der Erteilung der Baubewilligung“ sei in dieser Gemeinderatssitzung nicht erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt seien auf Grund des Wegfalls der Standortmietverträge die Zustimmungen der Grundeigentümer „nicht als gegeben anzusehen“ gewesen, weshalb eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung gefehlt habe.

Zur subjektiven Tatseite ging das Erstgericht hinsichtlich Gerhard K***** davon aus, dieser sei von Beginn an in Kenntnis der Bauansuchen gewesen und habe als Baubehörde erster Instanz „ganz zielgerichtet und bewusst“ keine Entscheidung getroffen und (nach den Devolutionsanträgen) „die Untätigkeit des Stadtrates“ unterstützt. Er habe gewusst, „dass er gegen seine gesetzlichen Befugnisse und Verpflichtungen als Beamter verstieß“, und dabei eine Schädigung der Bauwerberin am Vermögen und an deren Recht auf Erteilung der Baubewilligung bei (hier gegebenem) Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen (vgl § 17 Abs 1 K-BO) in seinen Vorsatz aufgenommen.

 

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard K*****:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentiert großteils bloß zu einem – dem im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) angeführten Zeitraum („vom 17. 1. 2007 bis 19. 8. 2007“) entsprechenden – Teil des Tatvorwurfs, übergeht dabei jedoch prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) die (übrigens ohne Überschreitung der Anklage getroffenen [vgl ON 39 S 10 ff]) Feststellungen zu von ihm bereits davor (wissentlich und mit Schädigungsvorsatz) gesetztem Fehlgebrauch seiner Befugnis (zunächst) als Bürgermeister und (dann) als Mitglied des Stadtrates (vgl §§ 22 Abs 1 und 64 Abs 1 und 2 K-AGO) und legt nicht dar, warum diese den Schuldspruch nicht tragen sollten.

Weshalb das konstatierte Motiv des Beschwerdeführers, von ihm befürchtete Gesundheitsbeeinträchtigungen der Bürger durch Immissionen abzuwehren, Schädigungsvorsatz in Bezug auf die Bauwerberin ausschließen soll, erklärt die Rechtsrüge nicht (vgl zur [fehlenden] Entscheidungsrelevanz des Tatmotivs RIS‑Justiz RS0088761). Sie bekämpft vielmehr die zum Schädigungsvorsatz getroffenen Feststellungen (US 17 f) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Gleiches gilt für die – abermals bloß den Tatzeitraum ab Februar 2007 betreffende – Behauptung, der Beschwerdeführer habe in Absprache mit der Bauwerberin gehandelt, als er die Entscheidung über deren Bauansuchen hinausgezögert und stattdessen Alternativstandorte für die Sendeanlagen angeboten habe (vgl hingegen die gegenteiligen Urteilsannahmen auf US 19).

Die Argumentation, es sei „absolut untauglicher Versuch“ anzunehmen, weil zufolge formaler Mängel „zu keinem Zeitpunkt ein ordnungsgemäßer, verhandlungs- und bewilligungsfähiger Antrag“ vorgelegen sei, ist erneut urteilsfremd (vgl US 4 ff und 23) und lässt zudem offen, warum solche Mängel den Beschwerdeführer als Baubehörde (zunächst allein, dann als Mitglied eines Kollegialorgans) hätten berechtigen sollen, (wie vorgeworfen) untätig zu bleiben (vgl § 10 Abs 5 K-BO iVm § 13 Abs 3 AVG zur gesetzlichen Anordnung, die Behebung von Mängeln schriftlicher Anbringen von Amts wegen unverzüglich zu veranlassen [näher dazu Hengstschläger/Leeb , AVG 2 § 10 Rz 9, § 13 Rz 25 ff und § 73 Rz 46, 52 und 132 mwN]). Dass „ein rechtmäßiges Alternativverhalten“ zu keinem anderen Ergebnis hätte führen können, weil „eine positive Antragserledigung jedenfalls und unter allen Umständen ausgeschlossen“ gewesen sei, wird demnach ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz bloß behauptet (RIS‑Justiz RS0116565).

Ebenso bleibt unklar, warum aus behaupteter Befangenheit ein Gebot zu derartiger Untätigkeit des Beschwerdeführers folgen soll. Zunächst ist der Rekurs auf die – zudem bloß die interne Willensbildung im Kollegialorgan betreffende (vgl VfSlg 11.750) – Befangenheitsregelung des § 40 K‑AGO unverständlich, weil im (hier gegenständlichen) baubehördlichen Verfahren § 7 AVG einschlägig ist (Art I Abs 2 Z 26 EGVG idF vor BGBl I 2013/33; Widder , 5. Teil, Gemeinderatsgeschäftsordnung Rz 88 in Pabel [Hrsg] Gemeinderecht; Sturm K-AGO 5 § 40 Rz 1). Aber selbst bei Annahme von Befangenheit nach § 7 Abs 1 Z 3 AVG – der von der Rechtsrüge angesprochene Grund des § 40 Abs 1 Z 4 K‑AGO (richtig: § 7 Abs 1 Z 4 AVG) kommt von vornherein nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer nach den Feststellungen weder an der (aufgehobenen) Entscheidung des Stadtrates (US 8) beteiligt, noch in einem Rechtsmittelverfahren tätig war (vgl im Übrigen VwGH 2015/03/0021; 2015/07/0034 [wonach ein Organwalter, dessen Bescheid im Rechtsmittelweg aufgehoben wurde, bloß deshalb im weiteren Verfahren nicht befangen ist]) – wäre der Beschwerdeführer nach dieser Bestimmung verpflichtet gewesen, (nach selbständiger Bejahung des Vorliegens des Befangenheitsgrundes von Amts wegen) seine Vertretung zu veranlassen (VwGH 2009/05/0088; Kolonovits/Muzak/Stöger , Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts 10 Rz 112), welcher Verpflichtung er durch gezielte, von Schädigungsvorsatz getragene, Untätigkeit zuwidergehandelt hätte (US 17).

Die auf Z 9 lit b gestützte Rüge legt nicht dar, weshalb es für die Beurteilung der Verjährungshemmung nach § 58 Abs 3 Z 2 StGB (nur) auf die Einbringung der Anklage, nicht etwa auch auf die – hier am 6. Juli 2009 durch die Kriminalpolizei erfolgte (vgl ON 19 S 7) – erstmalige Vernehmung des Beschwerdeführers als Beschuldigten zum gegenständlichen Vorwurf ankommen sollte. Im Übrigen war vorliegend die Verjährung der Strafverfolgung schon durch die – von der weiteren Rechtsrüge (Z 9 lit b) angesprochene – außerberufliche Immunität (Art 57 Abs 2 B‑VG) des Beschwerdeführers als ehemaligen Abgeordneten zum Nationalrat gehemmt (§ 58 Abs 3 Z 1 StGB). Warum dieses (temporäre) Verfolgungshindernis allerdings dem – nach Beendigung der Abgeordnetenstellung (am 27. März 2013) ergangenen – Schuldspruch entgegenstehen soll, wird ebenfalls nicht erklärt (vgl Art 57 Abs 6 B‑VG; Mayer/Muzak , B-VG 5 Art 57 III.4.). Eine Erörterung des Vorbringens zum Umfang des vom Nationalrat nach Art 57 Abs 3 B‑VG gefassten Beschlusses (vgl ON 18) erübrigt sich daher.

Ebenso wenig wird deutlich, weshalb sich aus dem von der weiteren Rechtsrüge (Z 9 lit b) in Anspruch genommenen Motiv des Beschwerdeführers, „in Gedanken an das Wohl des Bürgers“ gehandelt zu haben, ein Rechtfertigungsgrund ergeben soll. Die Behauptung, er sei zur Abwehr vermuteter Gesundheitsschädigung von Gemeindebürgern durch Immissionen verpflichtet gewesen, übergeht einerseits die eine solche (unmittelbare) Gefährdung verneinenden Urteilsannahmen (US 18 und 22), andererseits die Feststellungen (etwa auf US 17), er habe – nach mehrmaligen Belehrungen und (bindenden) Entscheidungen der Aufsichtsbehörde – gewusst, dass ihm die Wahrung derartiger gesundheitlicher Belange als Baubehörde gerade nicht auferlegt gewesen sei (zu den Voraussetzungen rechtfertigender Pflichtenkollision vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0089633; Lewisch in WK 2 StGB Nachbem zu § 3 Rz 125 ff).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf „Einvernahme der diversionierten Gemeinderatsmitglieder“ als Zeugen dafür, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 15. April 2008 – entsprechend der Protokollierung (vgl ON 7 S 5 f), jedoch entgegen der Verantwortung der meisten Angeklagten in der Hauptverhandlung – einen (erneut bloß aus Gründen befürchteter Gesundheitsgefährdung wegen Immissionen abweisenden) Beschluss über die Bauansuchen gefasst habe, nachdem das Schreiben der Kärntner Landesregierung vom 30. November 2007 (über deren Rechtsansicht) zur Kenntnis gebracht worden sei (ON 196 S 9), zu Recht abgewiesen. Beweise sind nur dann aufzunehmen, wenn sie eine erhebliche Tatsache betreffen. Nach den Entscheidungsgründen ist (wovon übrigens auch die Beschwerdeführerin ausgeht) im Zeitpunkt dieser Gemeinderatssitzung die – für die Erteilung der Baubewilligung essentielle (vgl § 10 Abs 1 lit b iVm §§ 17 und 19 Abs 1 K-BO) – Zustimmung der Grundeigentümer nicht mehr vorgelegen (US 6, 14, 16, 22 und 26).

Zwar war die Gemeinde nach § 95 Abs 5 K‑AGO (aF) verpflichtet, bei der neuerlichen Entscheidung (nach Aufhebung der Bescheide des Stadtrates) der Rechtsansicht der Landesregierung Rechnung zu tragen. Bindungswirkung bestand jedoch nur bei unveränderter Sach- und Rechtslage (VwGH 2010/05/0145; 2011/06/0162 uva; Neuhofer , Gemeinderecht 2 , 351). Diese hatte sich im Tatzeitpunkt infolge Wegfalls der Zustimmung der Grundstückseigentümer maßgeblich geändert, weshalb das von der Beschwerdeführerin behauptete Beweisergebnis einer (den Gemeinderatsbeschluss vom 20. November 2007) bestätigenden Beschlussfassung die Annahme eines Befugnisfehlgebrauchs durch die Mitglieder des Gemeinderats (in objektiver Hinsicht) nicht trüge und schon deshalb nicht erheblich war. Daran würde auch eine dem Beschluss allenfalls (wissentlich) zugrunde gelegte falsche Rechtsansicht nichts ändern (vgl RIS-Justiz RS0128503). Ein solcher Beschluss hätte zudem unter keinen Umständen zu einer Beeinträchtigung des (soweit hier beachtlich) vom Anklagevorwurf erfassten Rechtes der Bauwerberin auf „Erteilung der Baubewilligung bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 17 Abs 1 K-BO“ führen können (vgl RIS-Justiz RS0095844 [T10]).

Aus diesem Grund geht auch der auf unterbliebene Erörterung (vgl hingegen US 18 und 22) von Beweismitteln zum Ablauf dieser Gemeinderatssitzung gestützte Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Leere (RIS-Justiz RS0118316).

Die Argumentation der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die Angeklagten hätten die Baubewilligung in dieser Gemeinderatssitzung nicht versagen dürfen, vielmehr wäre mit Blick auf § 10 Abs 5 K-BO (iVm § 13 Abs 3 AVG) mit Verbesserungsauftrag vorzugehen gewesen, verfehlt die Bezugnahme auf den Urteilssachverhalt (RIS‑Justiz RS0099810). Nach diesem habe nämlich (von den Gemeinderatsmitgliedern erkannt) nicht bloß der Nachweis der Zustimmung der Grundeigentümer gefehlt, sondern sei diese weggefallen (US 16 und 22), weshalb ein Auftrag zur– von vornherein aussichtslosen – Verbesserung nicht zu erteilen war ( Hengstschläger/Leeb , AVG 2 § 13 Rz 27; W. Pallitsch/P. Pallitsch/Kleewein , Kärntner Baurecht 5 § 10 E 14).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte