OGH 14Os105/16x

OGH14Os105/16x29.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael K***** wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 8. September 2016, GZ 7 Hv 24/16w‑128, sowie über seine Beschwerde gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00105.16X.1129.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael K***** jeweils mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (A./) und nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 erster Fall SMG (B./) sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 dritter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG (C./) schuldig erkannt.

Danach hat er von Juli 2014 bis Februar 2016 in P***** und anderen Orten vorschriftswidrig

A./ gewerbsmäßig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen– überwiegend gewinnbringend – überlassen, indem er in zahlreichen Angriffen insgesamt 1.955 Gramm Cannabisblüten, enthaltend eine Reinsubstanz von zumindest 330 Gramm THCA und 5,66 Gramm Delta‑9‑THC an nachgenannte Abnehmer verkaufte, wobei er schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, und zwar

a) an Astrid P***** insgesamt 390 Gramm Cannabisblüten;

b) an den unbekannten Abnehmer „David“ insgesamt 20 Gramm Cannabisblüten;

c) zumindest 1.545 Gramm Cannabisblüten an namentlich Unbekannte;

B./ zur Erzeugung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge an Suchtgift von 2 Kilogramm Cannabisblüten, enthaltend zumindest 338 Gramm THCA und 5,8 Gramm Delta-9-THC, durch Manfred Pa***** beigetragen, indem er ihm die Indoorplantagenausrüstung im August 2015 zur Verfügung stellte und ihn auch beriet;

C./ durch die unter B./ genannten Handlungen zu den Tathandlungen des Manfred Pa***** beigetragen, der von Anfang Dezember 2015 bis 2. Februar 2016 90 Stück Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge an Suchtgift mit dem Vorsatz (US 8 f) anbaute, dass dieses in Verkehr gesetzt werde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil ohne

Einschränkung bekämpft, inhaltlich jedoch ausschließlich zum Schuldspruch A./ argumentiert, war auf sie im gegen die Schuldsprüche B./ und C./ gerichteten Umfang

keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz

StPO).

Indem die Mängelrüge zunächst unter Verweis auf in der Beweiswürdigung übergangene Angaben des Manfred Pa***** zu seinen weiteren Suchtgiftabnehmern am F***** Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) und daraus folgend unter eigenen spekulativen Erwägungen die „Reduzierung der dem Angeklagten vorgeworfenen Menge um 450 Gramm“ Cannabisblüten reklamiert, spricht sie keine entscheidende Tatsache an, weil selbst unter der hypothetischen Annahme des Wegfalls dieser Menge an Suchtgift (76 Gramm THCA und 1,3 Gramm Delta-9-THC) die rechtliche Entscheidung, welche strafbaren Handlungen– hier: mehrere Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG – durch die inkriminierten Taten, die vorliegend eine gleichartige Verbrechensmenge nur pauschal individualisierten Taten bilden, begründet werden, nicht beeinflusst wird (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 33 und 399).

Entgegen dem weiteren Einwand unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall) der Urteilsannahmen, nach denen Manfred Pa***** von Ende Juli 2014 bis August 2015 insgesamt 2.700 Gramm Cannabiskraut erzeugte und davon (nach Abzug seines Eigenkonsums und einer an Manfred V***** weitergegebenen Menge verbleibende) 805 Gramm an den Beschwerdeführer verkaufte, die dieser in der Folge anderen überließ (US 5 ff), haben die Tatrichter ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen sie hinsichtlich der erzeugten Quantität den ursprünglichen Angaben des Manfred Pa***** (ON 7 S 17) und nicht seinen (abschwächenden) Depositionen in der Hauptverhandlung (ON 115 S 26) folgten (US 11 ff), und die Feststellungen zum Eigenverbrauch des Genannten gleichfalls (mängelfrei) auf dessen – in der Beschwerde nur auszugsweise wiedergegebene – Aussage, nach der er zwar maximal bis zu 7 Gramm, durchschnittlich aber zwei bis drei Gramm pro Tag konsumierte (ON 115 S 17 f), gestützt (US 13).

Mit Blick auf diese Ausführungen und die weiteren –

sowohl Gesetzen

logischen Denkens als auch grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechenden – beweiswürdigenden Überlegungen des Schöffengerichts, in deren Rahmen sämtliche

für und wider den Angeklagten sprechenden Verfahrensergebnisse gewissenhaft erörtert wurden (US 9 ff), geht auch der weitere Vorwurf bloßer Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) ins Leere.

Indem die Beschwerde aus einzelnen Beweismitteln andere, für ihren Prozessstandpunkt günstigere Schlüsse zieht, die Erwägungen der Tatrichter als „unverständlich“ oder (zumindest) „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet und die Eignung der Angaben des Manfred Pa***** als Basis für die entscheidenden Konstatierungen unter Hinweis auf nicht näher bezeichnete Widersprüche bezweifelt, erschöpft sie sich in einer Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Auf die – direkt beim Obersten Gerichtshof eingebrachte – vom Angeklagten eigenhändig verfasste Eingabe war keine Rücksicht zu nehmen, weil das Gesetz nur eine Ausführung der Beschwerdegründe zulässt ( Ratz , WK‑StPO § 285 Rz 6 f).

Bleibt anzumerken, dass dem Angeklagten zum Schuldspruch A./ die Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 1 SMG bei sämtlichen Verbrechen angelastet wurde, weil er im Sinn des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB bereits zwei solche Taten begangen habe. Gewerbsmäßige Begehung nach Maßgabe des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB kann aber erst ab der dritten Tat vorliegen (vgl auch 15 Os 41/16t). Zutreffend hätte der Angeklagte zu A./ daher wegen zweier Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG schuldig erkannt werden müssen. Rechtsrichtig wurde die Strafbemessung aber nach Abs 2 dieser Bestimmung vorgenommen, weshalb die falsche Subsumtion (Z 10) ohne Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO blieb. Hinsichtlich der aufgezeigten Rechtsfehler besteht keine (dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende) Bindung des Oberlandesgerichts als Berufungsgericht an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS‑Justiz RS0118870; Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 27/1).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte