OGH 8Ob114/16x

OGH8Ob114/16x25.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache des A***** T*****, wegen Entziehung der Eigenverwaltung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Einschreiterin Mag. A***** E*****, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21. September 2016, GZ 46 R 267/16d‑26, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 30. Juni 2016, GZ 66 S 12/16h‑15, ersatzlos behoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00114.16X.1125.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Schuldner beantragte am 23. 2. 2016 die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens, die Annahme eines Zahlungsplans mit einer Quote von 10,3051 % und – in eventu – die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung. Mit Beschluss vom 10. 3. 2016 eröffnete das Erstgericht das Schuldenregulierungsverfahren und beließ dem Schuldner zunächst die Eigenverwaltung.

Mit dem hier zugrunde liegenden Beschluss vom 30. 6. 2016 entzog das Erstgericht dem Schuldner die Eigenverwaltung und bestellte Mag. A***** E***** zur Insolvenzverwalterin. Im Zusammenhang mit einer Liegenschaft des Schuldners, die mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot belastet sei, seien Nachteile für die Gläubiger zu befürchten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Schuldners Folge und hob den angefochtenen Beschluss des Erstgerichts ersatzlos auf. Ein Grund für die Entziehung der Eigenverwaltung nach § 186 Abs 2 IO sei nicht ersichtlich. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Einschreiterin, der auf eine Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts abzielt.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Der Rekurs ist schon deshalb unzulässig, weil es der Einschreiterin an der Rekurslegitimation mangelt.

Das Verfahren zur Entziehung der Eigenverwaltung ist im Gesetz nicht näher geregelt. Die Entziehung kann schon im Eröffnungsbeschluss oder – wie hier – nachträglich mit separatem Beschluss erfolgen. Das Gericht kann entweder von Amts wegen oder auf Antrag vorgehen. Zur Antragstellung sind jedenfalls der Schuldner und die einzelnen Insolvenzgläubiger berechtigt ( Mohr in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 186 KO Rz 9; Kodek , Privatkonkurs 2 Rz 171).

Allgemein ist im Insolvenzverfahren jeder zum Rekurs befugt, der in einem konkreten Recht verletzt sein kann; ein bloß wirtschaftliches Interesse genügt nicht (RIS‑Justiz RS0065135; RS0006497). Die Rechtsmittellegitimation hängt daher davon ab, ob der Rechtsmittelwerber durch den angefochtenen Beschluss in einer erworbenen Rechtsposition beeinträchtigt wurde. Im Insolvenzverfahren ist die Rechtsmittellegitimation eines Beteiligten in Angelegenheiten, die den Gang des Verfahrens oder die Mitwirkung am Verfahren betreffen, dann anzuerkennen, wenn ihm ein entsprechendes Antragsrecht oder zumindest ein Anhörungsrecht zusteht (8 Ob 12/14v). Davon ausgehend steht dem bestellten Insolvenzverwalter ein Rekursrecht grundsätzlich dann zu, wenn er konkret gemeinsame Interessen der Insolvenzgläubiger zu vertreten hat (vgl 8 Ob 60/13a).

1.2 Diese Voraussetzungen sind hier in Bezug auf die Einschreiterin nicht gegeben. Ihre wirksame Bestellung zur Insolvenzverwalterin setzt den rechtskräftigen Entzug der Eigenverwaltung voraus. Dazu ist es im Anlassverfahren nicht gekommen. Die hier zu beurteilende Ablehnung des Entzugs der Eigenverwaltung ist nicht etwa mit der Enthebung des Insolvenzverwalters vergleichbar. Anderes könnte nur für den Fall der nachträglichen (Rück‑)Übertragung der Eigenverwaltung gelten. In einem solchen Fall ist der Insolvenzverwalter zu entheben ( Mohr , aaO Rz 17).

2.1 Auch sonst wäre der außerordentliche Revisionsrekurs der Einschreiterin zurückzuweisen.

Die Einschreiterin argumentiert, dass die Unverwertbarkeit der Liegenschaft zeitlich beschränkt sei und die Umstände erwarten ließen, dass die Gläubiger in absehbarer Zeit auf ein verwertbares Vermögen greifen könnten. Die unverwertbare Liegenschaft sei daher nicht wertlos. Aus diesem Grund sei die Feststellung des Werts der Liegenschaft erforderlich. Die Voraussetzungen für eine Ausscheidung seien nicht gegeben. Dazu beruft sich die Einschreiterin auf die Entscheidung 8 Ob 8/06v.

2.2 Die zitierte Entscheidung betrifft die Frage der Ausscheidung einer Liegenschaft aus der Insolvenzmasse nach § 119 Abs 5 IO. Dazu wurde in der Entscheidung ausgesprochen, dass es für die Beurteilung des Werts einer Sache im Sinn des § 119 Abs 5 leg cit auf den Wert aus Sicht der Masse ankomme. Daher könnten etwa auch pfandrechtsüberlastete Liegenschaften Gegenstand der Ausscheidung sein. In dieser Hinsicht sei eine Prognoseentscheidung zu treffen. Die Ausscheidung einer Liegenschaft von an sich nicht unbedeutendem Wert habe nur dann zu erfolgen, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass für die Insolvenzgläubiger die Ausscheidung der Liegenschaft vorteilhafter sein werde als deren Unterbleiben. Ergebe sich, dass der Verbleib der Liegenschaft in der Masse diese ärmer mache als eine Freigabe, so habe eine Freigabe zu erfolgen.

2.3 Im Anlassfall geht es allerdings nicht um die Ausscheidung der Liegenschaft. Es besteht daher auch nicht die Gefahr, dass die Liegenschaft in die unbeschränkte Verfügungsmacht des Schuldners fällt. Vielmehr sind im Fall der Eigenverwaltung des Schuldners alle Vorschriften, die gewöhnlich den Insolvenzverwalter betreffen, auf den Schuldner anzuwenden, dem eine Doppelstellung zukommt. Insbesondere stehen dem Insolvenzgericht alle in § 84 IO genannten Überwachungs- und Weisungsbefugnisse gegenüber dem Schuldner zu (8 Ob 23/09d; vgl auch 6 Ob 208/13a). Zudem treffen den Schuldner die Verfügungsbeschränkungen nach § 187 Abs 1 Z 3–5 IO ( Mohr , aaO Rz 14). Im gegebenen Zusammenhang ist in dieser Hinsicht zu berücksichtigen, dass Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der Insolvenzmasse nur mit Zustimmung des Insolvenzgerichts wirksam sind und dem Schuldner nicht das Recht zusteht, die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung einer Liegenschaft der Insolvenzmasse zu betreiben (§ 187 Abs 1 IO). Die Veräußerung einer Liegenschaft der Insolvenzmasse kommt nur durch das Insolvenzgericht in Betracht (§ 190 Abs 3 IO). Schließlich sieht § 190 Abs 2 IO die Möglichkeit vor, einen Insolvenzverwalter nur für einzelne, besonders schwierige Tätigkeiten zu bestellen.

2.4 Aus den dargestellten Überlegungen folgt, dass die Wertungen des § 119 Abs 5 IO nicht in ihrer Allgemeinheit auf den Entzug der Eigenverwaltung zu übertragen sind. Der Entzug der Eigenverwaltung ist in § 186 IO gesondert geregelt. Als Grundsatz gilt, dass die Eigenverwaltung nach der Konzeption des Gesetzes den Regelfall und deren Entzug die Ausnahme darstellt. Im Zweifel soll somit dem Schuldner die Eigenverwaltung belassen werden.

Die Einschreiterin bezieht sich erkennbar auf potenzielle Nachteile für die Gläubiger (§ 186 Abs 2 Z 2 IO). Dafür müssen allerdings – aufgrund der bisherigen Verhaltensweisen – konkrete Hinweise dafür vorliegen, dass der Schuldner während des Insolvenzverfahrens gläubigerschädigende Rechtshandlungen setzen werde. Die Entziehung soll keine Strafe für den Schuldner darstellen. Für konkret zu besorgende Nachteile ist es daher erforderlich, dass der Schuldner als unredlich, als unzuverlässig oder als überfordert zu qualifizieren ist ( Mohr , aaO Rz 13 und 15; Kodek , aaO Rz 164 f).

Derartige Vorwürfe werden von der Einschreiterin nicht ins Treffen geführt. Die Schlussfolgerung des Rekursgerichts, dass ein Grund für die Entziehung der Eigenverwaltung nicht ersichtlich sei, ist demnach auch nicht zu beanstanden.

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