OGH 3Ob223/16i

OGH3Ob223/16i23.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei W***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Raimund Lackner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichteten Parteien 1. L*****, 2. A*****, beide vertreten durch Lindenhofer Luegmayer Rechtsanwälte GesbR in Amstetten, wegen Unterlassung, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 4. August 2016, GZ 7 R 104/16y‑18, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Melk vom 31. Mai 2016, GZ 2 E 1561/16v‑8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00223.16I.1123.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der verpflichteten Parteien auf Zuspruch der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

 

Begründung:

Die Streitteile schlossen am 18. Mai 2015 vor dem Bezirksgericht Melk einen Vergleich folgenden Inhalts:

„[...] 4. Die klagende [= jetzt betreibende] Partei stimmt einer Errichtung einer Windkraftanlage in der Nebenwindrichtung in nördlicher Richtung durch die beklagte[n] Partei[en] [= die Verpflichteten] oder [eine] dritte Person zu, wobei als Mindestabstand zur repowerten Anlage WK 2 und WK 4 der dreifache Rotordurchmesser (Rotordurchmaß max 92,5 m) um 25 Meter unterschritten werden darf.

5. Die Parteien erklären wechselseitig in den zukünftigen Genehmigungsverfahren auf Einsprüche zu verzichten, wenn Punkt 4. eingehalten ist. [...].“

Die Betreibende beantragte mit Schriftsatz vom 10. Mai 2016 die Bewilligung der Unterlassungsexekution gemäß § 355 EO. Die Verpflichteten hätten am 6. August 2015 gegen das Unterlassungsgebot laut Punkt 5. des Vergleichs verstoßen, indem sie im Genehmigungsverfahren zu der von der Betreibenden bei der Gemeinde H***** angeregten Umwidmung Einsprüche gegen die Genehmigung der Umwidmung durch den Gemeinderat erhoben, die Voraussetzung im Genehmigungsverfahren der Betreibenden bezüglich eines näher bezeichneten Windpark-Projekts beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Gruppe Raumordnung, Umwelt und Verkehr, Abteilung Umwelt‑ und Energierecht, sei. Am 14. März 2016 hätten die Verpflichteten neuerlich gegen das Unterlassungsgebot verstoßen, indem sie in diesem Genehmigungsverfahren umfangreiche Einsprüche eingebracht hätten.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution und verhängte über die Verpflichteten eine Geldstrafe von je 2.000 EUR.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten Folge und wies den Exekutionsantrag ab. Die Betreibende habe den Eintritt der aufschiebenden Bedingung der Unterlassungspflicht der Verpflichteten – die Einhaltung der in Punkt 4. festgeschriebenen Mindestabstände – nicht durch qualifizierte Urkunden iSd § 7 Abs 2 EO nachgewiesen.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs nachträglich zur Wahrung der Rechtssicherheit zu, weil die Betreibende in ihrem Zulassungsantrag nachvollziehbar dargetan habe, dass vergleichbare Regelungen unter Windparkbetreibern bzw Entwicklungsgesellschaften zum Ausgleich der wechselseitigen Interessen durchaus üblich seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Betreibenden ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Dass die Verpflichteten nach dem Vorbringen der Betreibenden am 6. August 2015 in einem Umwidmungsverfahren – also einem Flächenwidmungsverfahren iSd nö ROG 2014 – Einspruch erhoben haben, kann von vornherein keinen Titelverstoß darstellen, weil nach dem insoweit klaren Wortlaut von Punkt 5. des Vergleichs der Verzicht auf die Erhebung von Einsprüchen nur für die „zukünftigen Genehmigungsverfahren“ gilt, also für Verfahren, die die Genehmigung der Errichtung und des Betriebs von Windkraftanlagen (nach dem nö ElWG 2005) unmittelbar zum Gegenstand haben und nicht bloß eine dafür erforderliche Voraussetzung schaffen.

2. Entgegen der Ansicht der Betreibenden stellt der in Punkt 5. aufgenommene Halbsatz „wenn Pkt. 4. eingehalten ist“ keinesfalls einen bloßen Rechtfertigungsgrund für einen dennoch erhobenen Einspruch dar. Nach dem Wortlaut von Punkt 5. des Vergleichs kann auch keine Rede davon sein, dass sich der Verweis auf Punkt 4. ausschließlich auf die Unterlassungspflicht der Betreibenden beziehe. Die Frage, ob es sich dabei tatsächlich um eine aufschiebende Bedingung handelt, deren Eintritt, wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, die Betreibende im Exekutionsantrag durch qualifizierte Urkunden nachzuweisen gehabt hätte (RIS‑Justiz RS0001133 [T3]), oder ob damit nur die Unterlassungspflicht näher umschrieben bzw eingeschränkt wird, stellt sich daher nicht: Hätte die Betreibende doch auch in letzterem Fall, um den Verstoß der Verpflichteten schlüssig darzustellen (vgl RIS‑Justiz RS0000709; RS0000614 [T5]), im Exekutionsantrag vorzubringen gehabt, dass dem Genehmigungsverfahren, in dem die Verpflichteten am 14. März 2016 Einspruch erhoben, ein Projekt zugrunde liege, bei dem der aus Punkt 4. ersichtliche Mindestabstand eingehalten sei. Das Rekursgericht hat den Exekutionsantrag deshalb jedenfalls zu Recht abgewiesen.

3. Abgesehen vom insoweit fehlenden Vorbringen mangelt es im Übrigen auch an der erforderlichen Bestimmtheit des Exekutionstitels:

3.1. Gemäß § 7 Abs 1 EO darf die Exekution nur bewilligt werden, wenn aus dem Exekutionstitel nebst der Person des Berechtigten und Verpflichteten auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Leistung oder Unterlassung zu entnehmen sind. Der Begriff der Bestimmtheit eines Unterlassungsbegehrens darf zwar nicht allzu eng ausgelegt werden, weil es praktisch unmöglich ist, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben. Das erlassene Eingriffsverbot umfasst deshalb alle gleichen oder ähnlichen Handlungsweisen (RIS‑Justiz RS0000845). Allerdings muss nach ständiger Rechtsprechung auch eine Unterlassungspflicht im Titel so deutlich gekennzeichnet sein, dass ihre Verletzung gemäß § 355 EO ohne Umsetzungsschwierigkeiten exekutiv erfasst werden kann. Die Abgrenzung verbotenen Verhaltens von zulässigem Verhalten muss also derart bestimmt sein, dass es zu keiner Verlagerung des Rechtsstreits in das Exekutionsverfahren kommt. Die Abgrenzung darf nicht erst im Zuge des Zwangsvollstreckungsverfahrens erfolgen (RIS‑Justiz RS0000878 [T1, T7, T10]).

3.2. Hier legt die Formulierung „in den zukünftigen Genehmigungsverfahren“ (und nicht: „in zukünftigen Genehmigungsverfahren“ oder „in allen zukünftigen Genehmigungsverfahren“) den Schluss nahe, dass sich der Vergleich nach der Absicht der Parteien nur auf bestimmte (von ihnen einvernehmlich zugrunde gelegte) künftige Genehmigungsverfahren beziehen sollte; welche das sind, ist dem Titel jedoch nicht zu entnehmen, sodass ihm schon aus diesem Grund hinreichende Bestimmtheit fehlt.

3.3. Dazu kommt, dass der Verweis auf Punkt 4. nur insoweit stimmig ist, als sich aus Punkt 5. des Vergleichs eine – hier jedoch nicht relevante – Unterlassungspflicht der Betreibenden ergibt: Die Betreibende stimmt einem (mehr oder weniger konkreten) Projekt der Verpflichteten zu, sofern ein bestimmter Mindestabstand zu ihrer eigenen Anlage eingehalten wird, und verpflichtet sich (nur) unter dieser Voraussetzung auch dazu, in einem künftigen behördlichen Genehmigungsverfahren keinen Einspruch zu erheben.

Hingegen kann Punkt 4., der sich ganz konkret auf eine bestimmte Anlage der Betreibenden bezieht, auf ein zu genehmigendes Projekt der Betreibenden nicht (sinnvoll) unmittelbar angewendet werden; aufgrund der gewählten Formulierung ist vielmehr eine (grundsätzlich denkbare) bloß sinngemäße Geltung des Mindestabstands laut Punkt 4. ausgeschlossen.

Dieser Umstand hat, weil sich der Halbsatz „wenn Punkt 4. eingehalten ist“ zweifelsfrei auch auf die Unterlassungspflicht der Verpflichteten bezieht, entgegen der Ansicht der Betreibenden nicht etwa zur Folge, dass den Verpflichteten durch Punkt 5. die Erhebung von Einsprüchen gegen alle künftigen Projekte der Betreibenden ohne jegliche Einschränkung verboten wäre; sondern fehlt dem Titel auch insoweit wegen Unklarheit die erforderliche Bestimmtheit.

4. Der Antrag auf Zuspruch von Kosten der Revisionsrekursbeantwortung ist abzuweisen: Das Rechtsmittelverfahren in Exekutionssachen ist – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – einseitig. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist eine dennoch erstattete Revisionsrekursbeantwortung mangels gesetzlicher Anordnung nicht zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0118686 [T11]); sie dient allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und ist daher nicht zu honorieren (RIS‑Justiz RS0118686 [T12]).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte