European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00120.16B.1123.000
Spruch:
1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit es um den Umfang der vom Sachwalter zu besorgenden Angelegenheiten geht, zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben.
Dem Rekursgericht wird die meritorische Behandlung des Rekurses im Hinblick auf die Person des zu bestellenden Sachwalters aufgetragen.
Begründung:
Das Erstgericht bestellte gemäß § 268 ABGB einen Rechtsanwalt zum Sachwalter für alle Angelegenheiten des Betroffenen (§ 268 Abs 3 Z 3 ABGB). Es kam ausgehend von Ausführungen eines medizinischen Sachverständigen in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, der Betroffene sei nicht mehr in der Lage, alle Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu besorgen. Angesichts der vorliegenden Persönlichkeitsstörung oder paranoiden Symptomatik und beginnender Demenz sei zu erwarten, dass neben den bisher zu erledigenden Angelegenheiten weitere Maßnahmen für den Betroffenen zu regeln seien, zumal er schon jetzt Fremdhilfe zur Strukturierung des täglichen Lebens benötige. Wenn der Betroffene schon jetzt nicht mehr in der Lage sei, die Dinge des täglichen Lebens, wie zB das Waschen, Einnehmen der Mahlzeiten und die Selbstfürsorge, selbständig zu erledigen, sei nicht zu erwarten, dass eine selbstverantwortliche Eigenständigkeit in gewissen anderen Lebensbereichen noch gegeben sein könne. Es sei ein Sachwalter aus dem Kreis der Rechtsanwälte zu bestellen, da der als Verfahrenssachwalter tätige Sachwalterschaftsverein kundgetan habe, nur für einen bestimmten Bereich von Angelegenheiten zur Verfügung zu stehen.
Dagegen richtete sich der vom Verfahrenssachwalter eingebrachte Rekurs mit dem Antrag, anstelle des Rechtsanwalts den Sachwalterschaftsverein zum Sachwalter zu bestellen und den Wirkungskreis der zu erledigenden Angelegenheiten (in bestimmter Weise) einzuschränken. Das Erstgericht habe aufgrund einer missverständlichen Protokollierung irrtümlich angenommen, der Verein sei nicht bereit, die Sachwalterschaft für alle Angelegenheiten zu übernehmen. Abgesehen davon, bedürfe der Betroffene keines Sachwalters für die Entscheidung über seinen Wohnort und für medizinische Angelegenheiten.
Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung im Hinblick auf die vom Sachwalter zu besorgenden Angelegenheiten und wies den Rekurs im Übrigen zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Auch wenn der Betroffene durch die Sachwalterbestellung nicht mehr beschränkt werden solle, als es das Ausmaß seiner Behinderung und der Umfang der zu besorgenden Angelegenheiten erfordere, sei die Sachwalterbestellung für sämtliche Angelegenheiten gerechtfertigt, weil der Betroffene doch aufgrund der Vielzahl seiner Erkrankungen nicht mehr in der Lage sei, auch nur seinen Alltag zu strukturieren. Auch wenn die Wohnsituation und die medizinische Versorgung des Betroffenen derzeit geregelt seien, bedürfe er doch grundsätzlich auch in diesen Angelegenheiten der Unterstützung. Soweit der Verfahrenssachwalter allerdings „ausdrücklich im eigenen Namen“ im Rekurs die Umbestellung des Sachwalters und die Betrauung mit der Sachwalterschaft begehre, sei das Rechtsmittel zurückzuweisen, weil dem Verfahrenssachwalter die materielle Rekurslegitimation fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Verfahrenssachwalters ist im Hinblick auf den stets einzelfallbezogen festzulegenden (RIS‑Justiz RS0106744) vom Sachwalter zu besorgenden Kreis von Angelegenheiten mangels Abhängigkeit von der Lösung einer im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig (§ 71 Abs 3 AußStrG), im Übrigen aber zulässig und berechtigt.
Zutreffend weist der Revisionsrekurswerber nämlich darauf hin, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme des Rekursgerichts vorlagen, er hätte den Rekurs zur Frage der Person des zu bestellenden Sachwalters nicht im Namen des Betroffenen, sondern im eigenen Namen erhoben. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die einzige Aufgabe des Verfahrenssachwalters darin liegt, ausschließlich Interessen der betroffenen Person während der Dauer des Verfahrens wahrzunehmen (1 Ob 3/09m); er kann daher auch Rechtsmittel stets nur für bzw namens der betroffenen Person erheben, weshalb im Zweifel auch anzunehmen ist, dass er ein Rechtsmittel nicht im eigenen Namen erhebt (vgl etwa 8 Ob 83/09b). Im Interesse des Betroffenen kann er durchaus auch geltend machen, die Bestellung des bisherigen Verfahrenssachwalters zum endgültigen Sachwalter sei für den Betroffenen – etwa aus finanziellen Gründen – günstiger als die Bestellung eines Rechtsanwalts. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts gibt die Formulierung des vom Verfahrenssachwalter erhobenen Rekurses keinen Anlass für die Annahme, er hätte dieses Rechtsmittel teilweise im eigenen Namen erheben wollen. Allfällige Zweifel hätten durch einen Verbesserungsauftrag ausgeräumt werden können. Ein solcher ist aber nicht mehr erforderlich, stellt der Verfahrenssachwalter in seinem Revisionsrekurs doch klar, dass der Rekurs „auch“ im Namen des Betroffenen erhoben wurde.
Das Rekursgericht wird den Rekurs daher (auch) insoweit meritorisch zu behandeln haben, als es um die Frage geht, welche Person zum Sachwalter des Betroffenen zu bestellen ist.
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