European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00181.16P.1123.000
Spruch:
Die Rekurse vom 9. August 2016 und vom 6. September 2016 werden zurückgewiesen.
Begründung
Am 29. Juni 2016 langte beim Erstgericht ein aus zwei Absätzen bestehendes, mit 24. Juni 2016 datiertes, Schreiben der Antragsteller ein, das lautet wie folgt:
„Urgenz – Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens/Bewilligung von umfassender Verfahrenshilfe unsere Eingabe vom 11. September 2013 betreffend
Hiermit beantragen wir die Fortsetzung des Verfahrens/die Bewilligung der zu Recht beantragten Verfahrenshilfe für die anwaltliche Verbesserung unserer Eingabe vom 11. September 2013 (liegt nochmals bei).“
Diesem Antrag war die Kopie einer mit 11. September 2013 datierten und an das Oberlandesgericht Wien adressierten Eingabe angeschlossen, in der die Antragsteller die Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung einer Klage anstreben.
Eine vom Erstgericht im VJ-Register durchgeführte Abfrage ergab, dass der von den Antragstellern ins Treffen geführte, mit 11. September 2013 datierte Verfahrenshilfeantrag bisher weder beim Oberlandesgericht Wien noch bei einem anderen österreichischen Gericht eingelangt war. Es gelangte daher zu folgender Ansicht:
Der vorliegende Antrag sei unter Einbeziehung seiner Beilage als erstmaliger und eigenständiger Verfahrenshilfeantrag einzustufen. Da darüber gemäß § 65 Abs 2 ZPO das Prozessgericht erster Instanz zu entscheiden habe, derzeit keine Anhaltspunkte für einen 15.000 EUR übersteigenden Streitwert und/oder einen besonderen Gerichtsstand bestünden und die Erstantragsgegnerin ihren Sitz im Sprengel des Bezirksgerichts Scheibbs habe, sei dieses Bezirksgericht in Ansehung der Erstantragsgegnerin gemäß §§ 49 Abs 1, 65 und 75 Abs 1 JN zum gegenwärtigen Zeitpunkt das potentielle Prozessgericht erster Instanz. Gleiches gelte gemäß § 93 Abs 1 JN iVm § 11 Z 1 ZPO auch für den Zweitantragsgegner, zumal die Antragsteller von einer Solidarhaftung ausgingen.
Das Erstgericht sprach deshalb mit Beschluss vom 13. Juli 2016 seine Unzuständigkeit aus und überwies die Verfahrenshilfesache in sinngemäßer Anwendung des § 44 Abs 1 JN an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Scheibbs (ON 2).
Dagegen erhoben die Antragsteller einen Rekurs vom 9. August 2016, mit dem der Antrag verbunden war, für diesen Verfahrenshilfe zu bewilligen (ON 3).
Das Erstgericht wies diesen Verfahrenshilfeantrag mit Beschluss vom 22. August 2016 ab (ON 4).
Darauf erhoben die Antragsteller neuerlich am 6. September 2016 Rekurs (ON 5), allerdings ausdrücklich neuerlich gegen den Beschluss vom 13. Juli 2016, ON 2.
Rechtliche Beurteilung
Die beiden Rekurse der Antragsteller ON 3 und ON 5 sind jedenfalls unzulässig.
1. Der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofs hat im Hinblick auf die der Eingabe vom 24. Juni 2016 beigelegte Kopie des Antrags vom 11. September 2013, der zu entnehmen ist, dass diese erst am 16. September 2013 zur Post gegeben wurde, weitere Erhebungen im VJ-Register durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass über die Eingabe der Antragsteller vom 11. September 2013 bereits abweisend entschieden ist: Nämlich am 11. März 2014 mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg, GZ 3 Nc 12/13h‑10, soweit die Antragsteller Gewährung der Verfahrenshilfe für eine Amtshaftungsklage beantragt hatten, und am 5. Juni 2014 mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten, GZ 10 Nc 1/14d‑8, soweit von ihnen die Gewährung der Verfahrenshilfe für eine Schadenersatzklage beantragt worden war. Die Wahrnehmung von – allenfalls bereits rechtskräftigen – Erledigungen kommt hier aber aus folgenden Gründen nicht in Betracht.
2. Gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ist der Revisionsrekurs gegen einen Beschluss des Rekursgerichts über die Verfahrenshilfe jedenfalls unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0044213; RS0012383) gilt dieser Rechtsmittelausschluss auch für die Bekämpfung einer Formalentscheidung der zweiten Instanz, mit der die meritorische Erledigung abgelehnt wird. Für die Geltung des Rechtsmittelausschlusses nach § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ist es gleichgültig, ob das Gericht zweiter Instanz in der Angelegenheit der Verfahrenshilfe in erster oder zweiter Instanz entschieden hat (RIS-Justiz RS0113116; RS0036078 [T1]; RS0044213 [T6]).
3. Auch der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Erstgericht, womit es eine Sachentscheidung über den Verfahrenshilfeantrag unterließ, sich für unzuständig erachtete und die Sache an das seines Erachtens zuständige Gericht überwies, ist eine solche, vom Rechtsmittelausschluss nach § 528 Abs 2 Z 4 ZPO erfasste Formalentscheidung.
4. Demgegenüber vertritt das Erstgericht in der Begründung seines Beschlusses unter Hinweis auf den Rechtssatz RIS‑Justiz RS0105630 die Ansicht, der Rechtsmittelausschluss gelte hier nicht; die zitierte Judikatur (vgl auch RIS‑Justiz RS0116349 und RS0106758) ist aber nicht einschlägig:
Sie erging nämlich zur Anfechtbarkeit von Entscheidungen eines Oberlandesgerichts als erste Instanz in Delegierungsfragen, die in selbständigen Zwischenverfahren „aus Anlass“ eines Hauptverfahrens (das auch in einem Verfahren auf Gewährung von Verfahrenshilfe für eine beabsichtigte Klage bestehen kann) zu klären sind. Die hier bekämpfte Entscheidung des Oberlandesgerichts betrifft aber keine aus Anlass eines Verfahrenshilfeantrags gelöste Delegierungsfrage (sei es nach § 9 Abs 4 AHG oder nach §§ 30 ff JN), sondern stellt eine im Hauptverfahren ergangene Zuständigkeitsentscheidung dar. Im Übrigen läge auch ein krasser Wertungswiderspruch vor, wäre zwar die Sachentscheidung über den Verfahrenshilfeantrag nicht bekämpfbar, wohl aber die vorausgehende, im selben Verfahren einer Lösung zugeführte Zuständigkeitsfrage.
5. Schon aus diesem Grund sind beide Rekurse der Antragsteller als absolut unzulässig zurückzuweisen.
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