OGH 5Ob175/16w

OGH5Ob175/16w25.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ *****, GB *****, vertreten durch Prunbauer Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** M*****, vertreten durch Mag. DI Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 17.275,35 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Mai 2016, GZ 36 R 35/16p‑41, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 30. November 2015, GZ 6 C 939/12w‑36, in der Hauptsache bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00175.16W.1025.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.175,22 EUR (darin enthalten 195,87 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte erwarb mit Kaufvertrag vom 4. 5. 2012 Miteigentumsanteile an der gegenständlichen Liegenschaft, verbunden mit Wohnungseigentum an einem Geschäftslokal, von der Verlassenschaft der am 18. 12. 2010 verstorbenen Mit‑ und Wohnungseigentümerin. Die abhandlungsgerichtliche Genehmigung erfolgte am 22. 6. 2012. Das Eigentumsrecht der Beklagten wurde am 17. 8. 2012 im Grundbuch eingetragen.

Aufgrund des schlechten Zustands der straßenseitigen Fassade der Liegenschaft plante die klagende Eigentümergemeinschaft seit Herbst 2011 die Sanierung, die auch bei Gesprächen zwischen der vom Verlassenschaftskurator beauftragten Maklerin und der Beklagten angesprochen wurde. Die Beklagte wurde auch bei Unterzeichnung des Kaufvertrags auf die bevorstehende Fassadensanierung hingewiesen. Sie erhielt die Kostenvoranschläge und weitere Unterlagen.

Am 10. 5. 2012 forderte der Verwalter der Liegenschaft die Beklagte per E‑Mail auf, die auf ihren Anteil entfallenden Kosten der Fassadensanierung auf das Hausverwalterkonto zu überweisen. Ein Zahlungstermin oder eine Zahlungsfrist wurden nicht genannt. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.

Die Sanierung der straßenseitigen Fassade begann im September 2012 und wurde in den letzten Oktoberwochen dieses Jahres beendet. Die Schlussrechnungen wurden im November 2012 gelegt.

Die Eigentümergemeinschaft begehrte zuletzt 17.275,35 EUR als anteilig auf die Beklagte entfallenden Kosten der Fassadensanierung. Die Fälligkeit der Forderung sei mit Abschluss der Arbeiten eingetreten. Die Beklagte habe von der anstehenden Fassadensanierung und der Belastung mit anteiligen Kosten vor Kaufvertragsabschluss gewusst. Die Sanierungskosten seien erst nach Beendigung der Arbeiten fällig geworden.

Die Beklagte berief sich auf ihre fehlende Passivlegitimation. Zum Zeitpunkt der Vorschreibung des anteiligen Beitrags zur Fassadensanierung am 10. 5. 2012 sei noch ihre Rechtsvorgängerin Mit‑ und Wohnungseigentümerin gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es sei stets derjenige Wohnungseigentümer Beitragsschuldner, der im Zeitpunkt der Fälligkeit der Schuld grundbücherlicher Eigentümer sei. Hier seien die Eigentumsverhältnisse zum Zeitpunkt der Vorschreibung durch den Hausverwalter im Mai 2012 relevant. Zu diesem Zeitpunkt sei die Beklagte noch nicht Mit‑ und Wohnungseigentümerin gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision zu. Rechtlich folgerte es, dass die Wohnungseigentümer nach § 31 Abs 1 WEG 2002 eine angemessene Rücklage zur Vorsorge für künftige Aufwendungen zu bilden hätten. Die Festsetzung einer angemessenen Rücklage sei eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung im Sinn des § 28 Abs 1 Z 2 WEG 2002. Mangels einer gegenteiligen Weisung sei daher der Verwalter befugt und verpflichtet, die Modalitäten der Einhebung und den Umfang der Rücklage festzulegen. Im Fall einer akuten Liquiditätskrise, die die laufende Bewirtschaftung des Objekts gefährde, stehe es dem Verwalter im Rahmen der ordentlichen Verwaltung zu, die monatlichen Vorschreibungen für Betriebskosten und Rücklage auch während des laufenden Jahres zu erhöhen. Wenngleich der primäre Zweck der Rücklage nach dem Gesetzeswortlaut in der Vorsorge für künftige Aufwendungen liege, liege eine Leistung in die Rücklage auch bei Bevorschussung eines bestimmten Erhaltungsaufwands vor. Vorschreibungen des Verwalters seien für den Wohnungseigentümer grundsätzlich bindend. Schuldner der Beträge zur Deckung der Liegenschaftsaufwendungen sei immer derjenige Mit‑ und Wohnungseigentümer, der im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beitragsschuld im Grundbuch als Eigentümer des entsprechenden Anteils eingetragen sei. Zum Zeitpunkt der Vorschreibung mit E‑Mail vom 10. 5. 2012 sei die Beklagte noch nicht grundbücherliche Eigentümerin des Wohnungseigentumsobjekts gewesen. Es handle sich bei der Vorschreibung zwar nicht um eine monatliche Rücklagendotierung, sondern um ein einmaliges Akonto für die voraussichtlichen Kosten der Fassadensanierung. Angesichts des voraussichtlichen Bedarfs (Kosten für die Sanierung von 125.800 EUR) sei der bestellte Verwalter berechtigt gewesen, diese voraussichtlichen Kosten den einzelnen Miteigentümern anteilig vorzuschreiben und zwar auch als einmaligen Betrag. Es handle sich dabei um eine Sondervorschreibung. Mit dieser Vorschreibung sei der Betrag unabhängig davon fällig gestellt worden, wann die Sanierungsarbeiten fertiggestellt würden.

Die Revision sei zuzulassen, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, inwieweit eine einmalige Vorschreibung als Beitrag zur Rücklage für zu erwartende Kosten einer Erhaltungsarbeit einen später ins Grundbuch eingetragenen Käufer entlasten könne bzw ob die Fälligkeit einer solchen Sondervorschreibung genauso zu beurteilen sei wie die Fälligkeit monatlich vorgeschriebener Beiträge zur Rücklage.

Rechtliche Beurteilung

Die – von der Beklagten beantwortete – Revision der klagenden Partei ist aus dem vom Berufungsgericht angegebenen Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Obwohl der primäre Zweck der Rücklage nach dem Gesetzeswortlaut (§ 31 Abs 1 Satz 1 WEG 2002) in der Vorsorge für künftige Aufwendungen liegt, nimmt die Rechtsprechung eine Leistung in die Rücklage auch bei Bevorschussung eines bestimmten Erhaltungsaufwands (hier: veranschlagte Kosten für eine notwendige Fassadensanierung) an (5 Ob 367/97z; 5 Ob 187/12d; 5 Ob 144/15k = wobl 2016/7). Die im Mai 2012 von der Beklagten geforderte Einmalzahlung ist somit ein Beitrag zur Rücklage.

2. Die Kompetenz des Verwalters zur Festsetzung der Höhe dieser Einmalzahlung in die Rücklage bestand solange, als ihm die Mehrheit der Wohnungseigentümer durch Beschluss in einer Eigentümerversammlung oder im Umlaufweg keine gegenteilige Weisung erteilt hat (5 Ob 197/10x; 5 Ob 206/15b = immolex 2016/43 [Räth] = ecolex 2016/210 [Klein]; RIS‑Justiz RS0103218 [T2]). Die vom Verwalter vorgeschriebenen Akontozahlungen waren für die Mit‑ und Wohnungseigentümer bindend (RIS‑Justiz RS0083581).

3. Schuldner der vorgeschriebenen Beiträge zur Deckung der Liegenschaftsaufwendungen einschließlich der Beiträge zur Rücklage ist nach Rechtsprechung und Lehre immer derjenige Mit‑ und Wohnungseigentümer, der im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beitragsschuld im Grundbuch als Eigentümer des entsprechenden Anteils eingetragen ist bzw war (5 Ob 247/04s = wobl 2005/115, 314 [Call] = immolex 2005/22 [Prader] zur Rücklage nach dem WEG 1975; 5 Ob 244/05a zu § 19 WEG 1975; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht3 § 32 WEG 2002 Rz 27 mwN).

4. Nach § 32 Abs 9 WEG 2002 sind mangels anderslautender Vereinbarungen die dem Wohnungs-eigentümern vorgeschriebenen Vorauszahlungen auf die Aufwendungen für die Liegenschaft am 5. eines jeden Kalendermonats fällig. Aufwendungen für die Liegenschaft erfassen auch die Beiträge zur Rücklage (§ 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002).

5. Die Revisionswerberin will diese Fälligkeitsregelung nur auf monatliche vorgeschriebene Wohnbeiträge (Akontovorschreibungen) angewendet wissen, nicht jedoch auf eine als Beitrag zur Rücklage geforderte Einmalzahlungen. Es hätte ansonsten der Hausverwalter in der Hand, durch Art und Zeitpunkt der Vorschreibung die Fälligkeit gegenüber einem bestimmten Wohnungseigentümer eintreten zu lassen. Würde man dem Hausverwalter dieses Machtinstrumentarium geben, wäre die Fälligkeitsregelung insofern auch nicht sachgerecht, zumal dann die Verkäuferin für ein in der Zukunft liegendes Sanierungsvorhaben belastet worden wäre, welches aber ausschließlich der beklagten Partei als künftige Wohnungseigentümerin zugute komme.

6. Diese gefürchtete Machtkonzentration in der Hand des Verwalters beruht auf dem Umstand, dass die Festsetzung der Höhe der Rücklage sowie die Modalitäten der Einhebung zu seinem Aufgabenbereich gehören (5 Ob 197/10x mwN; E. M. Hausmann aaO Rz 62a). Dass nur der Beklagten diese Einmalzahlung im Mai 2012 vorgeschrieben worden wäre, den anderen Wohnungseigentümern jedoch zu anderen Zeitpunkten, und darin eine unsachliche Differenzierung gelegen wäre, behauptet die Revisionswerberin nicht. Die in der Revision gewünschte Differenzierung danach, welchem Wohnungseigentümer die mittels einmaliger Sondervorschreibung zur Rücklage finanzierten Aufwendungen auf die Liegenschaft zugute kommen, widerspricht dem Grundsatz, dass vom Verwalter vorgeschriebene Beiträge für den Wohnungseigentümer bindend sind, um die Finanzierung der gesamten Wohnungseigentumsanlage zu gewährleisten und im Interesse aller Wohnungseigentümer Liquiditätsengpässe bei der Bestreitung der Liegenschaftsaufwendungen zu vermeiden (5 Ob 144/15k mwN; E. M. Hausmann aaO Rz 61). Es kann sich zudem auch jene Variante, in der Beiträge zur Rücklage monatlich vorgeschrieben werden, so auswirken, dass ein Wohnungseigentümer, der durch seine monatlichen Beiträge zur Rücklage Sanierungsarbeiten mitfinanziert hat, von der Sanierung nicht mehr profitiert, weil er seine Anteile vor Beginn bzw Abschluss der Arbeiten verkauft.

8. Bei Vorschreibung eines einmaligen Beitrags zur Rücklage zwecks Finanzierung eines bestimmten Erhaltungsaufwands („Sonderumlage“) ist derjenige Mit‑ und Wohnungseigentümer zahlungspflichtig, der zum Zeitpunkt der Fälligkeit im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Eine solche Vorauszahlung wird mangels anderslautender Vereinbarung zufolge § 32 Abs 9 WEG 2002 grundsätzlich am 5. des Monats fällig, soferne sie noch vor diesem Termin vorgeschrieben wurde. Die Sonderumlage wurde der Beklagten am 10. 5. 2012 vorgeschrieben. Die Vorschreibung wurde daher am 5. 6. 2012 fällig. Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte noch nicht im Grundbuch als Mit‑ und Wohnungseigentümerin eingetragen, weshalb nicht sie, sondern ihre Rechtsvorgängerin zahlungspflichtig ist.

9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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