OGH 4Ob191/16s

OGH4Ob191/16s25.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** S*****, vertreten durch Breitenecker Kolbitsch Vana Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. G***** S*****, vertreten durch PHH Prochaska Havranek Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Mai 2016, GZ 43 R 267/16g‑84, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 31. März 2016, GZ 59 C 24/13m‑74, (in der Hauptsache) bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00191.16S.1025.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 104,42 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Vorinstanzen wiesen im Rahmen eines zwischen den Streitteilen anhängigen streitigen Unterhaltsverfahrens den Antrag des Beklagten ab, den mit rechtskräftiger einstweiliger Verfügung vom 7. August 2015 festgesetzten, vom Beklagten der Klägerin zu leistenden einstweiligen Unterhalt ab einem bestimmten Zeitpunkt um 600 EUR monatlich herabzusetzen. Die Vorinstanzen verwiesen auf eine von den Streitteilen getroffene, auch der seinerzeitigen einstweiligen Verfügung zugrundeliegende Unterhaltsvereinbarung, wonach sich der Beklagte verpflichtet habe, der Klägerin (auch) bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse 33 % von seinen jeweiligen Nettoeinkünften als Unterhalt zu leisten. Diese Vereinbarung sei dahin auszulegen, dass ein allenfalls erzieltes oder erzielbares Eigeneinkommen der Klägerin ohne Einfluss auf den zuerkannten Provisorialunterhalt sei. Überdies sei das (neuerlich) ins Treffen geführte (fiktive) Eigeneinkommen der Klägerin keine Umstandsänderung nach Erlassung der einstweiligen Verfügung, weil dieses Vorbringen bereits im seinerzeitig abgeführten Sicherungsverfahren erstattet worden sei. Eine nachträgliche Änderung seines Nettoeinkommens habe der Beklagte nicht bescheinigen können.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten, mit dem er sein Begehren auf Herabsetzung des einstweilig zu leistenden Unterhalts weiter verfolgt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, bildet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936, RS0042871 uva).

Die Auslegung der von den Streitteilen getroffenen Unterhaltsvereinbarung durch die Vorinstanzen ist jedenfalls vertretbar. Es liegt nahe, die ausdrückliche Beschränkung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Kriterien auf einen Prozentsatz des Nettoeinkommens des Beklagten im Fall wesentlicher Änderungen der Verhältnisse dahin zu verstehen, dass die Streitteile anlässlich des Vertragsabschlusses die Anwendung der Umstandsklausel in diesem Sinn beschränken wollten. Ein Verzicht auf die Umstandsklausel ist aber grundsätzlich wirksam und zulässig (RIS‑Justiz RS0016554); auch einen teilweisen Verzicht auf die Anwendung der Umstandsklausel lässt die Rechtsprechung zu (RIS‑Justiz RS0019150).

Der vom Revisionsrekurswerber behauptete Widerspruch zur Rechtsprechung besteht nicht. Unterhaltsverträgen wohnt die clausula rebus sic stantibus regelmäßig stillschweigend inne. Sie ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Parteien ausdrücklich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung auch für den Fall einer wesentlichen Änderung in den beiderseitigen Verhältnissen verzichtet haben (RIS‑Justiz RS0018900). Ob ein derartiger Ausschluss im Einzelfall vorliegt, kann nur nach den konkreten Umständen beurteilt werden. Diese Beurteilung wirft aber nur dann erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf, wenn die vom Rechtsmittelwerber beanstandete Beurteilung eine die Rechtssicherheit gefährdende Fehlbeurteilung ist. Davon kann im vorliegenden Fall im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut keine Rede sein.

Abgesehen davon bestand die nach der Unterhaltsvereinbarung ausdrücklich nicht zu berücksichtigende Möglichkeit für die Klägerin, aus der Vermietung einer Eigentumswohnung Einkünfte zu erzielen, bereits vor Erlassung der einstweiligen Verfügung in gleicher Weise wie jetzt, sodass nicht von einer Änderung der Umstände ausgegangen werden kann, die eine Änderung dieser Verfügung im Sinn des vom Beklagten verfolgten Begehrens möglich machte.

Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Der Beklagte hat gemäß §§ 41, 50 ZPO der Klägerin die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen, weil diese auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hinwies.

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