OGH 5Ob186/16p

OGH5Ob186/16p25.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R***** D***** und 2. M***** D*****, beide *****, vertreten durch Mag. Sebastian Feigl, LL.M, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei U***** GmbH, ***** vertreten durch die Winternitz Rechtsanwalts GmbH, Wien, wegen 139.269,04 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juni 2016, GZ 4 R 209/15g‑45, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 29. September 2015, GZ 38 Cg 1/13t‑41, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00186.16P.1025.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Kläger begehrten mit ihrer am 7. 1. 2013 bei Gericht eingelangten Klage Schadenersatz aufgrund unrichtiger und/oder unzulänglicher Aufklärung über das Risiko eines über Vermittlung der Beklagten aufgenommenen Fremdwährungskredits. Sie seien weder über das Zins- und Währungsrisiko noch über Risiken im Zusammenhang mit dem Tilgungsträger aufgeklärt worden. Davon hätten sie erst im Jahr 2011 Kenntnis erlangt, weswegen ihre Ansprüche nicht verjährt seien.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts ab und wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Die Kläger seien bereits mit Schreiben vom 11. 9. 2008 einer Vermögensverwaltungs‑GmbH, die ihren Fremdwährungskredit gemanagt habe, davon in Kenntnis gesetzt worden, dass ihr Kredit in EUR konvertiert worden sei, was unter anderem mit negativen Entwicklungen des Wechselkurses begründet worden sei. Damit sei ihnen die Risikoträchtigkeit des gewählten Fremdwährungsfinanzierungskonzepts und damit der Primärschaden erkennbar gewesen, sodass die Verjährungsfrist in Gang gesetzt worden sei.

Dagegen richtete sich die außerordentliche Revision der Kläger, die keine Fragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO anspricht.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt grundsätzlich mit Kenntnis des Primärschadens, auch wenn der Geschädigte die Höhe des Schadens noch nicht beziffern kann, ihm nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind. Der drohenden Verjährung muss der Geschädigte mit einer Feststellungsklage entgegen treten (RIS‑Justiz RS0087615; RS0097976).

2.1 Zur Frage der Verjährung von Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 153/15s (= VbR 2016/34, 57 [Rabl, VbR 2016, 36] = ecolex 2016/44, 124 [Brandstätter, ecolex 2016, 466] = EvBl 2016/87, 606 [Liebel]) ausführlich Stellung genommen und unter Bezugnahme auf die herrschende Rechtsprechung zu Anlegerschäden ausgeführt, bereits der Abschluss des – in dieser Form nicht gewollten – Fremdwährungskreditvertrags begründe den Primärschaden, mit dessen positiver Kenntnis die kurze Verjährungsfrist auch dann in Gang gesetzt werde, wenn der Geschädigte die Höhe seines Schadens noch nicht beziffern könne, weil ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt bzw diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten seien. Ein nach Erkennen der Risikoträchtigkeit der gewählten Anlageform eingetretener weiterer Schaden sei dann als bloßer Folgeschaden zu qualifizieren, dessen Verjährung gleichfalls mit Kenntnis vom Eintritt des Erstschadens beginne.

2.2 Diese Grundsätze wurden in den Entscheidungen 5 Ob 177/15p, 1 Ob 212/15f und 10 Ob 51/16x bekräftigt, in denen der Oberste Gerichtshof ebenfalls die Frage des Beginns der Verjährungsfrist bei Beratungsfehlern in Bezug auf Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzepte, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit verschiedenen Tilgungsträgern vorsahen, zu beurteilen hatte. Entscheidend für den Beginn des Fristenlaufs ist bei derartigen Modellen, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzept – entgegen den Zusagen – nicht oder nicht im zugesagten Ausmaß risikolos ist.

3. Dem von den Klägern gewählten Veranlagungskonzept liegt ebenfalls eine Kombination von einem

Fremdwährungskredit mit einer fondsgebundenen Lebensversicherung als Tilgungsträger zugrunde, wobei sie zunächst eine Vermögensverwaltungs-GmbH mit dem Devisenmanagement betraut hatten. Diese setzte die Kläger mit Schreiben vom 11. 9. 2008 davon in Kenntnis, dass sie den Kredit wegen der negativen Wechselkursentwicklungen in EUR konvertiert hatte und bei Erreichen eines geeigneten Einstiegsniveaus das Darlehen – bei kalkuliertem Risiko – in eine günstigere Währung wechseln werde. Völlig zutreffend hielt das Berufungsgericht daher fest, dass den Klägern damit ausreichend deutlich vor Augen geführt war, dass das von ihnen gewählte Konzept nicht oder nicht im zugesagten Ausmaß risikolos war. Soweit sie dennoch geltend machen, das Schreiben hätte nur den Fremdwährungskredit betroffen, eine Risikoaufklärung hinsichtlich des Gesamtkonzepts sei aber unterblieben, und dabei auf den Zeitpunkt der auf ihren Wunsch erfolgten neuerlichen Konvertierung des Kredits in Schweizerfranken abstellen, lassen sie außer Acht, dass sie als Folge des im Schreiben vom 11. 9. 2008 angesprochenen Risikos noch im September 2008 zur Abdeckung bereits eingetretener Verluste den ursprünglich eingeräumten Kredit um weitere 20.266,33 EUR aufstocken mussten. Damit war aber bereits eine Situation eingetreten, bei der die (ursprünglich aushaftende) Kreditsumme wegen bereits realisierter (Kurs‑)Verluste mit Mitteln, wie sie ursprünglich dem Gesamtkonzept zugrunde lagen, nicht mehr abgedeckt werden konnte.

Für den Beginn der Verjährungsfrist genügt es aber, wenn der anspruchsbegründende Sachverhalt dem Geschädigten so weit bekannt ist, dass das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen erstattet werden kann (RIS‑Justiz RS0034524). Das war im hier vorliegenden Kontext spätestens der Fall, als die Kläger zur Abdeckung von bereits realisierten Verlusten weitere Kreditmittel in Anspruch nehmen mussten, weil damit für sie als Geschädigte kein Zweifel mehr gegeben sein konnte, dass das Finanzierungskonzept als Gesamtes nicht im zugesagten Ausmaß risikolos war. Die von den Klägern in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel thematisierte Frage nach der den Geschädigten treffenden Erkundungsobliegenheit, wenn er die für die erfolgsversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (vgl dazu RIS‑Justiz RS0034327), stellt sich also im hier gegebenen Zusammenhang nicht mehr.

4.

 Von Beschwichtigungen des Beraters kann dann gesprochen werden, wenn ein beim Geschädigten allenfalls entstandener Verdacht, er habe nicht die begehrte Anlage erhalten, wieder zerstreut und derart gerade die vollständige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen verhindert wird (vgl dazu 9 Ob 85/15p mwN). Solche Versuche sind von den Tatsacheninstanzen weder festgestellt noch von den Klägern behauptet worden und werden von ihnen auch nicht damit angesprochen, wenn sie zur Begründung einer ihrer Ansicht nach erheblichen Rechtsfrage meinen, sie seien vor Umsetzung ihres Wunsches, erneut in Schweizerfranken zu konvertieren nicht über das damit verbundene Risiko aufgeklärt worden, was einem solchen Beschwichtigungsversuch gleich gehalten werden müsse. Wie eine solche Unterlassung angesichts der ihnen bereits zugegangenen Informationen über gerade diejenigen Risiken, die mit der von ihnen gewünschten Währung einhergingen, und der bereits eingetretenen Kursverluste geeignet sein soll, die Erkennbarkeit des Primärschadens zu hindern, ist nicht nachvollziehbar und kann von den Klägern auch nicht plausibel dargestellt werden.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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