European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00195.16X.1018.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe gemäß § 55 Abs 1 EheG.
Der Beklagte beantragte die Klageabweisung und stellte den Eventualantrag auf Ausspruch des Alleinverschuldens bzw des überwiegenden Verschuldens der Klägerin iSd § 61 Abs 3 EheG.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten.
Über Berufung des Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil „mit der Maßgabe“, dass die zwischen den Streitteilen geschlossene Ehe gemäß § 55 Abs 1 EheG geschieden ist und der Antrag des Beklagten auf Feststellung des Alleinverschuldens oder überwiegenden Verschuldens der Klägerin abgewiesen wird.
Rechtliche Beurteilung
Der Beklagte zeigt in seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Es trifft zu, dass die „Maßgabebestätigung“ des Berufungsgerichts verfehlt war, weil das Erstgericht seine Entscheidung ausdrücklich damit begründete, die Ehe sei wegen einer Eheverfehlung des Beklagten aus dessen überwiegenden Verschulden iSd § 49 EheG zu scheiden.
2. Richtig ist auch, dass das Erstgericht mit seiner Entscheidung gegen § 405 ZPO verstieß, weil die Klägerin ausschließlich die Scheidung der Ehe gemäß § 55 Abs 1 EheG begehrte. Nach ständiger Rechtsprechung bewirkt ein derartiger Verstoß gegen § 405 ZPO jedoch keine Nichtigkeit, sondern eine – in der Berufung des Beklagten auch gerügte – Mangelhaftigkeit des Verfahrens (RIS‑Justiz RS0041240).
3. Damit ist für den Beklagten allerdings nichts gewonnen: Das Berufungsgericht ist im Ergebnis mit seiner „Maßgabebestätigung“ ohnedies dem Vorbringen des Beklagten in der Berufung gefolgt und hat den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Beklagten beseitigt, wobei es klarstellte, dass die Scheidung der Ehe gemäß § 55 Abs 1 EheG erfolgt. Der dem Berufungsgericht bei der „Maßgabebestätigung“ unterlaufene Verfahrensmangel ist daher ohne Relevanz geblieben.
4. Die Frage, ob einen Ehegatten ein überwiegendes Verschulden am Eintritt der Zerrüttung der Ehe trifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0119414; RS0110837 [T1]). Das Berufungsgericht verwies zutreffend darauf, dass es der Beklagte war, der zunächst gegen die Klägerin tätlich wurde und die Ehe ständig durch Auseinandersetzungen mit seinen Geschwistern belastete, Wünsche der Klägerin nicht beachtete und daher letztlich einen entscheidenden Beitrag zur eingetretenen unheilbaren Zerrüttung der Ehe leistete. Da somit nach den vorliegenden Umständen des Einzelfalls keine Rede davon sein kann, dass das Verschulden des Beklagten an der Zerrüttung fast völlig in den Hintergrund trat (RIS‑Justiz RS0057487 [T1]), ist die Entscheidung des Berufungsgerichts jedenfalls vertretbar.
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