European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00026.16W.1011.000
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§§ 510 Abs 3 letzter Satz, 528a ZPO).
Die Klägerin ist eine GmbH nach bulgarischem Recht mit Sitz in Bulgarien. Die Beklagte hat ihren Sitz in Österreich.
Die Klägerin errichtete im Jahr 2010 in Bulgarien eine Fabrik. Sie wollte bei der Beklagten sowohl Wandpaneele als auch ein Thermodach für das Bauvorhaben kaufen.
In ihrem damals aktuellen Prospekt gab die Beklagte neben ihrem Sitz in Wien und ihren Partnerunternehmen in mehreren anderen Ländern ihre Kontaktadresse in Bulgarien mit „c/o T***** GmbH“ samt deren Adresse in Bulgarien zuzüglich Telefon- und Faxnummern sowie E‑Mail‑Adressen an. Die Klägerin nahm auf Grundlage dieses Prospekts über die T***** GmbH und deren Mitarbeiterin in Bulgarien, A*****, Kontakt mit der Beklagten auf.
Der Geschäftsführer der Klägerin und A***** arbeiteten gemeinsam aus dem Produktangebot der Beklagten heraus, was technisch für das Bauvorhaben der Klägerin geeignet gewesen ist. Der Geschäftsführer der Klägerin kommunizierte mit A***** ausschließlich auf bulgarisch.
Am 28. 9. 2010 sandte A***** nach Rücksprache mit der Beklagten bzw dem Produktionswerk in Ungarn ein E‑Mail in bulgarischer Sprache an den Geschäftsführer der Klägerin, das ein Angebot sowohl betreffend die Wandpaneele als auch die Dachpaneele enthielt.
Am 2. 11. 2010 setzte der Geschäftsführer der Klägerin auf ein ihm von A***** vorgelegtes (Anm: ausgedrucktes) E‑Mail – die Wandpaneele betreffend – in bulgarischer Sprache die Daten der Klägerin und unterfertigte dieses – ebenfalls in bulgarischer Sprache – als Geschäftsführer mit dem Beisatz „Die für den Materialeinkauf verantwortliche Person“.
Mit E‑Mail vom 4. 11. 2010 in bulgarischer Sprache leitete A***** die Auftragsbestätigung und die Proforma‑Rechnung der Beklagten betreffend die Wandpaneele an die Klägerin weiter. Das E‑Mail lautet ua: „Sehr geehrter [Geschäftsführer], anbei finden Sie bitte die Rechnung und die Auftragsbestätigung. Bitte kontrollieren Sie noch einmal die Spezifikation und bestätigen Sie, dass alles ganz genau richtig ist. …“
Die mit diesem E‑Mail gesandte Auftragsbestätigung der Beklagten vom 4. 11. 2010 ist– ebenso wie die Proforma‑Rechnung – in deutscher Sprache verfasst und hat unter anderem folgenden Inhalt:
„… Wir danken für den uns erteilten Auftrag über die Lieferung von Bauelementen und bestätigen Ihnen im Folgenden den vereinbarten Lieferumfang auf Basis unserer Geschäftsbedingungen, die im Internet unter www.h *****.at veröffentlicht sind. Die jeweils gültige Fassung ist beim Notar hinterlegt und dokumentiert. … “
Auch die weitere Auftragsbestätigung der Beklagten betreffend das Thermodach vom 10. 11. 2010 und die entsprechende Proforma‑Rechnung vom selben Tag sind in deutscher Sprache verfasst und wurden auf die selbe Weise über A***** an die Klägerin weitergeleitet. Auch die Auftragsbestätigung vom 10. 11. 2010 enthält einen mit der Auftragsbestätigung vom 4. 11. 2010 wortidenten Hinweis auf die Geschäftsbedingungen der Beklagten.
In den Gesprächen zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und A***** vor und bei der Auftragsanbahnung waren allfällige Allgemeine Geschäfts- oder Lieferbedingungen (AGB) kein Thema. Dem Geschäftsführer der Klägerin war und ist aber bewusst, dass Gesellschaften im Geschäftsleben Verträge unter Vereinbarung ihrer AGB abschließen. Die AGB der Beklagten wurden der Klägerin nicht übermittelt. Die allein in deutscher Sprache gehaltenen AGB der Beklagten hatten zum damaligen Zeitpunkt unter anderem folgenden unstrittigen Inhalt:
„ 16. … Jegliche Schadenersatzpflicht ist auf den Fall vorsätzlich schuldhaften Verhaltens und auf den Ersatz unmittelbarer Schäden beschränkt, insbesondere ist der Ersatz von Folgeschäden ausgeschlossen. …
21. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Wien. Wir sind jedoch berechtigt, den Käufer auf seinem allgemeinen Gerichtsstand zu klagen. Es gilt österreichisches materielles und formelles Recht mit Ausnahme des Internationalen Kaufrechts. “
Die Klägerin zahlte nach Erhalt der Auftragsbestätigungen und der Proforma‑Rechnungen der Beklagten den Gesamtkaufpreis. Sie erhob weder gegen den Inhalt der Auftragsbestätigungen noch der Proforma-Rechnungen Widerspruch.
An den Wand‑ und Dachpaneelen kommt es seit deren Montage zu Blasenbildungen.
Die Klägerin begehrt die Zahlung von 59.198,98 EUR an Rückerstattung des Kaufpreises, Ersatz der frustrierten Transportkosten, Ersatz der Kosten der Montage der Metallkonstruktion, Ersatz der Kosten der Montage der Paneele und Ersatz der Kosten der Demontage der Paneele und der Metallkonstruktion sowie Zinsen in Höhe von 9,25 % aufgrund einer erforderlichen Kreditaufnahme in Höhe zumindest des eingeklagten Betrags. Sie stützt ihr Begehren auf Schadenersatz und Gewährleistung, Irrtum und culpa in contrahendo. Sie vertritt die Ansicht, dass die AGB der Beklagten nicht vereinbart worden seien.
Die Beklagte wandte, soweit für das Rekursverfahren von Bedeutung, gegen das Klagebegehren ein, dass ihre AGB wirksam vereinbart worden seien, weshalb sie mangels Vorsatzes nicht schadenersatzpflichtig sei. Ihre mehrfachen Angebote, die vorhandenen Mängel zu verbessern, habe die Klägerin grundlos abgelehnt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung der Klägerin auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Nach dem Vorbringen der Klägerin gelange UN‑Kaufrecht auf den vorliegenden Vertrag grundsätzlich zur Anwendung. Dies wäre lediglich dann nicht der Fall, wenn die AGB – und damit der in Pkt 21 der AGB enthaltene Ausschluss der Anwendbarkeit desUN‑Kaufrechts – zwischen den Parteien wirksam vereinbart worden wäre.
Zur Wirksamkeit der Vereinbarung der AGB sei ein Hinweis auf deren Einbeziehung in der Verhandlungssprache erforderlich. Der Geschäftsführer der Klägerin habe mit A***** in bulgarischer Sprache verhandelt. A***** sei für die T***** GmbH aufgetreten. Die T***** GmbH sei der Beklagten aufgrund des Prospekts der Beklagten als Kontaktadresse in Bulgarien zuzurechnen. Dieses Unternehmen werde nach dem Willen der Beklagten in die Vorbereitung der Verträge der Beklagten mit bulgarischen Interessenten einbezogen. An den Produkten der Beklagten interessierte bulgarische Kunden wie die Klägerin seien nach dem Prospekt eingeladen, sich an die T***** GmbH in Bulgarien zu wenden. Die Feststellung des Erstgerichts, dass weder die T***** GmbH noch A***** zur Vertretung der Beklagten befugt waren, stehe dem nicht entgegen. Sie bedeute nur, dass die T***** GmbH und A***** nicht zum Abschluss von Verträgen für die Beklagte befugt gewesen seien, beziehe sich aber nicht auf die für die Frage der Vereinbarung von AGB maßgebliche Befugnis zur Führung von Verhandlungen zur Vorbereitung von Vertragsabschlüssen.
Die gemeinsame Verhandlungssprache sei daher Bulgarisch gewesen. Da ein Hinweis auf die Einbeziehung der AGB in bulgarischer Sprache fehle, seien diese nicht vereinbart. Damit gelange UN‑Kaufrecht zur Anwendung. Nach dessen Bestimmungen seien jedoch die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilbar, sodass das Verfahren ergänzungsbedürftig sei.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil Rechtsprechung fehle, ob das Verhalten einer Mitarbeiterin eines ausländischen Unternehmens, dessen Adresse ein österreichisches Unternehmen in seinem Prospekt als Kontaktadresse in einem anderen Staat angegeben habe, dem österreichischen Unternehmen zurechenbar sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten, mit dem diese die Abweisung der Klage anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist unzulässig.
1. Die Rekurswerberin wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach auf den vorliegenden Vertrag UN‑Kaufrecht anzuwenden sei, nur unter dem Aspekt, dass ihrer Ansicht nach der in Pkt 21 der AGB enthaltene Ausschluss der Anwendbarkeit des UN‑Kaufrechts wirksam vereinbart worden sei. Sie zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
2. Die Frage, ob das Verhalten A***** der Beklagten zuzurechnen ist, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, sodass sich eine erhebliche Rechtsfrage nur stellen könnte, wenn das Berufungsgericht die Frage der Zurechnung in unvertretbarer Weise gelöst hätte. Davon kann hier keine Rede sein. Schon aus dem unstrittigen Inhalt des Prospekts der Beklagten ergibt sich, dass zwischen ihr und der von ihr in Bulgarien als Kontaktadresse angegebenen Gesellschaft eine ständige Geschäftsbeziehung im Hinblick auf die Vermittlung von Kunden und Führung von Kundengesprächen besteht. Dies wird durch die von der Rekurswerberin in der Berufungsbeantwortung nicht bekämpften Feststellungen des Erstgerichts bestätigt, wonach die Kommunikation der Parteien bei den Vertragsvorbereitungen nur über A***** erfolgte, die nach Rücksprache mit der Beklagten deren Angebote und Auftragsbestätigungen an die Klägerin weiterleitete. Das Berufungsgericht ist ohnehin davon ausgegangen, dass weder die T***** GmbH noch A***** die Befugnis hatten, für die Beklagte Verträge abzuschließen. Darauf kommt es aber hier nicht an, weil, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, für die hier zu beurteilende Rechtsfrage der Vereinbarung von AGB die Verhandlungssprache bei der Vorbereitung des Vertrags maßgeblich ist (1 Ob 30/04z).
3.1 Es entspricht der vom Berufungsgericht beachteten Rechtsprechung, dass fremdsprachige AGB trotz Sprachunkenntnis des Vertragspartners (nur) dann als wirksam vereinbart angesehen werden können, wenn in der Verhandlungssprache und Vertragssprache auf die AGB hingewiesen wurde und der Vertragspartner (dennoch) eine uneingeschränkte Annahmeerklärung abgegeben hat (7 Ob 176/98b; RIS‑Justiz RS0112313). Dies gilt auch für das Verhältnis zwischen zwei Unternehmern (7 Ob 275/03x), sodass es auf die von der Rekurswerberin behauptete fehlende Vergleichbarkeit mit der Entscheidung 1 Ob 30/04z nicht ankommt. Von der gegenteiligen älteren Rechtsprechung ist der Oberste Gerichtshof abgegangen (vgl wiederum ausführlich 1 Ob 30/04z), sodass das Argument der Beklagten, dem Geschäftsführer der Klägerin sei bewusst gewesen, dass Unternehmen Verträge üblicherweise unter Einbeziehung ihrer AGB abschließen, seine Unterschrift gelte auch, wenn er die deutsche Sprache nicht verstehe, nicht zutrifft.
3.2 Für den Fall unterschiedlicher Verhandlungs- und Vertragssprachen hat der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 1 Ob 30/04z (ÖBA 2004/1240 [Iro] = ecolex 2004/370 [Leitner]) und 10 Ob 17/04d (ecolex 2005/436 [Leitner] klargestellt, dass jener Vertragsteil, der unter Einbeziehung bestimmter, in der Vertragssprache gehaltener AGB mit einer Bestimmung über eine kollisionsrechtliche Rechtswahl kontrahieren will, den anderen Vertragsteil – als primäre Voraussetzung von deren Geltung – in einem durch dessen (schließliche) Unterschrift gedeckten Abschnitt der Vertragsurkunde in der Verhandlungssprache deutlich auf die Einbeziehung solcher AGB in das Vertragsverhältnis hinzuweisen hat; mangelt es daran, werden die AGB schon deshalb nicht Vertragsbestandteil (6 Ob 229/08g). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor, weil die bei der Vorbereitung des Vertragsabschlusses zwischen den Streitteilen verwendete Sprache Bulgarisch war, die Hinweise auf die Einbeziehung der AGB der Beklagten aber in deren in deutscher Sprache verfassten Auftragsbestätigungen vom 4. 11. und 10. 11. 2010 erfolgten.
3.3 Schon daher fehlt es an den Voraussetzungen für die wirksame Vereinbarung der AGB der Beklagten im vorliegenden Fall. Auf die weitere Frage, ob Deutsch eine „Weltsprache“ sei (vgl 7 Ob 275/03x), kommt es daher, worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat, hier nicht an. Ebenso wenig spielt der von der Beklagten im Rekurs behauptete Umstand eine Rolle, dass ihre AGB im Internet in mehreren Sprachen, darunter Englisch, verfügbar seien. Dabei handelt es sich überdies auch um eine im Rechtsmittelverfahren unbeachtliche Neuerung.
4. Darüber hinaus hat die Rekurswerberin die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass auf das Vertragsverhältnis der Streitteile grundsätzlich UN‑Kaufrecht anzuwenden sei, nicht in Frage gestellt. Wenn das Berufungsgericht das Verfahren aus diesem Grund für ergänzungsbedürftig hält, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nach ständiger Rechtsprechung nicht entgegentreten (RIS‑Justiz RS0042179).
Der Rekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Klägerin hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
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