OGH 7Ob166/16m

OGH7Ob166/16m28.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dipl.‑Ing. K***** B***** und 2. A***** B*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Pail, Rechtsanwalt in Oberwart, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 23.453,26 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Juni 2016, GZ 1 R 41/16f‑37, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 18. Jänner 2016, GZ 2 Cg 37/15y‑31, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00166.16M.0928.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 1.725,12 EUR (darin 287,52 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Die von den Streitteilen vereinbarten Vertragsgrundlagen zur Eigenheimversicherung (Fassung 2003; AEHB 2003) lauten auszugsweise:

Teil C – Sturm‑ und Elementarversicherung

Artikel 3

Versicherte Gefahren und Schäden

1. Versichert sind folgende Gefahren

Sturm, Hagel, Schneedruck, Felssturz, Steinschlag und Erdrutsch (fixer Deckungseinschluss)

Erdrutsch ist eine naturbedingte Abwärtsbewegung von Erd- und Gesteinsmassen auf einer unter der natürlichen Oberfläche liegenden Gleitbahn.

2. Versichert sind Schäden, die an den versicherten Sachen

Die Vorinstanzen gingen in ihren die Versicherungsdeckung bejahenden Entscheidungen davon aus, dass der zu beurteilende Schaden unmittelbar auf einen Erdrutsch im Sinn von Art 3.1. AEHB 2003 zurückzuführen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Definition des Begriffs „Erdrutsch“ und des in diesem Zusammenhang versicherten Risikos in AVB (hier AEHB 2003) vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn das Berufungsgericht höchstgerichtliche Rechtsprechung missachtet hat oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RIS‑Justiz RS0121516 [T37]). Dies trifft hier nicht zu:

2. Das Berufungsgericht und die Beklagte sind sich auf der Basis des insoweit völlig eindeutigen und auch mit dem allgemeinen Sprachgebrauch übereinstimmenden Wortlaut des Art 3 AEHB 2003 darüber einig, dass nur ein Schaden versichert ist, der unmittelbar aus einer Abwärtsbewegung von Erd- und Gesteinsmassen im Sinn eines dynamischen Prozesses und nicht einer bloß statischen Krafteinwirkung resultiert.

3. Uneinigkeit besteht in Wahrheit lediglich über das Verständnis der vom Erstgericht zu dieser Tatfrage getroffenen Feststellungen. Die Auslegung der in einer gerichtlichen Entscheidung enthaltenen Feststellungen ist aber einzelfallbezogen und begründet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0118891). Nur wenn die Auslegung der erstrichterlichen Feststellungen durch die zweite Instanz eine unvertretbare Fehlbeurteilung darstellt, ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Korrektur zulässig (7 Ob 114/10f; 7 Ob 132/14h). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor:

4. Das Erstgericht stellte fest: „Die Böden der Deckschichten wurden durch Wasseraufnahme zusätzlich belastet. Die ruckartige Entspannung des Porenwasserdruckes durch die der Schwerkraft folgende Bewegung der mobilisierbaren Bodenschichten führte zur erhöhten Belastung der Mauer und damit zu deren Zerstörung. … Es handelte sich um eine naturbedingte, weil durch das Zusammenwirken von Boden und Wasser verursachte Abwärtsbewegung in Form einer akut ablaufenden Rutschung.“

Diese Feststellung steht im Einklang mit dem vom Erstgericht als glaubwürdig zugrunde gelegten Sachverständigengutachten, wonach es aus „geologisch‑geotechnischer Sicht nachvollziehbar (ist), dass die … Natursteinmauer von einer Hangbewegung betroffen wurde“.

Das darauf aufbauende Tatsachenverständnis des Berufungsgerichts, wonach der Mauereinsturz eine Folge unterirdischer horizontaler Bodenbewegungen gewesen sei, ist demnach keine unvertretbare Fehlbeurteilung.

Die gegenteilige Auffassung der Beklagten, wonach die Bodenbewegung lediglich Folge des Mauereinsturzes und dieser allein auf statischen Erddruck zurückzuführen gewesen sei, geht demnach nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

5. Ob für die Annahme eines „Erdrutsches“ auch ein langsameres „Abgleiten“ von Bodenschichten ausreicht, ist hier nicht zu beurteilen, weil nach dem vertretbaren Sachverhaltsverständnis des Berufungsgerichts ohnehin ein ruckartiger Vorgang vorlag.

6.1. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.

6.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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