OGH 12Os95/16m

OGH12Os95/16m22.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Sanela J***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 18. April 2016, GZ 28 Hv 11/16k‑20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00095.16M.0922.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Erledigung der Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sanela J***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (1./) sowie der Vergehen der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (2./) und der falschen Beweisaussage nach §§ 15 Abs 1, 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB (3./) schuldig erkannt.

Danach hat sie am 25. September 2015 in L***** Aleksandra M*****

1./ mit Gewalt gegen ihre Person, indem sie ihre eigenen Haare um deren Hals wickelte und sie damit würgte, eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld von zumindest 2.805 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen;

2./ durch die Äußerung, sie werde sie töten, wenn sie sie verraten sollte, somit durch gefährliche Drohung, zur Abstandnahme von der „Identifizierung der Sanela J***** als Täterin zu der unter Punkt 1. angeführten Tat“ zu nötigen versucht;

3./ dadurch, dass sie ihr auftrug, zu behaupten, zwei unbekannte männliche Personen hätten den Raub begangen, zu bestimmen versucht, als Zeugin in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen.

Nach den wesentlichen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen hatte die spielsüchtige Angeklagte größere Beträge bei einem Spielautomaten in einem Sportwettenlokal verloren. Aus diesem Grund setzte sie in der Folge gegen die Kellnerin dieses Lokals die im Erkenntnis des Ersturteils geschilderten Straftaten (US 3 ff).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten schlägt fehl.

Wie die – eine Vernachlässigung der Pflicht zu amtswegiger Wahrheitserforschung monierende – Tatsachenrüge (Z 5a) selbst zugesteht, wäre es dem Verteidiger der Angeklagten ohne weiteres möglich gewesen, beim Schöffensenat einen Antrag auf Vornahme eines weiteren Ladungsversuchs an der (aus den Ermittlungsakten ersichtlichen; ON 2 AS 10) Heimatadresse in Serbien hinsichtlich der zur Hauptverhandlung nicht erschienenen Zeugin Aleksandra M***** zu stellen. Da dies nicht geschah (sondern deren Aussage vor der Polizei vielmehr sogar mit Einverständnis des Verteidigers verlesen wurde; ON 19 AS 13), verfehlt das Rechtsmittel die Anfechtungskriterien einer Aufklärungsrüge (RIS‑Justiz RS0115823, RS0114036).

Entsprechendes gilt für den (pauschal auf Z 5 und 5a) gestützten Einwand, die „Einvernahme aller in Betracht kommender Tatzeugen“ sei unerlässlich gewesen.

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die Unterlassung der Antragstellung bezüglich der Aufnahme solcher Beweise, die das Gericht angesichts der Aktenlage im Rahmen der Amtswegigkeit nicht für erforderlich hielt, auch kein – die Manuduktionspflicht des Gerichts auslösendes – Versagen des vom Gericht beigegebenen Verteidigers (§§ 61 ff StPO) darstellt (RIS‑Justiz RS0096569 [insb T4]).

Soweit die Beschwerdeführerin (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 5a nach Art einer Aufklärungsrüge) die unterbliebene Einholung eines „neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens“ zur Frage der Diskretions‑ und Dispositionsfähigkeit der Angeklagten kritisiert, gibt sie abermals nicht bekannt, wodurch sie an zweckentsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war.

Dem weiteren Rechtsmittel ist vorauszuschicken, dass

die gesetzmäßige Ausführung eines

materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes das

Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung hat (RIS‑Justiz RS0099810). Rechts‑ oder Subsumtionsrügen, die eine im Urteil festgestellte Tatsache bestreiten, sich auf Tatsachen stützen, die im Urteil nicht festgestellt sind oder Umstände verschweigen, die im angefochtenen Urteil festgestellt sind, verfehlen daher ihr Ziel (RIS‑Justiz RS0099025).

Soweit die Beschwerde bloß mit eigenen Beweiswerterwägungen der als unglaubhaft verworfenen Verantwortung der Angeklagten, wonach sie sich nur jenes Spielguthaben, das sie aufgrund eines vom Automatenbetreiber provozierten technischen Defekts am Spielautomaten verloren habe, zum Durchbruch zu verhelfen sucht und davon ausgehend die Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz bezweifelt, vernachlässigt sie die dargestellten Anfechtungskriterien.

Gleiches gilt für die den Schuldspruch 2./ betreffende Rüge, die die Behauptung mangelnder Besorgniseignung der Drohung auf Basis der – vom Erstgericht den Feststellungen gerade nicht zugrunde gelegten (vgl US 6) – Einlassung der Angeklagten, wonach sie Aleksandra M***** nur in Aussicht gestellt hätte, sie im Falle eines Verrats „niederzutreten“ oder „fertig zu machen“ und mit eigenen Beweisüberlegungen zum Nachtatverhalten der genannten Zeugin zu entwickeln sucht.

Der Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) ist zwar zuzugestehen, dass die Heranziehung der „mangelnden Schuldeinsicht“ für die Ablehnung bedingter Strafnachsicht eine unrichtige Gesetzesanwendung darstellt. Dieser Umstand kann vorliegend jedoch auf sich beruhen, weil die angefochtene Entscheidung zweifelsfrei zum Ausdruck bringt (US 12), die bedingte Nachsicht bereits aus generalpräventiven Gründen abzulehnen (RIS‑Justiz RS0090897 [T3, T5]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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