OGH 13Os65/16g

OGH13Os65/16g6.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Jülg als Schriftführer in der Strafsache gegen Durmus T***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Durmus T*****, Mücahid T***** und Ugur P***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 28. Jänner 2016, GZ 29 Hv 53/14i‑65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00065.16G.0906.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Durmus T*****, Mücahid T***** und Ugur P***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie am 19. Mai 2013 in H***** im einverständlichen Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) Melanie S***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem sie sie entkleideten, an den Schultern fixierten, ihre Beine auseinanderdrückten und nacheinander den Geschlechtsverkehr mit ihr durchführten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobenen, von allen drei Angeklagten auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO, von Durmus T***** und Ugur P***** überdies auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Zu den (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden des Durmus T ***** und des Ugur P*****:

Das Erstgericht legte in eingehender – den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechender (Z 5 vierter Fall) – Beweiswürdigung dar, aus welchen Gründen es den Angaben des Opfers folgte und die (im Wesentlichen Freiwilligkeit des Geschlechtsverkehrs behauptende und solcherart) leugnende Verantwortung der Beschwerdeführer als widerlegt erachtete (US 5 bis 7). Hievon ausgehend waren die Tatrichter– entgegen der Mängelrüge (Z 5) – unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht verhalten, sämtliche Details der Aussage des Durmus T***** zu erörtern. Derartige Urteilsausführungen hätten vielmehr gegen das in § 270 Abs 2 Z 5 StPO normierte Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe verstoßen (RIS‑Justiz RS0106642).

Im – hier konstatierten (US 4, 5 und 10) – Fall der Mittäterschaft (§ 12 erster Fall StGB) muss nicht jeder der einvernehmlich handelnden Täter selbst das gesamte Tatbild verwirklichen. Er muss bloß eine dem Wortlaut des in Rede stehenden Tatbestands entsprechende Ausführungshandlung setzen, um den gesamten (von seinem Vorsatz umfassten) Erfolg zu verantworten (12 Os 1/03, SSt 2003/18; RIS‑Justiz RS0117320; Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 26 mwN). Indem die Beschwerde die Frage releviert, ob – bei festgestellter, vom Vorsatz aller Täter umfasster – Gewaltanwendung auch Ugur P***** die Beine der Melanie S***** auseinandergedrückt habe, bezieht sie sich somit nicht auf schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstände (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268).

Gleiches gilt für den Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 dritter Fall), das Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) widerspreche den Urteilsfeststellungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Die insoweit relevierte Frage nach dem Ausziehen von Hose und Unterhose des Opfers tangiert nämlich den Schuldspruch nicht.

Die Behauptung der Sanktionsrüge (Z 11, der Sache nach Z 9 lit a), das Erstgericht habe zu Unrecht einen Schuldspruch wegen dreier Verbrechen nach § 201 Abs 1 StGB gefällt, entfernt sich von der Aktenlage (US 2).

Soweit sich die Beschwerde dagegen wendet, dass die Tatsache, dass (im Zuge des als einheitlich festgestellten Tatgeschehens) alle drei Angeklagten den Geschlechtsverkehr mit Melanie S***** vollzogen haben, erschwerend gewertet wurde (US 11), erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des M ücahid T*****:

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) blieben die Feststellungen zur Mittäterschaft (§ 12 erster Fall StGB) des Beschwerdeführers keineswegs unbegründet (Z 5 vierter Fall). Die Tatrichter stützten sich insoweit primär auf dessen eigene Verantwortung im Ermittlungsverfahren (US 7).

Der Umstand, dass Melanie S***** zu den Tathandlungen des Beschwerdeführers keine konkreten Angaben machen konnte, widerspricht den diesbezüglichen Konstatierungen nicht und war solcherart auch nicht erörterungsbedürftig im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS‑Justiz RS0118316).

Mit im Verfahren behaupteten unrichtigen Angaben der Melanie S***** hinsichtlich einer ärztlichen Behandlung haben sich die Tatrichter im Rahmen der Prüfung der Glaubwürdigkeit dieser Zeugin (§ 258 Abs 2 StPO) sehr wohl auseinandergesetzt (US 6).

Der vom Erstgericht vorgenommene Schluss vom objektiven Tatgeschehen auf die subjektive Tatseite (US 7) ist – der Beschwerde zuwider – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671 und RS0116882).

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Erstgericht treffe keine Feststellungen zur Mittäterschaft (§ 12 erster Fall StGB), entfernt sich vom Urteilssachverhalt (US 4, 5 und 10) und entzieht sich solcherart einer meritorischen Erledigung (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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