OGH 1Ob88/16x

OGH1Ob88/16x30.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** S*****, vertreten durch die Benedikt Wallner Rechtsanwalt Gesellschaft mbH, Wien, gegen die beklagte Partei W***** S***** AG *****, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH, Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 75.557,69 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2016, GZ 15 R 18/16a‑35, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20. September 2015, GZ 37 Cg 96/12i‑31, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung

Der Kläger begehrte mit seiner am 13. 12. 2012 bei Gericht eingelangten Klage zunächst die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aufgrund fehlender Aufklärung über die Risiken einer bei der Beklagten abgeschlossenen fondsgebundenen Lebensversicherung und eines damit besicherten, bei der Nebenintervenientin aufgenommenen endfälligen Fremdwährungskredits. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte er den Kredit nicht aufgenommen, weswegen auch der Abschluss einer solchen Lebensversicherung unterblieben wäre. Nach Abrechnung der fondsgebundenen Lebensversicherung und Zahlung eines Vergleichsbetrags an die Nebenintervenientin stellte er sein Begehren auf Leistung um und machte zuletzt 75.557,69 EUR sA an Schadenersatz geltend.

Das Berufungsgericht änderte das dem Leistungsbegehren stattgebende Urteil des Erstgerichts ab und wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Der Kläger habe spätestens seit 12. 2. 2009 von der bereits damals bestehenden „Deckungslücke“ und damit von der Risikoträchtigkeit des gewählten Konzepts Kenntnis gehabt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, die keine Fragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO anspricht.

1.

 Die behaupteten Revisionsgründe der

Nichtigkeit und Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils sowie der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2.1 

Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt grundsätzlich mit Kenntnis des Primärschadens, auch wenn der Geschädigte die Höhe des Schadens noch nicht beziffern kann, ihm nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind. Der drohenden Verjährung muss der Geschädigte mit einer Feststellungsklage entgegen treten (RIS‑Justiz RS0087615; RS0097976).

2.2 Zur Frage der Verjährung von Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 153/15s (= VbR 2016/34, 57 [ Rabl , VbR 2016, 36] = ecolex 2016/44, 124 [ Brandstätter , ecolex 2016, 466] = EvBl 2016/87, 606 [ Liebel ]) ausführlich Stellung genommen und unter Bezugnahme auf die herrschende Rechtsprechung zu Anlegerschäden ausgeführt, bereits der Abschluss des – in dieser Form nicht gewollten – Vertrags begründe den Primärschaden, mit dessen positiver Kenntnis die kurze Verjährungsfrist auch dann in Gang gesetzt werde, wenn der Geschädigte die Höhe seines Schadens noch nicht beziffern könne, weil ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt bzw diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten seien. Ein nach Erkennen der Risikoträchtigkeit der gewählten Anlageform eingetretener weiterer Schaden sei dann als bloßer Folgeschaden zu qualifizieren, dessen Verjährung gleichfalls mit Kenntnis vom Eintritt des Erstschadens beginne.

2.3 Diese Grundsätze wurden in den Entscheidungen 5 Ob 177/15p, 1 Ob 212/15f und 10 Ob 51/16x bekräftigt, in denen der Oberste Gerichtshof ebenfalls die Frage des Beginns der Verjährungsfrist bei Beratungsfehlern in Bezug auf Veranlagungs‑ und/oder Finanzierungskonzepte, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit verschiedenen Tilgungsträgern vorsehen, zu beurteilen hatte. Entscheidend für den Beginn des Fristenlaufs ist bei derartigen Modellen, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzept – entgegen den Zusagen – nicht oder nicht im zugesagten Ausmaß risikolos ist.

3. Auch dem vom Kläger gewählten Veranlagungskonzept liegt eine Kombination von einem Fremdwährungskredit mit einer fondsgebundenen Lebensversicherung als Tilgungsträger zugrunde. Ein Kundenbetreuer der Nebenintervenientin setzte ihn am 12. 2. 2009 von der Höhe des Rückkaufswerts der Lebensversicherung per 1. 1. 2009 und der sich dadurch ergebenden Deckungslücke in Kenntnis. Die vom Kläger in seinem außerordentlichen Rechtsmittel thematisierten Fragen nach der den Geschädigten treffenden Erkundungsobliegenheit, wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (vgl dazu RIS‑Justiz

RS0034327), stellen sich also im vorliegenden Kontext schon deshalb nicht, weil – was der Kläger übergeht – ihm bei dieser Besprechung nicht nur der Rückkaufswert per 1. 1. 2009, sondern auch der auf einer Hochrechnung basierende Endwert der Lebensversicherung bekanntgegeben und die auch dann noch gegebene Deckungslücke von 20.000 EUR erörtert wurde. Damit ist es für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist auch nicht mehr von Bedeutung, dass der Rückkaufswert einer Lebensversicherung regelmäßig nicht der Summe der eingezahlten Prämie entspricht, wie der Kläger geltend macht.

4. Der Hinweis auf eine Deckungslücke bei Vertragsablauf des Tilgungsträgers macht deutlich, dass die dann aushaftende Kreditsumme nicht abgedeckt werden kann, und betrifft damit das Veranlagungskonzept als Gesamtes, soweit es der Kläger seiner Schadenersatzforderung zugrunde legt. Die – den Primärschaden darstellende – Risikoträchtigkeit des Gesamtkonzepts ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn es sich rein rechnerisch nicht mehr ohne zusätzliche Vermögensverminderung im Vergleich zur (herkömmlichen) Tilgung des Darlehens entwickeln konnte (vgl 3 Ob 66/15z; 5 Ob 177/15p; 1 Ob 212/15f). Es begründet daher auch keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht, dass es den vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruch als verjährt erachtete, weil ihm die Risikoträchtigkeit des gewählten Veranlagungskonzepts aufgrund der Informationen vom 12. 2. 2009 bekannt sein musste.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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