OGH 9ObA100/16w

OGH9ObA100/16w18.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Johann Schneller in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** B*****, vertreten durch Dr. Hans Günter Medwed, Mag. Michael Medwed ua, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, sowie der auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grassl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 15.149,42 EUR sA und Feststellung (41.952,24 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 11. Mai 2016, GZ 7 Ra 87/15s‑56, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 25. August 2015, GZ 35 Cga 96/14x‑50, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00100.16W.0818.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen der beklagten Partei die mit 2.253,78 EUR (darin 375,22 EUR USt) bestimmten Kosten und der Nebenintervenientin die mit 2.251,33 EUR (darin 375,22 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer jeweiligen Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a ZPO) – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Der Kläger war seit 1983 bei der Beklagten im Wertpapier- und Veranlagungsgeschäft tätig und seit 1998 Direktor der ***** Zweigstelle. Mit Sondervertrag vom 2. 4. 1990 war ihm eine (leistungsabhängige) Gesamtpension zugesagt worden, die von der im Jahr 1997 erfolgten grundlegenden Änderung im Pensionssystem der Banken (Umstellung auf beitragsorientiertes System) mit Ausnahme der Art der Finanzierung unverändert blieb. Im Jänner 2001 unterzeichnete er einen von der Beklagten für die Führungskräfte vorbereiteten Vertragsentwurf, der auch die folgende Passage enthielt: „ Aufbauend auf die bis dahin einzelvertraglich geltenden Bestimmungen der Pensionszusage der Bank (Pensions‑ und Einzelvertrag vom 2. April 1990 in seiner geltenden Fassung) treten die Regelungen der Auslagerungs-Betriebsvereinbarung vom Jänner 2001 über den Beitritt zur Pensionskasse in Kraft. Dadurch werden die bis 31. 12. 2000 erworbenen Anwartschaften auf vorzeitige Alterspension und Alterspension und die daraus resultierenden Hinterbliebenenleistungen von der Bank in die Pensionskasse übertragen und die weitere Finanzierung der Pensionszusage durch laufende Pensionskassenbeiträge vorgenommen.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren des Klägers auf Feststellung der Haftung der Beklagten für den Differenzbetrag zwischen der von ihr abgegebenen leistungsbezogenen Betriebspensionszusage und den von der Pensionskasse tatsächlich ausbezahlten Pensionszuschussbeträgen sowie auf Leistung von Schadenersatz in der Höhe von 15.149,42 EUR sA für den bisherigen Verlust ab. Dabei gingen sie von der Feststellung aus, dass am 15. 1. 2001 im Rahmen einer Informationsveranstaltung von der Pensionskasse detailliert dargelegt wurde, wie die Übertragung der Pensionsanwartschaften im Rahmen des beitragsorientierten Systems mittels Zielübertragung erfolgen sollte, wobei ihr Vertreter auch auf die Möglichkeit von Verlusten hinwies. Festgestellt wurde weiter, dass der Kläger über die mit der Übertragung der Pensionszusage in die Pensionskasse verbundenen Vor‑ und Nachteile informiert war. Weder die Beklagte noch die Nebenintervenientin erklärten, dass die bisherigen einzelvertraglichen Pensionsansprüche garantiert würden. Zu diesem Zeitpunkt lag die Auslagerungs‑Betriebsvereinbarung in einer Entwurfsform vor und konnte im Büro des Personalleiters eingesehen werden. Für einen Auslagerungs‑Kollektivvertrag existierte eine Punktation. Die Auslagerungs-Betriebsvereinbarung wurde am 9. 3. 2001 rückwirkend zum 29. 12. 2000 abgeschlossen. Der Auslagerungs‑Kollektivvertrag wurde im August 2001 abgeschlossen und rückwirkend mit 1. 12. 1999 in Kraft gesetzt. Der Pensionskassenvertrag wurde am 3. 12. 2001 unterzeichnet und rückwirkend mit 1. 12. 2000 in Kraft gesetzt. Dass der Kläger die Pensionsvereinbarung vom Jänner 2001 in Kenntnis des Inhalts der Betriebsvereinbarung vom 9. 3. 2001 nicht unterschrieben hätte, konnte nicht festgestellt werden.

3. Der Oberste Gerichtshof ist keine Tatsacheninstanz (RIS‑Justiz RS0042903 [T5, T7] ua). Die gegenteiligen Ausführungen des Klägers zum Sachverhalt sind daher als unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0043121 ua). Dass sich das Berufungsgericht überhaupt nicht mit seiner Beweisrüge auseinandergesetzt hätte (vgl RIS‑Justiz RS0043371), behauptet der Kläger nicht und träfe auch nicht zu.

4. Nach der Rechtsprechung ist der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern im Zusammenhang mit Vorschlägen, die auf eine Befreiung des Arbeitgebers von weiteren direkten Leistungsverpflichtungen aus einer Pensionsvereinbarung hinauslaufen, zur umfassenden Aufklärung verpflichtet (RIS‑Justiz RS0017049 [T35, T44], s auch [T54]). Ob der Arbeitgeber seine Aufklärungspflicht erfüllt hat, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und begründet im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0017049 [T39, T40, T41]). Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen haben die Vorinstanzen eine Verletzung von Aufklärungspflichten durch die Beklagte in vertretbarer Weise verneint. Die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers gehen demgegenüber nicht vom festgestellten Sachverhalt, insbesondere auch nicht von der genannten Negativfeststellung aus.

5. Für den Kläger ist auch aus der Entscheidung 9 ObA 140/12x kein günstigeres Ergebnis abzuleiten, weil in jenem Verfahren eines anderen Arbeitnehmers ein anderer Sachverhalt festgestellt wurde. Insbesondere wurde dem dortigen Kläger vom Vorstandsvorsitzenden ausdrücklich die Zusicherung gegeben, dass die Höhe seiner einzelvertraglich geregelten und gesicherten Pension auch im Fall des Übertritts bzw der Überführung in das Pensionskassensystem gesichert sei und die Höhe gemäß der Sondervereinbarung weiterhin bestehen bleibe, sodass für ihn feststand, dass er keine Nachteile erleiden würde und „alles gesichert beim Alten bleiben werde“. Die im vorliegenden Verfahren anders gelagerten Feststellungen sind aber für den Obersten Gerichtshof bindend.

6. In rechtlicher Hinsicht macht der Kläger die „Nichtigkeit des Auslagerungsvorgangs“ geltend, weil die Auslagerungs‑Betriebsvereinbarung und der Auslagerungs‑Kollektivvertrag rückwirkend in Kraft gesetzt worden seien („Schwindeldaten“) und damit im entscheidungswesentlichen Zeitpunkt Mitte Jänner 2001 alle gesetzlich geforderten Verträge gefehlt hätten. Da er „all die verfälschten und nicht datierten Vereinbarungen“ nicht gekannt habe, liege „jedenfalls zumindest subjektiv“ Nichtigkeit vor.

Bereits das Berufungsgericht wies darauf hin, dass eine Rückwirkung von Betriebsvereinbarungen als solche noch nicht unzulässig ist (RIS‑Justiz RS0028611 [T1, T3]). Das gilt ebenso für Kollektivverträge (RIS‑Justiz RS0075311 [T2]). Ungeachtet dessen kann hier nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger als leitender Angestellter nicht der Betriebsvereinbarung unterlag (§ 36 Abs 2 Z 3 ArbVG). Für das Verständnis der einzelvertraglichen Übertragungsabrede kommt es daher nicht auf Fragen der Rückwirkung der Auslagerungs‑Betriebsvereinbarung, sondern darauf an, ob die Einzelvereinbarung – mit der die Regelungen der Betriebsvereinbarung parallel auch für den Kläger gelten sollten – mit dem Verweis auf die Auslagerungs‑Betriebsvereinbarung die Mindest‑ voraussetzungen einer Grundlagenvereinbarung gemäß § 3 Abs 2 BPG erfüllt (vgl 9 ObA 115/07p zur Unschädlichkeit eines drei Monate nach dem Einzelvertrag abgeschlossenen Pensionskassenvertrags). Dass dies mit dem im Jänner 2001 vorliegenden Entwurf zu dieser Auslagerungs‑Betriebsvereinbarung – der dem Kläger auch zugänglich war – nicht der Fall gewesen wäre, behauptet er nicht. Es steht aber auch nicht fest, dass sich die Parameter jenes Entwurfs nach dem 15. 1. 2001 in wesentlichen Punkten noch geändert hätten. Unter Kausalitätsaspekten steht den Erwägungen des Klägers zudem entgegen, dass nicht feststeht, dass er die Vereinbarung bei Kenntnis der später geschlossenen Betriebsvereinbarung nicht geschlossen hätte. Im Hinblick auf den Auslagerungs‑Kollektivvertrag weist der Kläger lediglich darauf hin, dass es im Jänner 2001 nur eine unverbindliche Punktation dazu gegeben habe, ohne in der Revision darzulegen, inwiefern sich demgegenüber durch den späteren Abschluss dieses Auslagerungs-Kollektivvertrags seine Rechtsposition verändert hätte.

7. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte