OGH 9ObA86/16m

OGH9ObA86/16m26.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Wolfgang Cadilek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat des Landesklinikums S*****, vertreten durch Nusterer & Mayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Land *****, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert: 3.630 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. März 2016, GZ 7 Ra 4/16h‑22, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 29. Oktober 2015, GZ 27 Cga 11/15f‑18, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00086.16M.0726.000

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Das beklagte Land ist Rechtsträger mehrerer Landeskliniken, die alle mit einem Labor ausgestattet sind.

Der Betriebsrat des Landeskrankenhauses S***** begehrt mit seiner gegen das beklagte Land erhobenen Klage nach § 54 Abs 1 ASGG die Feststellung, dass Nachtdienste, die Mitarbeiter des Landeskrankenhauses S***** im Labor zwischen 18:30 Uhr und 7:30 Uhr leisten, als Nachtschwerarbeitsstunden im Sinne des Art V § 3 NSchG‑Novelle 1992 zu qualifizieren seien und diesen Mitarbeitern ein zweistündiges Zeitguthaben für jeden geleisteten Nachtdienst zustehe. Der Kläger gestand bereits im Berufungsverfahren zu, dass die von den Mitarbeitern im Labor des Landesklinikums S***** geleisteten Nachtarbeiten nach Art V § 3 NSchG‑Novelle 1992 sowie der Nachtschwerarbeitsverordnung 1993 nicht als Nachtschwerarbeit zu qualifizieren sind. Er stützt die Berechtigung des Feststellungsbegehrens in der Revision ausschließlich auf die Gepflogenheiten der Beklagten in anderen Landeskliniken, in denen die von den dortigen Labormitarbeitern geleisteten Nachtdienste als Nachtschwerarbeitsstunden qualifiziert und entlohnt würden. Auch die Labormitarbeiter des Landesklinikums S***** hätten daher einen entsprechenden Entlohnungsanspruch nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Beklagte rechtfertigte die Ungleichbehandlung mit dem Verschlechterungsverbot nach einem Betriebsübergang und mit einer zulässigen Stichtagsregelung ab 2010.

Das Berufungsgericht wies das Feststellungsbegehren ab. Die von der Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG betroffenen Mitarbeiter seien öffentlich Bedienstete (Vertragsbedienstete). Deren Entlohnung habe nach den jeweils geltenden zwingenden Einstufungs- und Entlohnungsvorschriften zu erfolgen. Entlohnungen, die darüber hinausgingen, könnten nur in Sonderverträgen vereinbart werden. Auch die Gewährung eines Zeitguthabens für Nachtdienste habe nach den jeweils geltenden zwingenden landes- und bundesrechtlichen Vorschriften zu erfolgen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gelte nach herrschender Rechtsprechung zwar auch für Vertragsbedienstete, finde jedoch seine Grenze in den – zwingenden Charakter aufweisenden – Einstufungs- und Entlohnungsvorschriften des Vertragsbedienstetenrechts und somit auch in den – zwingenden Charakter aufweisenden – Vorschriften des Nachtschwerarbeitsgesetzes (NSchG), der NSchG-Nov 1992 und der NÖ Nachtschwerarbeitsverordnung 1993.

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil zur gegenständlichen Rechtsfrage noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig. Selbst bei Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn ein Streitfall trotz neuer Sachverhaltselemente bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann ( Zechner in Fasching/Konecny ² IV § 502 ZPO Rz 70 mwN; RIS-Justiz RS0042656 [T48]). Dies ist hier der Fall:

Nach herrschender Rechtsprechung gilt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl RIS-Justiz RS0060204; RS0016817) grundsätzlich auch für Vertragsbedienstete. Seine Grenze findet er jedoch in den – zwingenden Charakter aufweisenden – Einstufungs- und Entlohnungsvorschriften des Vertragsbedienstetenrechts (9 ObA 89/14z; 9 ObA 101/14i ua; RIS-Justiz RS0031453 [T2]). Die Entlohnung eines Vertragsbediensteten hat nämlich grundsätzlich nach den jeweils geltenden einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen. Entlohnungen, die darüber hinaus gehen, können nur in Sonderverträgen vereinbart werden (9 ObA 89/14z mwN; 9 ObA 122/14b).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, diese Grundsätze seien auch auf die zwingenden Vorschriften des Nachtschwerarbeitsgesetzes, der NSchG-Nov 1992 und der NÖ Nachtschwerarbeitsverordnung 1993 anzuwenden, ist nicht zu beanstanden. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vermag die Revision, die die Richtigkeit dieser grundsätzlichen rechtlichen Überlegungen zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Vertragsbedienstetenrecht gar nicht in Zweifel zieht, nicht aufzuzeigen.

Die in Rede stehenden Vorschriften über die Gewährung von Zeitguthaben für geleistete Nachtschwerarbeit haben den Zweck, jenen Arbeitnehmern, die durch ihre berufliche Tätigkeit besonders belastet sind, diese Erschwernisse abzumildern und einen gewissen Ausgleich für diese Belastungen zu schaffen (vgl 8 ObA 32/09b; 9 ObA 119/15p). Würde die Beklagte verpflichtet werden, den Labormitarbeitern des Landesklinikums S***** ein zweistündiges Zeitguthaben für jeden geleisteten Nachtdienst zwischen 18:30 Uhr und 7:30 Uhr zu gewähren, obwohl sie die dafür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen unstrittig nicht erfüllen, weil sie keine Nachtschwerarbeit leisten, würde sie letztlich durch – gesetzlich nicht gedeckte – bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht (vgl 9 ObA 77/98h) die Tätigkeit dieser Mitarbeiter unter Berücksichtigung der (verringerten) Gesamtarbeitszeit höher entlohnen. Damit wäre aber die Grenze der zwingenden Entlohnungsvorschriften der öffentlich Bediensteten überschritten.

Mangels Darstellung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen.

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