OGH 6Ob112/16p

OGH6Ob112/16p20.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** AG *****, vertreten durch Maraszto Milisits Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei D***** T*****, vertreten durch Dr. Friedrich Gatscha, Rechtsanwalt in Wien, wegen 42.523,23 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. April 2016, GZ 16 R 44/16g‑20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Zu der von der Beklagten als iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblich bezeichneten Rechtsfrage, „ob in den Bereichen, wo der Geschädigte [Beklagte] kein direktes Klagerecht gegen den Haftpflichtversicherer [Klägerin] hat, in den Fällen, in denen eben dieser Haftpflichtversicherer als einziger Verhandlungspartner aufgetreten ist und sich auch auf eine Zession aller Ansprüche des Versicherungsnehmers gestützt hat, eine Aufrechnung durch den Geschädigten mit weitergehenden Ansprüchen aus dem Schadensfall gegenüber Ansprüchen des Versicherers zulässig ist“, finden sich in der außerordentlichen Revision keine weiteren inhaltlichen Ausführungen.

2. Die Klägerin hat bereits im Verfahren erster Instanz ausgeführt, aus § 1440 Abs (gemeint: Satz) 2 ABGB ergebe sich die Unzulässigkeit der Compensandoeinrede der Beklagten. Die Beklagte habe gegenüber der Klägerin entscheidungswesentliche Umstände (Verkauf der Apotheke und Beendigung ihrer Diensttätigkeit) verschwiegen und stattdessen weiterhin rechtsgrundlos die von der Klägerin geleisteten Fortführungszahlungen entgegen genommen; die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, die mit dem Verkauf der Apotheke (unbestrittenermaßen) verbundene Beendigung ihrer Diensttätigkeit der Klägerin zu melden. Mit dieser Argumentation hat das Berufungsgericht die Verwerfung der Aufrechnungseinrede der Beklagten durch das Erstgericht bestätigt und dieser listige Entziehung der Zahlungen iSd § 1440 Satz 2 ABGB vorgeworfen, was die Beklagte in ihrer außerordentlichen Revision für „überraschend“ hält.

2.1. Das Gericht darf zwar die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RIS‑Justiz RS0037300); dies gilt auch im Berufungsverfahren (RIS‑Justiz RS0037300 [T3]). Voraussetzung hiefür ist aber, dass – anders als im vorliegenden Fall – die vom Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsauffassung vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der beiden Parteien ins Treffen geführt und damit der Gegenseite keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde (RIS‑Justiz RS0037300 [T16]). Auch § 182a ZPO hat nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat; angesichts solcher Einwendungen hat vielmehr die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. § 182a ZPO bezweckt somit nicht, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RIS‑Justiz RS0120056 [T4]).

2.2. Im Revisionsverfahren bestreitet die Beklagte nun erstmals substantiiert das Vorbringen der Klägerin zu ihrem nach § 1440 Satz 2 ABGB zu beurteilenden Verhalten, womit sie jedoch gegen das Neuerungsverbot verstößt.

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