OGH 4Ob7/16g

OGH4Ob7/16g12.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers D***** M*****, vertreten durch Beneder Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die Beklagte T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexander Matt, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 78.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. November 2015, GZ 4 R 159/15d‑20, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20. August 2015, GZ 54 Cg 7/15f‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 2.310,30 EUR (darin 385,05 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, ein Verbraucher, erhielt ein an ihn persönlich adressiertes Schreiben, dessen Kuvert einen Poststempel aus Zürich trug. Darin heißt es auszugsweise:

„Im Rahmen einer von Michelle Devon durchgeführten großen Geldtransaktion erhalten Sie, Herr … [Kläger], obligatorisch die folgenden, auf Ihren Namen ausgestellten Bankschecks:

- einen 1. Scheck in Höhe von 28.000 EUR

- einen 2. Scheck, dessen Höhe Sie selbst bestimmen sollten

Bitte tragen Sie für den zweiten gewonnenen Scheck den gewünschten Betrag selbst ein. … (Der Betrag sollte zwischen 10.000 und 50.000 EUR betragen). Er ist bereits auf Ihren Namen ausgestellt und von Michelle Devon unterzeichnet.

Diese beiden Schecks gehören tatsächlich Ihnen!

Der Kläger, der schon öfter Gewinnzusendungen an seine Adresse zugesandt bekommen hatte, füllte den „2. Scheck“ mit 50.000 EUR aus. Das zurückzusendende „Annahmeformular“ füllte er nicht aus. Auf dem Schreiben sowie auf dem beigeschlossenen Rücksendekuvert war als Empfängerin desselben „ Michelle Devon, Postfach 27 …, Holland “ angeführt. Der Kläger schickte die Schecks nicht an die auf dem Rücksendekuvert angeführte Adresse und bestellte auch keine Waren. Vielmehr übergab er sämtliche erhaltenen Unterlagen an seinen Rechtsanwalt.

Das genannte Postfach in Holland war von der Beklagten, einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Schweiz, angemietet worden. Die Beklagte erbringt Logistik-Dienstleistungen für andere Unternehmen. Sie hat mit einer Schwestergesellschaft einen „Dienstleistungsvertrag“ (im Wesentlichen über Postdienstleistungen, Retourenabwicklung, Unterstützung im Marketing und Vertrieb) geschlossen. Ihre Schwestergesellschaft hat ihrerseits eine Vereinbarung mit einem dritten Unternehmen mit Sitz in Singapur abgeschlossen, worin sie sich verpflichtet, Postfächer einzurichten, diese zu leeren und den Inhalt nach Singapur weiterzuleiten.

Die Beklagte nahm auf die Gestaltung und Formulierung des Schreibens des Unternehmens aus Singapur an den Kläger mit den Gewinnzusagen keinen Einfluss. Sie gab trotz der Zustellung von insgesamt drei Klagen des Klägers die von ihr angemieteten Postfächer, darunter das Postfach 27, nicht zurück. Die Vertragsbeziehung zwischen der Schwestergesellschaft der Beklagten und dem Unternehmen aus Singapur ist aufrecht.

Der Kläger begehrt von der Beklagten – gestützt auf § 5c KSchG iVm § 18 UWG – die Zahlung von 78.000 EUR. Die Beklagte habe die Gewinnzusage im Zuge ihres Geschäftsbetriebs getätigt. Sie habe ein wirtschaftliches Interesse daran, dass über ihre Postfächer zehntausende Gewinnzusagen versendet würden. Für den Kläger sei die Beklagte der einzige konkrete Anknüpfungspunkt betreffend die Gewinnzusage, weil sie Verfügungsberechtigte des auf dem Rücksendekuvert angeführten niederländischen Postfachs sei. „Senderin“ der Gewinnzusage sei, wen ein verständiger Verbraucher aufgrund der Gestaltung der Unterlagen als Versender erachten könne. Wenn die Beklagte einen Tatbeitrag leiste, indem sie ein Postfach einrichte und trotz laufender Aufforderungsschreiben und Klagen damit fortfahre, sei es angemessen, sie entsprechend in die Haftung zu nehmen.

Die Beklagte bestritt die inländische Gerichtsbarkeit und die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts. Sie habe weder eine Gewinnzusage abgegeben, noch entsprechende Unterlagen versendet, sei ein reiner Dienstleister von Postserviceleistungen und habe das Postfach zwar angemietet, dessen Betreuung jedoch an ihr Schwesterunternehmen ausgelagert. Dieses habe dann einen Dienstleistungsvertrag mit dem Unternehmen aus Singapur, welches die gegenständlichen Sendungen gestalte, abgeschlossen.

Das Erstgericht wies die Einreden der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit zurück und die Klage ab. Bei der klagsgegenständlichen Zusendung handle es sich um eine verbotene Gewinnzusage. Die Beklagte sei aber nicht passiv legitimiert, weil sie nicht „Senderin“ der Gewinnzusage an den Kläger sei. Dem Kläger sei zwar zuzugestehen, dass die Postfachadresse den einzigen konkreten Anhaltspunkt für die hinter der offenbar fiktiven Person Michelle Devon stehende Organisation bilde. Auch sei davon auszugehen, dass der Geschäftsführer der Beklagten Kenntnis davon hatte, welche Sendungen im Postfach einlangten. Allerdings sei es der Beklagten gelungen nachzuweisen, dass ihr einziger Bezug zur Gewinnzusendung die Anmietung des Postfachs sei. Dies sei für die Annahme einer Sendereigenschaft nicht ausreichend.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es sei zwar von einem weiten Versenderbegriff in § 5c KSchG auszugehen, dennoch sei die Passivlegitimation der Beklagten zu verneinen. Auch wenn die Adressaten der Gewinnzusage zu deren Rücksendung auf das von der Beklagten angemietete Postfach verwiesen worden seien, hätten sie dem – einen Schweizer Poststempel aufweisenden – Kuvert die Information entnehmen können, dass im Fall der Unzustellbarkeit die Rücksendung an ein Postfach in Zürich erfolgen sollte, mit dem die Beklagte jedoch nichts zu tun habe. Sie sei daher für den Durchschnittsverbraucher keineswegs als Versender der Gewinnzusage erkennbar gewesen. Daran ändere das Wissen der Beklagten vom Inhalt der Postsendungen ebensowenig wie die Nichtrückgabe des angemieteten Postfachs trotz zwischenzeitig mehrerer gegen sie erhobener Klagen. Auch § 18 UWG helfe dem Kläger nicht weiter. Diese Norm bilde schon aus Kausalitätsgründen nur eine Anspruchsgrundlage für einen Vertrauensschaden.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, der Klage stattzugeben. In eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Nach Freistellung durch den Obersten Gerichtshof erstattete die Beklagte eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragt, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klärung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1.1. Gemäß § 5c KSchG haben Unternehmer, die Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erwecken, dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten; er kann auch gerichtlich eingefordert werden.

1.2. Die Bestimmung entspricht inhaltlich vollständig der früheren Bestimmung des § 5j KSchG.

1.3. In Deutschland existiert eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Bestimmung, und zwar § 661a BGB („Ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, hat dem Verbraucher diesen Preis zu leisten“), für den § 5j KSchG als Vorbild diente.

2. Hauptzweck des § 5j (nunmehr § 5c) KSchG ist es, die verbreitete aggressive Wettbewerbspraxis der Unternehmer abzustellen, vermeintliche Gewinnzusagen persönlich adressiert an Verbraucher zu verschicken, um diese zur Warenbestellung zu motivieren. Der Anspruch auf Auszahlung des Gewinns, der nicht immer einbringlich zu machen sein wird, ist also Mittel zum Zweck zur Durchsetzung von überindividuellen wirtschaftspolitischen Interessen (7 Ob 17/08p; 1 Ob 53/14x). Der Gesetzgeber hat daher mit § 5j (nunmehr § 5c) KSchG einen neuartigen Anspruch geschaffen. Er entsteht mit der Zusendung des Unternehmers, erfordert also weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Annahme durch den Verbraucher ( Apathy in Schwimann/Kodek , ABGB 4 , § 5j KSchG Rz 4 mwN) und ist somit ein spezieller, gesetzlich normierter, vertraglicher Erfüllungsanspruch sui generis (vgl Brenn , ÖJZ 2005, 698). Die bedingungslose Bindung des Erklärenden an sein Anbot, unabhängig vom Empfängerhorizont, steht im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz und dem überindividuellen, rechtspolitischen Interesse, die unlautere Geschäftspraktik der irreführenden Gewinnzusagen wirksam zu bekämpfen (vgl Klauser in Keiler/Klauser , Österreichisches und Europäisches Verbraucherrecht [1. Lfg 2015] § 5c KSchG Rz 97).

3. Der Begriff „Senden“ ist im gegebenen Zusammenhang nicht als die rein faktische bzw physische Tätigkeit des Kuvertierens, des Frankierens und der Übergabe an den Beförderer bzw die Post zu verstehen, sondern es bedarf eines gewissen (engeren) Zusammenhangs mit der aggressiven Werbepraxis. „Sender“ einer Gewinnzusage ist derjenige Unternehmer, den ein durchschnittlicher Verbraucher in der Lage des Empfängers einer Gewinnzusage als Versprechenden ansieht (vgl BGH III ZR 158/04 = NJW 2004, 3555). Es ist aber nicht jeder als „Sender“ im Sinn von § 5c KSchG anzusehen, der sich an der Übermittlung der Gewinnzusage oder dem damit regelmäßig verknüpften Versandhandelsgeschäft beteiligt, denn sonst würde auch das Postunternehmen darunter fallen.

4.1. Im vorliegenden Fall war für den Kläger ersichtlich, dass eine gewisse „Michelle Devon“ Korrespondenz- bzw Vertragspartnerin ist („ Bitte senden Sie dann alles innerhalb von 5 TAGEN an Michelle Devon, damit sie Ihre beiden Bankschecks zu den angegebenen Bedingungen erhalten können ... “). Dabei handelt es sich aber um eine Phantasiefigur. Wer hinter dieser steht, ist aus der dem Kläger zugesandten Gewinnzusage nicht ersichtlich.

4.2. Der Kläger bzw sein Rechtsfreund machte die Beklagte als Inhaberin des von „Michelle Devon“ für Rücksendungen angegebenen Postfachs ausfindig, forderte diese zur Auszahlung des Gewinns auf und klagte sie letztlich. Die Feststellungen der Vorinstanzen ergaben jedoch, dass die Beklagte bloße Logistik-Dienstleistungen erbracht und auf die Gewinnzusage des Unternehmens aus Singapur an den Kläger keinen Einfluss genommen hat. Inwieweit die Beklagte sonst in die Geschäftspraxis des Unternehmens aus Singapur eingebunden war bzw bewusst und in Gewinnerzielungsabsicht daran teilnahm, wurde nicht näher vorgebracht und auch nicht festgestellt. Bloß die Aussage in der Beweiswürdigung des erstgerichtlichen Urteils, es sei davon auszugehen, dass der Geschäftsführer der Beklagten Kenntnis davon hatte, welche Sendungen im Postfach einlangten, reicht nicht aus, um die Beklagte als „Senderin“ der Gewinnzusage zu qualifizieren.

4.3. Aufgrund der Offenlegung der Beklagten, in welchem – indirekten – vertraglichen Verhältnis sie mit dem Absender- bzw Herkunftsunternehmen der Gewinnzusage steht, liegt auch keine Verschleierung der verantwortlichen „Hintermänner“ vor. Der durchschnittliche Verbraucher als Empfänger einer Gewinnzusage wird nicht denjenigen als Versprechenden ansehen, der ihm gegenüber die Verhältnisse offen legt und den wahren Versender nennt. Ob die Sache anders zu beurteilen wäre, wenn der Unternehmer dem Verbraucher gegenüber – trotz Aufforderung – keine derartige Offenlegung vornimmt, war hier nicht zu entscheiden.

4.4. Die Rechtsauffassung des Klägers liefe darauf hinaus, dass die Beklagte als bloße Erbringerin von Logistik-Dienstleistungen für die Auszahlung des zugesagten Gewinns haftete. Dies ist – trotz des Zwecks der Bestimmung des § 5c KSchG, irreführende Gewinnzusagen wirksam zu bekämpfen und Verbraucher vor derartigen unlauteren Geschäftspraktiken wirksam zu schützen – mit dem Gesetzestext nicht in Einklang zu bringen, wonach (nur) der „Sender“ dem Verbraucher den Preis zu leisten hat. Insoweit ist auch die Auffassung von Klauser in Keiler/Klauser , Österreichisches und Europäisches Verbraucherrecht (1. Lfg 2015) § 5c KSchG Rz 48, zu weitgehend, wonach dann, wenn das primär in Erscheinung tretende Versenderunternehmen nicht ohne weiteres greifbar sei, auch bloße Hilfsdienste zur Durchführung des Gewinnspiels bzw die Beteiligung an diesem ausreichend sein könnten, die Versendereigenschaft zu begründen. Die in Rede stehende Bestimmung normiert – anders als etwa das Glücksspielgesetz (GSpG) im Fall der Beteiligung an der Veranstaltung, Organisation oder dem Angebot von Glücksspielen (vgl § 2 Abs 2 GSpG) – grundsätzlich keine Mithaftung auch für bloße Hilfsdienste.

5. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht die Passivlegitimation der Beklagten verneint.

Der Revision des Klägers ist somit nicht Folge zu geben.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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