OGH 20Os7/16d

OGH20Os7/16d28.6.2016

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 28. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Grassner und Dr. Haslinger als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwalts-kammer vom 11. April 2016, AZ D 52/14 (DV 2/16), TZ 78, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, des Kammeranwalts und des Verteidigers Mag. Leitner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Berufung wegen Schuld wird nicht, der wegen Strafe aber dahin Folge gegeben, dass die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unter gänzlicher Ausschaltung deren bedingter Nachsicht auf die Dauer eines Jahres verhängt und die Geldbuße auf 20.000 Euro erhöht wird.

Die (weitere) Anrechnung von Zeiten, in denen die Ausübung der Rechtsanwaltschaft vorläufig untersagt war, wird dem Disziplinarrat überlassen.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** wegen Verstoßes gegen § 9 RAO der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und nach § 16 Abs 1 Z 3, Abs 2, Abs 3 DSt zur Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von sechs Monaten, wobei drei Monate davon unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, zu einer Geldbuße von 12.000 Euro und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.

Danach hat er zwischen Jänner 2011 und Mai 2011 in L***** dazu beigetragen, dass sein Klient Maximilian W***** Vermögen beseitigte, um dieses dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, wofür Maximilian W***** und dessen Sohn Thomas W***** mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 25. Juni 2013, AZ 26 Hv 84/13t, wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB verurteilt wurden. Der Tatbeitrag des Disziplinarbeschuldigten bestand darin, dass er im Rahmen einer (der Gläubigerschädigung dienenden) Liegenschaftsübertragung als Rechtsvertreter und ‑berater sowie als Schriftenverfasser mitwirkte, weshalb er mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. August 2015, GZ 39 Hv 64/15z‑38, rechtskräftig mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. Februar 2016, AZ 10 Bs 8/16x, wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 12 3. Fall, 156 Abs 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt wurde.

Hingegen wurde der Disziplinarbeschuldigte von der Anschuldigung, er habe als anwaltlicher Vertreter des Maximilian W***** seinen damaligen Konzipienten Mag. Roland S***** dazu veranlasst, dass dieser in der Berufung vom 17. Februar 2012 gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom 2. Dezember 2011, AZ 3 Cg 62/11i, den beklagten Rechtsanwalt ***** wissentlich falsch und ohne Tatsachensubstrat des Verbrechens nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB durch die Behauptung bezichtigte, „Der Beklagte (*****) habe im Zusammenhang mit dem Nebenintervenienten Helmut R***** den im Zusammenhang mit Bauträgern unerfahrenen Kläger (Maximilian W*****) vorsätzlich falsch beraten, indem er ihm sagte, das Bauträgerprojekt sei mit Aufbringen eines Geldbetrages umsetzbar, und ihm verschwieg, dass dies bereits alleine aufgrund der Bestimmungen des § 7 BTVG, aber auch sonst bei einer derartigen Projektdimension von vornherein unmöglich ist, sowie dass der Beklagte dem Kläger den Nebenintervenienten als Geschäftsführer unter der (unrichtigen) Zusage, dass dieser über die notwendige Bauträgerkonzession verfüge, empfohlen hat“ und habe dadurch den durch § 9 RAO vorgegebenen Rahmen der gerechtfertigten Angriffs‑ und Verteidigungsmittel überschritten und auch gegen die Verpflichtung der sorgfältigen Ausbildung seines Rechtsanwaltsanwärters Mag. S***** gemäß § 34 RL‑BA verstoßen, freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwalts-kammer wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe mit den Anträgen, den Disziplinarbeschuldigten auch im Umfang des Freispruchs beider Disziplinarvergehen des § 1 Abs 1 DSt schuldig zu erkennen und die Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste zu verhängen.

Der Disziplinarbeschuldigte beantragte in seiner fristgerechten Gegenausführung, der Berufung nicht Folge zu geben und das erstinstanzliche Erkenntnis zu bestätigen.

Die Berufung wegen Schuld zieht aus der Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten (TZ 77 S 3), wonach es möglich sei, dass er selbst den Berufungsschriftsatz freigegeben habe, der erstinstanzlichen Beweiswürdigung entgegen gesetzte eigenständige beweiswürdigende Schlüsse. In diesem Sinne stellt die Berufung den Erwägungen des Disziplinarrats lediglich eine weitere – dem eigenen Verfahrensstandpunkt nähere – denkbare Würdigung der Verfahrensergebnisse gegenüber, ohne aufzuzeigen, dass der Disziplinarrat vom Beweiswürdigungsermessen in bedenklicher Weise Gebrauch gemacht hätte.

Dieser sah sich (ES 11) aufgrund der fehlenden Erinnerung des Disziplinarbeschuldigten sowie des Zeugen Mag. S***** und wegen des Fehlens anderer ausdrücklicher Hinweise auf die Urheberschaft des freigebenden Rechtsanwalts außer Stande, eine dem Disziplinarbeschuldigten nachteilige Feststellung darüber zu treffen. Der Disziplinarrat hat somit die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer widerspruchsfreien und nachvollziehbaren, der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest nicht widersprechenden, Würdigung unterzogen, sodass seine Entscheidung insgesamt unbedenklich ist und der Berufung wegen Schuld – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – ein Erfolg zu versagen war.

Anderes gilt für die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe.

Vorauszuschicken ist, dass die disziplinäre Beurteilung auf der Basis der strafgerichtlichen Verurteilung zu erfolgen hat (Lehner in Engelhart et al RAO9, § 23 DSt Rz 12; RIS‑Justiz RS0056864).

Danach wollte Maximilian W***** die seinem Gegner in einem Zivilverfahren zuerkannte Forderung von 20.400 Euro auf gar keinen Fall bezahlen und trachtete einen (exekutiven) Zugriff auf sein Vermögen durch Liegenschaftstransaktionen unter Vorschieben seines Sohnes hintanzuhalten. ***** bestärkte seinen Mandanten in diesem Tatentschluss und war führend an der Entwerfung der entsprechenden Verträge tätig.

Damit ging die – entgegen der Berufung sonstigen Tatbeitrag (§ 12 3. Fall StGB) und nicht Bestimmung (§ 12 2. Fall StGB) darstellende – Tätigkeit des Disziplinarbeschuldigten weit über eine lediglich geschickte Ausnützung der Rechtslage hinaus und pervertierte zur Unterstützung strafgesetzwidrigen Verhaltens zwecks Verhinderung der Durchsetzung gerichtlich geprüfter Ansprüche.

Hält man sich weitere zivilrechtliche Deckungshandlungen über Anraten des Disziplinarbeschuldigten (Abschließen eines prätorischen Vergleichs über scheinbare Verpflichtungen des Maximilian W***** im April 2011) und seine Bestrebungen als Verteidiger von Maximilian und Thomas W***** in deren Strafverfahren (Abraten von einer an sich intendierten geständigen Einlassung zwecks Verhinderung eigener Belastung) vor Augen, erweist sich die erstinstanzliche Unrechtsfolge tatsächlich als dem (den strafrechtlichen übersteigenden) disziplinären Schuldvorwurf – selbst bei Bedacht auf die vorläufige Maßnahme nach § 19 Abs 3 Z 1 lit b DSt für die Dauer von rund einem Jahr – nicht ausreichend Rechnung tragend.

Die langjährige bisherige disziplinäre Unbescholtenheit, fehlende eigene Bereicherung(stendenz) und die letztliche Befriedigung der Forderung des Gegners seines Mandanten verhindern zwar die sonst durchaus naheliegende (Kapital‑)Sanktion des § 16 Abs 1 Z 4 DSt (vgl etwa 20 Os 1/15w). Der hohe Unrechtsgehalt erzwingt aber die tatschuldangemessene Ausschöpfung jener nach Z 3 1. Fall leg cit und eine deutliche Erhöhung der Geldbuße. Das fortgesetzte Fehlverhalten verbietet aus spezialpräventiven Gründen selbst teilweise Strafnachsicht.

Die (weitere) Anrechnung nach § 19 Abs 7 zweiter Satz DSt obliegt dem Disziplinarrat.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.

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