OGH 8Ob61/16b

OGH8Ob61/16b28.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners W*****, vertreten durch Dr. Heinz Kaska, Rechtsanwalt in St. Pölten, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 4. Mai 2016, GZ 21 R 109/16p‑147, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00061.16B.0628.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO iVm § 252 IO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.  Der außerordentliche Revisionsrekurs des Schuldners richtet sich gegen den Beschluss des Rekursgerichts, mit dem der Rekurs des Schuldners als verspätet zurückgewiesen wurde. Die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht der Rechtslage.

2.  Nach ständiger Rechtsprechung zu § 257 Abs 2 IO wird die Rechtsmittelfrist bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung durch Aufnahme in die Insolvenzdatei in Lauf gesetzt, und zwar unabhängig davon, ob auch noch eine besondere Zustellung an die Beteiligten erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0065237; RS0110969).

Die für den Anlassfall maßgebende Bestimmung des § 213 Abs 6 IO sieht vor, dass der Beschluss über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und über das Ausmaß der Restschuldbefreiung öffentlich bekannt zu machen ist. Es entspricht der Rechtsprechung, dass die gemäß § 213 Abs 6 IO gebotene öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens auch dann die Rechtsmittelfrist in Gang setzt, wenn mit diesem Beschluss auch Anträge des Schuldners auf Restschuldbefreiung oder auf Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens abgewiesen werden. Dazu hat der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass die Rechtsmittelfrist gegen einen Beschluss des Insolvenzgerichts, in dem einerseits Anträge des Schuldners nach § 213 Abs 2 bis Abs 4 IO abgewiesen werden und gleichzeitig das Abschöpfungsverfahren ohne Restschuldbefreiung für beendet erklärt wird, sodass der Beschluss nach § 213 Abs 6 IO zu veröffentlichen ist, gemäß § 257 Abs 2 IO insgesamt bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung zu laufen beginnt. Diese Rechtsgrundsätze sind Ergebnis der Auslegung der in Rede stehenden gesetzlichen Bestimmungen durch den Obersten Gerichtshof insbesondere unter Bedachtnahme auf die Gesetzesmaterialien (RV 1218 BlgNR 18. GP ). Darin ist festgehalten, dass § 213 Abs 6 KO (IO) die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens regelt. Zu veröffentlichen ist auch der weitere Beschlussinhalt über das Ausmaß der Restschuldbefreiung nach Billigkeit nach Abs 2. Daraus folgt, dass es für die Verpflichtung zur öffentlichen Bekanntmachung und für die daran anknüpfende Zustellungswirkung nach § 257 Abs 2 IO auf den Ausspruch über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens ankommt (8 Ob 121/13x; 8 Ob 87/15z).

3.  Aus dem Text der Veröffentlichung in der Insolvenzdatei „Das Abschöpfungsverfahren wird beendet. Dem Schuldner wird Restschuldbefreiung nicht erteilt“ folgt zwingend, dass die Restschuldbefreiung auch nach Billigkeit nicht erteilt wird (§ 213 Abs 2 IO), weiters dass die Entscheidung über die Restschuldbefreiung nicht ausgesetzt wird (§ 213 Abs 3 IO), und dass das Abschöpfungsverfahren nicht verlängert wird (§ 213 Abs 4 IO). Darauf, ob der Schuldner von der Eintragung in die Insolvenzdatei tatsächlich Kenntnis erlangt, kommt es nach der gesetzlichen Anordnung nicht an.

4.  Der Oberste Gerichtshof hat auch schon wiederholt ausgesprochen, dass gegen die Zustellungswirkungen nach § 257 Abs 2 IO keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (8 Ob 121/13x; 8 Ob 87/15z). Mit dem Hinweis auf Art 6 MRK zeigt der Schuldner daher ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Europäische Insolvenzverordnung 1346/2000/EG bzw 848/2015/EU ist auf den Anlassfall nicht anwendbar. Der Anwendungsbereich des Unionsrechts ist nicht eröffnet. Aus diesem Grund waren die Anregungen auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens sowie eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht aufzugreifen.

5.  Insgesamt gelingt es dem Schuldner nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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