European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E115444
Spruch:
Der Revisisonsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Der Minderjährige ist Vermächtnisnehmer nach seiner verstorbenen Großmutter, deren Nachlass dem Vater des Minderjährigen (dem nunmehrigen Revisions‑rekurswerber) zur Hälfte eingeantwortet wurde. Am 1. 12. 2014 schloss der Vater des Minderjährigen zur Erfüllung der letztwilligen Verfügung mit allen Vermächtnisnehmern – ua dem Minderjährigen – eine Legatserfüllungsvereinbarung.
Gegenstand des Verfahrens ist die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Legats‑erfüllungsvereinbarung. Als Kollisionskurator ist für den Minderjährigen seit 3. 2. 2015 der Notarsubstitut Dr. T* S* bestellt.
Mit der Vereinbarung wurden an den Minderjährigen elf Inhaberaktien der R*‑AG im Nominale von je 1.000 CHF, Geschäftsanteile an der H*‑GmbH im Nominale von 12.000 CHF und fünf Aktien der S* übertragen. Entsprechend der mit dem Vermächtnis verbundenen Auflagen wurde gleichzeitig den Eltern des Minderjährigen – vorrangig dem Vater, nach dessen Ableben der Mutter – ein lebenslängliches höchstpersönliches Fruchtgenussrecht eingeräumt. Infolge dieses Fruchtgenussrechts kommen alle Erträgnisse aus den Aktien, der Unterbeteiligung an der H*‑GmbH und der S*. den Eltern des Minderjährigen zu. Darüber hinaus verpflichtete sich der Minderjährige gegenüber dem Vater (in dessen Ablebensfall gegenüber der Mutter) zur Vollmachtserteilung für die Wahrnehmung aller Rechte aus den übertragenen Aktien und Geschäftsanteilen, insbesondere der Stimmrechte in Hauptversammlungen und Generalversammlungen der Gesellschaften. Eine Haftung für die übertragenen Aktien bzw Geschäftsanteile wurde vom Vater des Minderjährigen nicht übernommen. Weiters trat der Minderjährige in eine Nutznießungsvereinbarung vom 27. 11. 2009 ein, nach der im Falle der Liquidation der R*-AG ein Betrag zu vergüten ist, der dem wirklichen Wert der Stammanteile der H*‑GmbH entspricht. Nach den Statuten dieser Gesellschaft können die Gesellschafter über den Betrag der Stammeinlage hinaus zu weiteren Zahlungen als Nebenleistungen verpflichtet werden, wobei diese Verpflichtung auf insgesamt 6 Mio CHF beschränkt ist.
Im ersten Rechtsgang versagte das Erstgericht mit Beschluss vom 29. 5. 2015 die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung im Wesentlichen mit der Begründung, dass durch die erblasserischen Auflagen de facto sämtliche mit den Aktien und Geschäftsanteilen verbundenen Erträge den Eltern des Minderjährigen zufließen. Dem Minderjährigen selbst komme lediglich die Stellung eines um sämtliche mit den übernommenen Aktien und Geschäftsanteilen verbundenen Rechte entkleideten Eigentümers zu, den aber dennoch die damit verbundenen Pflichten voll treffen würden, wie zum Beispiel die Zahlungsverpflichtung im Fall der Liquidation der R*-AG oder auch Nachschusspflichten gemäß den Statuten der H*-GmbH.
Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung vom Minderjährigen erhobenen Rekurs Folge und verwies die Pflegschaftssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Rekursgericht vertrat die Rechtsansicht, anhand der im Vordergrund stehenden Interessen des Pflegebefohlenen sei zu prüfen, ob der Erwerb der Aktien und Geschäftsanteile im Endergebnis für ihn vorteilhaft sei. Die Genehmigung sei nur dann zu versagen, wenn die konkrete Gefahr bestehe, dass der Minderjährige infolge des Erwerbs der Vermögenswerte mit Schulden in die Volljährigkeit entlassen werde. Es sei daher eine notwendigerweise mit gewissen Ermessens‑ und Beurteilungsspielräumen durchsetzte Prognose zu erstellen, in deren Rahmen die mit dem Erwerb verbundenen Risken zu bewerten seien. Die dazu notwendige Aufklärung des Sachverhalts sei bisher aber noch nicht ausreichend erfolgt, sodass zur Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage ergänzende – im Einzelnen angeführte – Erhebungen erforderlich seien.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss trug das Erstgericht in Entsprechung der ihm vom Rekursgericht erteilten Aufträge dem Kollisionskurator geeignete Erhebungen zur Darlegung des Wertes des übertragenen Vermögens und zur Darlegung der künftigen Gewinn‑ und Verlustrisiken der R*-AG, der H*-GmbH und der S*. auf. Weiters solle der Kollisionskurator Erhebungen zur Darlegung und Bewertung der Risken aus der Vereinbarung über die Unterbeteiligung/Nutznießung sowie über die Nachschusspflicht und die mit dem Erwerb der Vermögenswerte verbundenen steuer‑ und abgabenrechtlichen Lasten pflegen. Weiters beauftragte das Erstgericht den Kollisionskurator mit geeigneten Erhebungen zur Abklärung einer möglichen Haftungsübernahme durch die Fruchtgenussberechtigten (die Eltern des Minderjährigen). Die Entscheidung über die Beiziehung eines Sachverständigen bleibe bis zum Vorliegen des binnen acht Wochen aufgetragenen Berichts vorbehalten.
Das Rekursgericht wies den dagegen vom Vater erhobenen Rekurs zurück, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es vertrat die Rechtsansicht, der angefochtene Beschluss stelle einen verfahrensleitenden Beschluss dar, der nicht selbständig, sondern nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar sei. Im Übrigen sei der Vater zur Erhebung eines Rechtsmittels nicht legitimiert, weil im gerichtlichen Genehmigungsverfahren nur dem betroffenen Pflegebefohlenen Parteistellung zukomme. Bei Bestellung eines Kollisionskurators zur Erledigung eines bestimmten Geschäfts scheide diese Angelegenheit aus dem Aufgabenkreis des gesetzlichen Vertreters aus, sodass dieser – solange der Kollisionskurator im Amt sei – nicht legitimiert sei, für den Minderjährigen in dieser Angelegenheit einzuschreiten und ihn zu vertreten.
Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Entgegen § 89c Abs 5 Z 2 GOG idF BGBl I 2012/26 wurde der Revisionsrekurs nicht im Elektronischen Rechtsverkehr eingebracht. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist als zu verbessernder Formmangel zu behandeln. Seit der Änderung der zitierten Bestimmung durch das BGBl I 2012/26 ist ein Verbesserungsauftrag grundsätzlich zwingend zu erteilen (RIS‑Justiz RS0128266). Dennoch war im vorliegenden Fall von einer Verbesserung Abstand zu nehmen, weil der Revisionsrekurs mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig ist (7 Ob 211/13z, 6 Ob 18/16i; RIS‑Justiz RS0128266 [T1, T12]).
2. Die Ansicht des Rekursgerichts, der vom Erstgericht erteilte Auftrag stelle einen nicht selbständig anfechtbaren verfahrensleitenden Beschluss iSd § 45 AußStrG dar, ist keinesfalls unvertretbar. Der Auftrag an den Kollisionskurator, Erhebungen über die mit dem Vermögenserwerb verbundenen Risken zu pflegen, dient lediglich der Stoffsammlung zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen und hat kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben; er erwächst nicht in materieller Rechtskraft. Das Gericht könnte den Auftrag jederzeit abändern und einer geänderten Situation anpassen (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013] § 45 Rz 6). Inwiefern die – nach dem Vorbringen im Revisionsrekurs – „exzessiv vertiefte Prüfung völlig unwahrscheinlicher Risken“ dem Beschluss (doch) eine abschließende Wirkung im Sinne einer Vorentscheidung verleihen soll, bleibt schon im Hinblick darauf nicht nachvollziehbar, dass jedenfalls noch eine Entscheidung in der Hauptsache über die Erteilung (oder Versagung) der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung ergehen muss.
Da es dem Revisionsrekurswerber nicht gelingt, eine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen, war das Rechtsmittel zurückzuweisen,
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