OGH 9Ob4/16b

OGH9Ob4/16b24.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr in der Rechtssache der klagenden Partei N***** GmbH *****, vertreten durch F│A│M Frimmel Anetter Maiditsch und Partner Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei m***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Felsberger und Dr. Sabine Gauper‑Müller, Rechtsanwälte in Klagenfurt, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei K***** A*****, vertreten durch Dr. Kleinszig/Dr. Puswald Partnerschaft OG in St. Veit/Glan, wegen 287.366,30 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 13. November 2015, GZ 2 R 74/15t‑80, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin, die offene Werklohnforderungen und Schadenersatzansprüche aus verschiedenen Bauprojekten seit 1998 einklagt, sieht eine Nichtigkeit des Verfahrens iSd (wohl:) § 477 Abs 1 Z 2 ZPO darin, dass der Gerichtsakt, nachdem der ursprünglich zuständige Erstrichter in den Ruhestand getreten war, dem Richter einer arbeits‑ und sozialgerichtlichen Abteilung zur weiteren Verfahrensführung zugeteilt worden sei.

Ein Anspruch auf einen bestimmten Tätigkeitsschwerpunkt eines Richters ist aus dem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B‑VG) nicht ableitbar. Die Einhaltung der – die verfassungsrechtliche Vorgabe des Art 83 Abs 2 B‑VG spezifizierenden – Bestimmung des § 27a Abs 1 GOG, dass während des Geschäftsverteilungsjahres die Geschäftsverteilung nur aus wichtigen dienstlichen Gründen geändert werden darf, wird mit dem Revisionsvorbringen nicht in Frage gestellt. Damit ist auch kein Verstoß gegen die Prinzipien des „Fair Trial“ erkennbar. Im Übrigen kann eine angebliche

Nichtigkeit des Ersturteils, die in der Berufung nicht gerügt wurde, mit der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042925 [T3] ua).

2. Eine weitere Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO sieht die Klägerin darin, dass die Urteile der Vorinstanzen derart mangelhaft seien, dass sie keine detaillierte Überprüfung ermöglichten. Auch die Verneinung einer Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens durch das Berufungsgericht ist vor dem Obersten Gerichtshof nicht anfechtbar (RIS‑Justiz RS0043405). Dass sich das Berufungsgericht nicht mit jedem einzelnen Argument der Klägerin auseinandergesetzt haben mag, macht das Berufungsurteil nicht unüberprüfbar iSd § 477 Abs 1 Z 9 ZPO. Eine mangelhafte Begründung reicht für die Annahme einer Nichtigkeit im Sinn dieser Bestimmung nicht aus (RIS‑Justiz RS0042133).

3. Auch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst, ist sein Verfahren mangelhaft (RIS‑Justiz RS0043371). Das ist hier nicht der Fall. Der Versuch, die vom Berufungsgericht übernommenen Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichts als unrichtig darzustellen, stellt sich als eine im Revisionsverfahren unzulässige Anfechtung der

Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar (RIS‑Justiz RS0043371 [T24]). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RIS‑Justiz RS0043371 [T28]). Die Beweisausführungen der Klägerin zur Beachtlichkeit und Würdigung verschiedener Urkunden und Zeugenaussagen zielen im Ergebnis auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung ab, die aber keine revisible Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet.

4. Auch hinsichtlich der Deutung der „jahrelang geführten Vergleichsgespräche“ ist dem Berufungsgericht keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen. Nur ernsthafte Vergleichsverhandlungen stehen als Ablaufhemmung einer Rechtsverjährung entgegen, wenn das behauptete Recht nach deren Scheitern innerhalb angemessener Frist klageweise geltend gemacht wird (hL und stRspr, s Mader/Janisch in Schwimann/Kodek ABGB VI3 Vor §§ 1494–1496 Rz 3 mwN). In der Rechtsprechung wurde dafür etwa eine Klagseinbringung nach vier (2 Ob 88/04m) oder fünfeinhalb Monaten (1 Ob 373/98d) als verspätet angesehen. Selbst bei Annahme ernsthafter Vergleichsgespräche wäre aus der mehrfach zitierten Beilage ./6 (Aktenvermerk vom 5. 2. 2007; zum bezughabenden Besprechungstermin s auch Beil ./Z: „zum allerletzten mal“ [sic]) angesichts der Klagseinbringung am 20. 11. 2008 für die Klägerin daher nichts zu gewinnen. Nach den – den Obersten Gerichtshof bindenden – erstgerichtlichen Feststellungen wurden die Forderungen der Klägerin von der Beklagten aber ohnehin dem Grunde wie der Höhe nach stets abgelehnt (Ersturteil S 89).

5. Richtig weist die Klägerin in der Zulassungsbeschwerde aber darauf hin, dass die Schlussrechnungen Nr 05101, Nr 05098 und Nr 06004 jedenfalls innerhalb der für Werklohnforderungen maßgeblichen dreijährigen Verjährungsfrist (§ 1486 Z 1 ABGB) geltend gemacht wurden, sodass sich die Verfristung dieser Schlussrechnungen daher nach der Vorbehaltsregelung der ÖNORM B 2110 richtet. Bezüglich der Schlussrechnung Nr 06013 ist die Revision der Klägerin streitwertbedingt [2.246,40 EUR] iSd § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

6. Die Funktion dieser – aktuell in P 8.4.2, in früheren Fassungen in P 5.30.2 bzw P 2.29.2 enthaltenen – Vorbehaltsregelung der ÖNORM B 2110 („Die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss‑ oder Teilschlussrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen.“) besteht darin, dass strittige Forderungen bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Zeit geklärt werden und der Auftraggeber innerhalb eines überschaubaren Zeitraums das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen und erfahren kann (s RIS‑Justiz RS0122419). Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass bei der Verpflichtung, den Vorbehalt zu begründen, keine unnötigen, vom Normzweck nicht verlangte Hürden aufgebaut und die Anforderungen an den Werkunternehmer nicht überspannt werden dürfen (9 Ob 111/06y), muss der Vorbehalt die vorbehaltenen Ansprüche in erkennbarer Weise individualisieren und – wenigstens schlagwortartig – den Standpunkt des Werkunternehmers erkennen lassen (RIS‑Justiz RS0070863 [T14] = 9 Ob 81/14y). Die Erklärung einer Auftragnehmerin, „dass sie die Abstriche beeinspruche und die Korrekturen falsch seien,“ wurde dafür nicht als ausreichend angesehen (8 Ob 109/04v).

7. Hier hat die Klägerin mit Schreiben vom 12. 5. 2006, bezogen auf die Schlussrechnungen Nr 05098, 05100, 05101 und 06013, erklärt, „die von Ihnen vorgenommenen Rechnungskorrekturen, Nichtanerkenntnisse, Streichungen und Skontoabzüge werden von uns keinesfalls akzeptiert. … Ihre Argumentationen in Ihrem Schreiben vom 7. 4. 2006 werden von uns entschieden zurückgewiesen und kategorisch abgelehnt, da diese jeglicher Grundlagen entbehren“, wofür sie auf „sämtliche unserer bisherigen Schreiben“ verwies (mehrfach festgestellt, zB Ersturteil S 53). Wenn die Vorinstanzen den Annahmevorbehalt hier nicht ausreichend begründet erachteten, ist darin noch keine krasse Fehlbeurteilung zu sehen, zumal die pauschale Erwähnung von Rechnungskorrekturen, Nichtanerkenntnissen, Streichungen und Skontoabzügen keine Zuordnung zu den einzelnen Rechnungen erlaubt und diese auch nur teilweise mit den schon im Schreiben vom 7. 3. 2006 erwähnten Rechnungen (Ersturteil S 47) übereinstimmen. Nach der Rechtsprechung (9 Ob 81/14y mit Verweis auf 1 Ob 67/08x) stellt ein Schreiben, das schon vor Annahme der von der Schlussrechnung abweichenden Schlusszahlung verfasst wurde (hier daher das Schreiben vom 7. 3. 2006), als solches überdies keinen ausreichenden Vorbehalt iSd ÖNORM B 2110 dar.

Für die Klägerin wäre aber auch nur dann etwas gewonnen, wenn sie die Unrechtmäßigkeit der Kürzungen und Streichungen nachgewiesen hätte.

Hinsichtlich der Rechnung Nr 05098, bei der die Beklagte ein Skonto von 3 % in Abzug brachte (Ersturteil S 62), geht aus dem Gegenschlussbrief vom 8. 11. 2004 zwar eine von der Klägerin geäußerte „Bitte der Erleichterung der Zahlungsbedingungen (geringere Skontohöhe)“ hervor (s Ersturteil S 59). Es steht aber auch fest, dass es keine schriftliche Vereinbarung darüber gab, dass ein geringeres Skonto als laut Ausschreibung in Abzug gebracht wird. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die Parteien in Abänderung des Schlussbriefes und der vereinbarten Vertragsnormen einvernehmlich und schriftlich eine Änderung der Skontovereinbarung getroffen haben (Ersturteil S 54).

Das Vorbringen zur Schlussrechnung Nr 06004 übergeht die erstgerichtlichen Feststellungen, dass die Beklagte ein Abgehen von dem von der Klägerin gewährten Sondernachlass von 3 % nicht akzeptierte und keine Vereinbarung über eine entsprechende Zurückzahlung getroffen wurde (Ersturteil S 77, S 79).

Für die mit der Rechnung Nr 05101 von der Klägerin verrechneten Lohn‑ und Materialpreiserhöhungen leistete die Beklagte infolge der Stellungnahme des Sachverständigen erstmals am 11. 1. 2007 Zahlung (nur) für den außerhalb des Festpreiszeitraums liegenden Ausführungszeitraum (Ersturteil S 56 und 70), ohne dass die Klägerin danach einen Vorbehalt äußerte.

Insgesamt haben die Vorinstanzen die die Rechnungen Nr 05098, Nr 05101 und Nr 06004 betreffenden Ansprüche daher in vertretbarer Weise verneint.

8. Die Klägerin sieht „Rechtsfragen im Zusammenhang mit den §§ 869, 870, 871/877, 878 sowie 879 ABGB“ darin, dass sich die Vorinstanzen mit der Frage von Rückforderungsansprüchen bei Sittenwidrigkeit von Verträgen nicht auseinandergesetzt hätten und ihr zumindest ein Wertersatz nach Maßgabe des Nutzens im Zeitpunkt der Leistung zuzusprechen gewesen wäre, wofür auch jedwede Feststellungen fehlten. Die Klägerin lässt allerdings offen, welche der Vereinbarungen sie – entgegen ihrem auf Vertragserfüllung und auf Schadenersatz aus nicht erteiltem Planungsauftrag gerichteten Begehren – aus welchem Grund als nichtig erachtet, welche konkreten Ansprüche sie daraus ableiten will und welche Feststellungen dazu zu treffen gewesen wären. Dazu kann daher nicht näher Stellung genommen werden.

9. Die Klägerin meint, aufgrund der Rechtsprechung der zum Kontrahierungszwang entwickelten Grundsätze wäre abzuleiten gewesen, dass die Beklagte aufgrund ihrer faktischen und wirtschaftlichen Übermacht die Klägerin in unsachlicher Weise zum Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarungen gezwungen habe. Selbst wenn man der Beklagten die Eigenschaft einer Monopolistin zuschreiben wollte, ist nicht erkennbar, wie weit dieses Vorbringen die Berechtigung der Klagsansprüche stützen könnte.

10. Ein Anspruch auf ein angemessenes Entgelt iSd § 1152 ABGB und/oder eine Leistungskondiktion gemäß § 1431 oder § 1435 ABGB kommt nicht in Frage, wenn für tatsächlich erbrachte Leistungen – wie hier – konkrete Vereinbarungen, insbesondere auch zum Werklohn, getroffen wurden.

11. Dem Vorbringen zu einem „geradezu arglistigen Verhalten“ der Beklagten bezüglich „jahrelanger Vergleichsgespräche“ steht die unter Pkt 4. genannte erstgerichtliche Feststellung (Forderungen wurden von der Beklagten dem Grunde und der Höhe nach stets abgelehnt) entgegen.

12. Warum aus der vom Berufungsgericht angenommenen Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung, einen Nachlass auf den Preis der Bestbieterin unter der Voraussetzung zu gewähren, dass dieser Nachlass in einem anderen Bauprojekt entsprechend berücksichtigt bzw abgegolten werde (Berufungsurteil S 16 f), eine Sittenwidrigkeit der erteilten Aufträge gemäß den Schlussbriefen abzuleiten wäre, ist nicht erkennbar. Auch das Vorbringen zum Thema „alleinige Zeichnungsberechtigung“ stützt die Klagsansprüche nicht.

13. Das Vorbringen, es fehle an einer rechtlichen Beurteilung, warum der Schadenersatzanspruch von 25.000 EUR für den Planungsauftrag (1996/2002) nicht bestehen solle, übergeht – ungeachtet der Frage der Verjährung – die erstgerichtliche Feststellung, dass der Klägerin der Planungsauftrag für den Fall der bewilligten Wohnbauförderung nur in Aussicht gestellt worden war und eine zusätzliche Vergütung der Planungskosten nicht vereinbart war (Ersturteil S 80 f).

14.  Insgesamt ist die außerordentliche Revision der Klägerin mangels einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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