OGH 12Os3/16g

OGH12Os3/16g12.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Mai 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fritsche als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michaela P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Münür Po***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 7. Oktober 2015, GZ 39 Hv 79/15m‑128, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00003.16G.0512.000

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch A./III./1./ umfassten Taten auch unter § 28a Abs 4 Z 3 SMG und der hiezu gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch in dem den Angeklagten Münür Po***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, insoweit eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten Münür Po***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, hinsichtlich der Erstangeklagten Michaela P***** und des Zweitangeklagten Hasan S***** in Rechtskraft erwachsenen Urteil wurde der Drittangeklagte Münür Po***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 3 SMG (A./III./1./) sowie nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (A./III./2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** und anderen Orten

A./ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Pico, beinhaltend zumindest 70 % Metamphetamin bezüglich Schmuggelware und 32,1 % Metamphetamin bezüglich Verkaufsware,

III./1./ in der Zeit von Jänner 2015 bis Ende April 2015 in einer insgesamt das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge aus der Slowakei aus‑ und nach Österreich eingeführt, nämlich insgesamt zumindest 640 „Kubik“ à 0,7 Gramm, somit zumindest 313,6 Gramm reines Metamphetamin;

2./ in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich zumindest 680 (richtig: 580) „Kubik“ à 0,7 Gramm, also zumindest 130,33 Gramm reines Metamphetamin, anderen überlassen,

a./ in der Zeit von Ende 2014 bis Anfang 2015 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Michaela P***** dem Hasan S***** insgesamt 15 „Kubik“ à 0,7 Gramm, somit zumindest (richtig:) 3,37 Gramm reines Metamphetamin;

b./ in der Zeit von Februar 2014 bis März 2015 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Michaela P***** in wiederholten Angriffen dem Mihael V***** zumindest 36 „Kubik“ à 0,7 Gramm, also zumindest 8,09 Gramm reines Metamphetamin;

c./ in der Zeit von Anfang April 2014 bis Mitte Mai 2015 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Michaela P***** dem Erkan A***** insgesamt 12 „Kubik“ à 0,7 Gramm, somit zumindest 2,7 Gramm reines Metamphetamin;

d./ im Dezember 2014 dem Thomas D***** insgesamt 5 „Kubik“ à 0,7 Gramm, also zumindest (richtig:) 1,12 Gramm reines Metamphetamin;

e./ in der Zeit von Jänner 2015 bis Ende April 2015 dem Christian B***** insgesamt 15 „Kubik“ à 0,7 Gramm, somit zumindest 3,37 Gramm reines Metamphetamin;

f./ in der Zeit von Jänner 2015 bis Ende April 2015 an nicht mehr feststellbare Personen insgesamt 497 „Kubik“ à 0,7 Gramm, also zumindest 111,68 Gramm reines Metamphetamin,

wobei er die Taten gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Angeklagten Münür Po***** gegen dieses Urteil erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.

Nach den auf den Spruch (US 5) Bezug nehmenden Feststellungen zu A./III./1./ hat der Beschwerdeführer insgesamt 640 „Kubik“ Pico à 0,7 Gramm, zumindest also 313,6 Gramm reines Metamphetamin aus‑ und eingeführt, indem er ab Mitte Jänner 2015 zwei bis drei Mal in die Slowakei fuhr und dort jeweils zumindest zehn Gramm Pico einkaufte und nach Österreich brachte (US 18). Diese Konstatierungen gründeten die Tatrichter auf die als glaubwürdig eingestuften Angaben des Zweitangeklagten (US 30), der in der Hauptverhandlung (zusammengefasst) aussagte, Münür Po***** sei zwei bis drei Mal in der Woche in der Slowakei gewesen und habe immer 10 bis 15 „Kubik“ Pico nach Österreich eingeführt (ON 108 S 12 und 14).

Nominell als Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall), der Sache nach im Ergebnis zutreffend als Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) rügt die Beschwerde, dass sich das Erstgericht nicht inhaltlich mit dieser Aussage des Hasan S***** auseinandersetzte, obwohl angesichts des Umrechnungsschlüssels (ein „Kubik“ Pico entspricht bloß einer Menge von 0,7 Gramm; vgl US 14), bereits bei Zugrundelegung von Mittelwerten (durchschnittlich 2,5 Fahrten pro Woche während eines Zeitraums von 16 Wochen bei Mitnahme von jeweils 12,5 „Kubik“ entsprechen einer Gesamtreinsubstanz von bloß 245 Gramm) das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (bei Metamphetamin zehn Gramm) nicht überschritten wird.

Demnach ist die Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch A./III./1./ umfassten Taten auch unter § 28a Abs 4 Z 3 SMG und insoweit die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung geboten, womit das weitere gegen die Annahme dieser Qualifikation gerichtete Vorbringen keiner Erörterung mehr bedarf.

Im Übrigen kommt der Beschwerde jedoch keine Berechtigung zu.

Der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen (US 18 f) zum Additionsvorsatz räumt selbst ein, dass die Tatrichter die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite insbesondere aus dem äußeren Geschehensablauf sowie der Vielzahl der Schmuggelfahrten und der Verkaufsangriffe ableiteten (US 31 dritter Absatz). Diese Erwägungen stehen aber ‑ der Rüge zuwider ‑ im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen und sind demgemäß nicht zu beanstanden, wobei sich das Erstgericht sehr wohl auch ausführlich mit der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers auseinandersetzte (US 23 f, 28 ff).

Das Vorbringen zu A./III./2./, es liege ein Additionsfehler bei der Kubikanzahl vor, ist zwar berechtigt, erweist sich aber schon deshalb als nicht zielführend, weil die überlassene Reinsubstanz rechnerisch richtig angeführt wird (US 6 f iVm US 19) und die Rüge ein Unterschreiten der Grenzmenge (§ 28b SMG), die nach den Feststellungen zu dieser Faktengruppe um mehr als das Dreizehnfache überschritten wurde (US 19), gar nicht behauptet.

Ihre Überzeugung, der Drittangeklagte habe in der Slowakei günstiger als in Österreich Pico erworben und dann für den Weiterverkauf in Österreich gestreckt, gründeten die Tatrichter auf die Sicherstellung sowohl hochwertigen als auch gestreckten Suchtgifts bei dessen Festnahme, auf die Angaben der Suchtgiftabnehmer, des Zweitangeklagten und des Zeugen Ercan A***** sowie auf die Lebenserfahrung (US 29 f). Diese Schlussfolgerung ist ‑ der Rüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ‑ unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

§ 281 Abs 1 Z 5a StPO will als

Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Sachverhalte, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte

Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der Beweiswerterwägungen des Erstgerichts) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene

Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Indem die Rüge unter selektiver Hervorhebung jener Passage aus der Urteilsbegründung, derzufolge der Beschwerdeführer ua vom Zweitangeklagten (ON 108 S 8, 10) und vom Zeugen Ercan A***** (ON 108 S 29) belastet wurde (US 29), einwendet, die beiden Genannten seien hinsichtlich der Suchtgiftbeschaffung durch den Drittangeklagten aus der Slowakei bloß „Zeugen von Hörensagen“ gewesen, gelingt es ihr nicht, beim Obersten Gerichtshof qualifizierte Bedenken im oben aufgezeigten Sinn zu erwecken.

Mit der weiteren Behauptung, die Erwägungen des Schöffengerichts seien nicht überzeugend bzw lebensfremd, kritisiert die Beschwerde die tatrichterliche Beweiswürdigung bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Dass der zumindest bedingte Vorsatz des Angeklagten Münür Po***** in Bezug auf seine Delinquenz nach § 28a SMG auch die Vorschriftswidrigkeit seines Handelns umfasste, haben die Tatrichter zwar nicht ausdrücklich konstatiert, der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider aber schon dadurch unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19), dass er um die Durchführung von ‑ einer Rechtskonformität per se entgegenstehenden - Schmuggelfahrten wusste und das Suchtgift schließlich in Kenntnis dieser unredlichen Herkunft veräußerte (US 18 f).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Da die Grenzmenge bereits durch das Überlassen von Metamphetamin an bekannte Personen (A./III./2./a./ bis e./) überschritten wurde, kann der Schuldspruch A./III./2./ ungeachtet der Ergebnisse des zweiten Rechtsgangs zu A./III./1./ bestehen bleiben.

Angesichts der Kassation des Strafausspruchs kann das Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11) auf sich beruhen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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