OGH 8ObA76/15g

OGH8ObA76/15g27.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Dr. Weixelbraun-Mohr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Wolfgang Cadilek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei O*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 15.265,89 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 21. August 2015, GZ 10 Ra 121/14h‑54, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00076.15G.0427.000

 

Spruch:

1. Der Antrag der beklagten Partei auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 B‑VG vor dem Verfassungsgerichtshof betreffend § 480 Abs 1 ZPO wird zurückgewiesen.

2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof zu beantragen, weshalb der entsprechende Antrag der Beklagten zurückzuweisen ist (RIS‑Justiz RS0058452 [T3, T5, T14, T21]). Das Gericht hat von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Anrufung des Verfassungs-gerichtshofs vorliegen. Die Revisionsausführungen zeigen jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 480 ZPO auf.

Die Regelung des § 480 Abs 1 ZPO ‑ danach entscheidet das Berufungsgericht im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens, ob eine mündliche Verhandlung (etwa aufgrund der Komplexität der zu entscheidenden Rechtssache) notwendig ist (RIS‑Justiz RS0126298, RS0127242) ‑ verstößt nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht gegen Art 6 EMRK (RIS-Justiz RS0126298). Auch von einer „ verfassungsrechtlich unzulässig unklaren “ Bestimmung kann keine Rede sein; einer Behörde einen ‑ hinlänglich determinierten ‑ Ermessensspielraum ein-zuräumen, ist dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht verwehrt (VfSlg 1145; VfSlg 8792). Die Beklagte nennt im Übrigen in ihrer Revision keinen Grund dafür, weshalb im vorliegenden Fall eine mündliche Berufungsverhandlung erforderlich gewesen sein sollte.

Inwiefern die „ Doppelfunktion “ der Klagevertreterin, die ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs ist, hier ‑ wie die Beklagte meint ‑ ein faires Verfahren unmöglich machen sollte, ist schlicht unverständlich. Ebenso wenig ist einsichtig, was dies mit der behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 480 ZPO zu tun haben soll.

2. Die Klägerin, die ‑ der Höhe nach unstrittige ‑ Entgeltansprüche gegen die Beklagte erhebt, hat sich vor Ablauf ihrer zweijährigen Karenz während des aufrechten Dienstverhältnisses bei der Beklagten zweimal schriftlich arbeitsbereit gemeldet und um Bekanntgabe ersucht, wann und wo sie ihren Dienst (wieder) anzutreten habe. Die Beklagte hatte die Klägerin bereits rund fünf Monate vor der Geburt des Kindes entlassen; diese Entlassung hat die Klägerin letztlich erfolgreich bekämpft. Als die Klägerin, die schon vorher vergeblich um Bekanntgabe ersucht hatte, wann und wo sie ihren Dienst antreten könne, am Tag nach ihrem Karenzurlaub versuchte, ihren Dienst anzutreten, traf sie niemanden an und ließ durch ein weiteres Schreiben ihrer Rechtsanwältin der Beklagten mitteilen, dass sie arbeitsbereit sei.

Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die Beklagte hinreichend ihre Leistungsbereitschaft erklärt hat, jedoch vom Arbeitgeber an der Leistung ihrer Dienste gehindert wurde, ist unter den hier gegebenen Umständen jedenfalls vertretbar; eine erhebliche Rechtsfrage vermag die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang nicht aufzuzeigen. Der Einwand, die Klägerin habe ihre Ansprüche verloren, weil sie sich bei der Bekräftigung ihrer Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme eines Rechtsanwalts bedient hat, entbehrt jeglicher Grundlage.

Die Ausführungen der Revisionswerberin, wonach die letztlich erklärte Entlassung der Klägerin nur als Festhalten eines unberechtigten Austritts und nicht als „ dessen konkludente Sanierung “ zu verstehen sei, ist schon an sich nicht nachvollziehbar und vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhalts absolut unverständlich.

3. Die Revision der Beklagten war daher mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

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