OGH 6Ob62/16k

OGH6Ob62/16k26.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen R***** D*****, geboren am 2. November 2005, vertreten durch die Mutter D***** D***** V*****, beide *****, Brasilien, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen, vertreten durch Dr. Michael Polst, Rechtsanwalt in Salzburg, als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 20. Jänner 2016, GZ 21 R 293/15g‑54, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 29. Juli 2015, GZ 41 Pu 7/13v‑50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00062.16K.0426.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) ‑ Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine Antragstellung nach dem „New Yorker-Unterhaltsübereinkommen“ vor Einleitung eines Abstammungsverfahrens Unterbrechungswirkung nach § 1497 ABGB hat.

Die Vorinstanzen wiesen den Unterhaltsantrag des Minderjährigen für den Zeitraum 2. 11. 2005 bis April 2010 ab. Im Revisionsrekursverfahren strebt der Minderjährige eine Unterhaltsverpflichtung seines Vaters E***** G***** weiterhin für den Zeitraum September 2007 bis April 2010 an.

1. Am 30. 8. 2010 langte beim Erstgericht im Wege der Zentralstellen nach dem Übereinkommen vom 20. 6. 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (BGBl 1969/316) ein Antrag des in Brasilien lebenden Minderjährigen, vertreten durch seine Mutter, auf Festsetzung von Kindesunterhalt in Höhe von 81.000 EUR für den Zeitraum November 2005 bis Juni 2010 und von monatlich 1.500 EUR ab Juli 2010 ein; der in Österreich lebende E***** G***** sei sein Vater.

Schon allein im Hinblick auf die Aufhebung des Bundesgesetzes zur Durchführung des genannten Übereinkommens (BGBl 1969/317) mit 31. 7. 2014 durch § 19 Abs 3 AuslandsunterhaltsG 2014 und unter Berücksichtigung des Umstands, dass dem vorliegenden vergleichbare Fälle in Hinkunft wohl nicht mehr zu beurteilen sein werden, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig. Darüber hinaus entspricht das von den Vorinstanzen erzielte Ergebnis ohnehin der (früheren) Rechtslage:

2. Zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung im August 2010 stand eine Vaterschaft E***** G*****s noch nicht fest, weshalb die österreichische der brasilianischen Zentralstelle am 18. 11. 2010 mitteilte, es sei aus rechtlichen Gründen in Österreich nicht möglich, einen Anspruch nach dem genannten Übereinkommen zu stellen, „solange die Vaterschaft weder anerkannt noch gerichtlich festgestellt wurde“. Bereits zuvor hatte die für den Minderjährigen gemäß § 6 Abs 3 Satz 1 BGBl 1969/317 bestellte Vertreterin anlässlich des nach Satz 2 durchgeführten Vergleichstermins am 20. 10. 2010 „nach Rücksprache im Ministerium“ (gemeint: Bundesministerium für Justiz) „[klargestellt], dass derzeit noch gar kein Unterhalt beantragt wurde, sondern lediglich die Ladung [E***** G*****s] zum Vergleichsversuch“.

Nach § 101 Abs 3 Satz 2 AußStrG, der als verfahrensrechtliche Norm auch auf Auslandsunterhaltsfälle anzuwenden ist, darf über einen Unterhaltsantrag nicht vor rechtskräftiger Beendigung des Abstammungsverfahrens entschieden werden, weil Unterhalt nur von einem Mann verlangt werden kann, dessen Vaterschaft feststeht (10 Ob 86/10k; ebenso Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 101 Rz 16; Deixler-Hübner in Rechberger, AußStrG² [2013] § 101 Rz 7; Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013] § 101 Rz 47). Die an sich für den Fall eines gegen einen Nichtvater gestellten Unterhaltsantrags vorgesehene Zurückweisung dieses Antrags, sofern nicht die Voraussetzungen des § 101 Abs 3 AußStrG (gleichzeitiger Unterhalts‑ und Abstammungsantrag) vorliegen (Nademleinsky aaO Rz 49), unterblieb hier trotz Einlangens des Antrags des Minderjährigen auf Feststellung der Vaterschaft E***** G*****s beim Erstgericht erst am 30. 8. 2011 (offensichtlich) im Hinblick auf die Verfahrenserklärung der gemäß § 6 Abs 3 Satz 1 BGBl 1969/317 bestellten Vertreterin.

3. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, der Unterhaltsantrag des Minderjährigen vom August 2010 habe die Verjährung nicht unterbrochen, weil sich dieser nicht unmittelbar gegen den Unterhaltspflichtigen, sondern an die Zentralstellen gerichtet habe, und berief sich dabei auf die Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien EFSlg 36.620 (1980), welche allerdings lediglich von mangelnder „Streit“anhängigkeit spricht. Tatsächlich ließe sich die Auffassung des Rekursgerichts damit begründen, dass § 6 Abs 3 BGBl 1969/317 in seinem Satz 2 (zunächst) nur vom Vergleichsversuch spricht, in Satz 3 dann aber bei Scheitern dieses Vergleichsversuchs die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Zwecke der „Geltendmachung“ des Anspruchs und zur Vertretung des Anspruchswerbers im Verfahren anordnet. Daraus könnte geschlossen werden, dass zuvor eben ein Unterhaltsanspruch noch gar nicht geltend gemacht worden ist. Ob eine solche (österreichische) Rechtslage mit dem Wortlaut und den Intentionen des Übereinkommens über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland in Einklang zu bringen ist (vgl bloß dessen Art 3 Abs 1 und 3 [„Antrag stellen“; „Ansprüche“ geltend gemacht; Ermächtigung der Zentralstelle, „in Vertretung des Anspruchswerbers tätig zu werden“]), kann jedoch dahin stehen:

Jedenfalls ab 20. 10. 2010 war im Hinblick auf die Verfahrenserklärung der gemäß § 6 Abs 3 Satz 1 BGBl 1969/317 bestellten Vertreterin ein Unterhaltsverfahren des Minderjährigen nicht mehr anhängig. Dass die Vertreterin zur Abgabe einer derartigen Verfahrenserklärung ‑ wie der Revisionsrekurs meint ‑ nicht ermächtigt gewesen wäre, lässt sich der genannten Bestimmung nicht entnehmen. Der in den ErläutRV (918 BlgNR XI. GP  6 ff) erwähnte Umstand, dass ein solcher Vertreter „in der Regel einen sogenannten bedingten Vergleich [schließen wird], sofern [er] nicht bereits vorher die Ermächtigung zum Abschluss eines Vergleichs über einen bestimmten Unterhaltsbetrag vom Anspruchswerber einholen konnte“, und deren Hinweis auf die Notwendigkeit der Bestellung eines Rechtsanwalts bei Scheitern des Vergleichsversuchs (§ 6 Abs 3 Satz 3 BGBl 1969/317) „wegen der in Fällen mit internationalem Charakter auftretenden rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten“ wiederum sprechen die Problematik der nach ausländischem Recht zu ermittelnden Unterhaltshöhe an. Damit hat aber die nach österreichischem Verfahrensrecht zu beurteilende Anwendbarkeit des § 101 Abs 3 AußStrG nichts zu tun.

§ 6 Abs 3 BGBl 1969/317 spricht sowohl in Satz 1 (Gerichtsbediensteter, Rechtspraktikant) als auch in Satz 3 (Rechtsanwalt) vom bestellten Vertreter. Dass keine Bestimmung vorhanden ist, aus der sich Unterschiede zu den Regeln der Zivilprozessordnung in Ansehung der Gültigkeit und Wirksamkeit von Prozesserklärungen ergeben, hat der Oberste Gerichtshof jedenfalls zu letzterem Vertreter bereits festgehalten (3 Ob 105/07y iFamZ 2008/51 [Fucik]); warum dies bei ersterem Vertreter anders sein sollte, ist nicht erkennbar.

4. Wenn der Revisionsrekurs darzutun versucht, dass selbst das Erstgericht nach rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft E***** G*****s noch vor dem Schriftsatz des Minderjährigen vom 28. 10. 2013 von einem aufgrund des ursprünglichen Antrags anhängigen Unterhaltsverfahren ausging, so ist dem entgegen zu halten, dass der Minderjährige selbst in seinem Schriftsatz vom 22. 5. 2013 ausdrücklich ausführte, „zum derzeitigen Zeitpunkt [sei] die Stellung eines Unterhaltsantrags nicht erforderlich“; damit bestätigte er aber letztlich die Verfahrenserklärung der gemäß § 6 Abs 3 Satz 1 BGBl 1969/317 bestellten Vertreterin vom 20. 10. 2010, wonach eben (vor dem 28. 10. 2013) ein Unterhaltsantrag nicht anhängig war.

Im Übrigen wäre selbst dann, wenn man von einem bereits seit August 2010 anhängigen Unterhaltsverfahren ausgehen würde, zu berücksichtigen, dass der Beschluss, mit dem die Vaterschaft E***** G*****s festgestellt wurde, bereits im Jänner 2013 rechtskräftig und dem Minderjährigen auch sein Verfahrenshelfer bestellt wurde. Abgesehen von der genannten Erklärung vom 22. 5. 2013 wäre der Minderjährige aber erst Ende Oktober 2013 in diesem (anhängigen) Unterhaltsverfahren tätig geworden, womit er das Verfahren über seinen ursprünglichen Antrag auch nicht gehörig fortgesetzt hätte (§ 1497 ABGB).

5. Der Revisionsrekurs macht weiters geltend, sowohl der Verjährungseinwand seines Vaters als auch dessen Weigerung im Jahr 2010, die Vaterschaft anzuerkennen, seien rechtsmissbräuchlich erfolgt. Dem hat allerdings bereits das Rekursgericht zutreffend entgegen gehalten, dass eine derartige Weigerung jedenfalls dann nicht rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn ein Mann mit einer Frau ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ offensichtlich lediglich eine Nacht verbrachte und über keine (weiteren) Anhaltspunkte für seine Vaterschaft verfügt. Der Verjährungseinwand wiederum ist nicht rechtsmissbräuchlich, weil die eingetretene Verjährung nicht auf ein Verhalten des Vaters zurückgeht.

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