OGH 1Ob28/16y

OGH1Ob28/16y31.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer in der Rechtssache der klagenden Partei C***** R*****, vertreten durch Dr. Günther Folk, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Graz, Graz, Göstinger Straße 26, vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, wegen 31.309,54 EUR sA und Feststellung, über die „außerordentlichen Revisionen“ der klagenden und der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 10. November 2015, GZ 3 R 138/15m‑57, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. Juni 2015, GZ 13 Cg 55/13s‑51, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00028.16Y.0331.000

 

Spruch:

Die als außerordentliche Revisionen bezeichneten Rekurse werden zurückgewiesen.

Begründung

Der Gegenstand des Verfahrens ist das gegen die Beklagte als Trägerin des Krankenhauses, in dem die Klägerin nach einem Sturz behandelt worden war, gerichtete Begehren auf Schadenersatz und Feststellung der Haftung wegen eines behaupteten Diagnose‑ und darauf beruhenden Behandlungsfehlers.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise, jener der Beklagten zur Gänze Folge und bestätigte das angefochtene Urteil des Erstgerichts in seinem abweisenden Teil als Teilurteil im Umfang von 9.707,92 EUR sA sowie der Feststellung, dass die Beklagte der Klägerin für 25 % der zukünftigen kausalen Folgen aus dem Vorfall vom 8. Oktober 2012 im Unfallkrankenhaus ***** zu haften habe. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands des Teilurteils 30.000 EUR übersteige und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig (I. Spruchpunkt).

Im Übrigen, nämlich hinsichtlich des Zahlungsbegehrens von 21.601,62 EUR sA sowie des weiteren Feststellungsbegehrens, hob es das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück (II. Spruchpunkt).

Die dagegen erhobenen „außerordentlichen Revisionen“, die sich in Wahrheit gegen den Aufhebungsbeschluss richten, sind unzulässig:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin hätte nur das bestätigende Teilurteil des Berufungsgerichts mit außerordentlicher Revision bekämpfen können, weil das Berufungsgericht zu seinem Aufhebungsbeschluss keinen Zulässigkeitsausspruch iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO getroffen hat (8 ObA 89/13s; RIS‑Justiz RS0043898 [insbesondere T7]; RS0043854). Die Klägerin macht schon mit ihrer Anfechtungserklärung, wonach sie das „Urteil“ ausdrücklich in seinem aufhebenden Spruchpunkt (II.) anfechte, aber auch mit ihrem Revisionsantrag, mit dem sie die Abänderung der angefochtenen Entscheidung in eine ihr 21.601,82 EUR sA zuerkennende und die Feststellung der Haftung für 75 % der zukünftigen Folgen aussprechende Entscheidung anstrebt, deutlich, dass sie sich nur gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung richtet. Damit ist die Entscheidung über die Abweisung des Klagebegehrens im Umfang von 9.707,92 EUR sA und der Feststellung der Haftung für 25 % der Folgen rechtskräftig geworden.

Die Beklagte wendet sich nach ihrer Anfechtungserklärung dagegen, dass „das Klagebegehren nicht vollumfänglich abgewiesen wurde“ und beantragt dementsprechend auch die Abänderung der zweitinstanzlichen Entscheidung dahin, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Im Ausmaß des rechtskräftigen Teilurteils konnte die beklagte Partei das Klagebegehren bereits erfolgreich abwehren. Sie ist durch dieses Teilurteil formell nicht beschwert. Dies wäre aber die Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels (RIS‑Justiz RS0043815 [T35 und T41]; RS0041746 [T10]). Wenn die beklagte Partei die gänzliche Klagsabweisung anstrebt, bekämpft sie daher in Wahrheit ebenfalls den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts, der auch von ihr mangels Zulässigkeitsausspruchs nicht bekämpft werden kann.

Ausnahmsweise kann zwar einem Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts durch eine inhaltliche Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs, selbst dann, wenn das Berufungsgericht keinen Zulässigkeitsausspruch iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO getroffen hat, der Boden entzogen sein (vgl RIS‑Justiz RS0040804). Dass ein solcher Sonderfall vorläge, wurde gar nicht behauptet. Dies setzte im Übrigen voraus, dass der Oberste Gerichtshof einem zulässigen Rechtsmittel stattgäbe (vgl RIS‑Justiz RS0040804 [T1, T2]). Hier liegt aber über den Aufhebungsbeschluss hinaus nur das mittlerweile in Rechtskraft erwachsene Teilurteil vor.

Die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels hindert nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise (RIS‑Justiz RS0036258).

Die als Rekurse zu behandelnden Rechtsmittel sind daher zurückzuweisen.

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