OGH 5Ob23/16t

OGH5Ob23/16t22.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. M***** U***** F*****, 2. Mag. I***** G*****, und 3. Ing. H***** G*****, alle vertreten durch die Korn & Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. H***** A***** S***** und 2. U*****-M***** W*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Michael Pallauf, Dr. Franz Meißnitzer, Mag. Andreas Pallauf und Mag. Ralf Staindl, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Beseitigung und Wiederherstellung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2015, GZ 53 R 234/15s‑39, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Thalgau vom 17. Juni 2015, GZ 2 C 409/12w‑35, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00023.16T.0322.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Auf der Liegenschaft EZ 104 GB ***** steht ein „Mischhaus“ mit vierzehn Wohnungen. An dieses Grundstück grenzt die im (schlichten) Miteigentum stehende Liegenschaft EZ 37 GB ***** an.

Die Erstklägerin ist Mit- und Wohnungseigentümerin der Liegenschaft EZ 104 und (schlichte) Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 37. Die Zweitklägerin und der Drittkläger sind (schlichte) Miteigentümer der Liegenschaften EZZ 104 und 37.

Der Erstbeklagte und die Zweitbeklagte sind (schlichte) Miteigentümer sowie Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 104 und Miteigentümer der Liegenschaft EZ 37.

Der Erstbeklagte und die Zweitbeklagte nutzen im Zusammenhang mit ihrem Wohnungseigentumsobjekt W8 eine von ihnen ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer auf dem angrenzenden Grundstück 35/37 der EZ 37 errichtete Holzterrasse. Dieser Terrassenbereich war schon von einer früheren Miteigentümerin eigenmächtig aufgeschüttet und von deren Mietern weiter ausgestaltet worden.

Nach einer Eigentümerversammlung am 26. 2. 2010, bei der zwischen den Mit- und Wohnungseigentümern (ua) betreffend die Terrasse der Beklagten, die schon davor Streitpunkt der Miteigentümer gewesen war, keine Einigung erzielt werden konnte, setzten sich einige, aber nicht alle Miteigentümer zusammen, um „eine Einigung über die strittigen Punkte (ua die Terrasse der Beklagten) bzw die verschiedenen Änderungswünsche der einzelnen Miteigentümer zu erzielen“. Ergebnis dieser Besprechung war ein umfangreiches Protokoll („Beschluss-Paket“) mit auszugsweise folgendem Wortlaut:

„Eigentümerversammlung vom 26.02.2010

Beschlussfassung über die weiteren Tagesordnungspunkte

(…)

Vorwort

(…)

Erklärtes Ziel der Runde war es, … zu einer für alle Anwesenden tragfähigen Lösung der offenen Punkte zu kommen. Für den Weg dahin wurde vereinbart, die einzelnen Problempunkte vorerst jeweils unter der Voraussetzung und im Vertrauen darauf zu besprechen, dass zum Schluss für alle offenen Punkte ein jeweils einstimmiger Konsens erzielt werden würde. Dies ist dann in allen Punkten gelungen und daraus ein Beschluss-Paket für alle Punkte geschnürt und einstimmig verabschiedet worden.

Die einzelnen Punkte des Beschluss-Pakets

1.) W12 – G ***** E***** – Wintergarten

Die TN haben einstimmig beschlossen, Herrn E***** die Option auf den Bau des schon lange geplanten Wintergartens einzuräumen und im Falle seiner Zustimmung auch der Realisierung ebenso einstimmig zuzustimmen.

Auflagen: …

2.) W3 – S ***** B***** – Terrasse

Der schwebende Rechtsstreit zwischen den Miteigentümern S***** und W***** kann beendet werden, wenn Frau S***** die bei ihrem Anwalt vorliegende Erklärung zu Gunsten von Frau W***** annimmt. Im Gegenzug verzichtet Frau W***** auf den im laufenden Verfahren vorgesehenen Rückbau der Treppe durch Frau S*****. Hierbei handelt es sich natürlich nicht um einen Beschluss der Teilnehmer, – es ging in der Runde nur darum, einen gemeinsamen Beitrag für die Befriedigung des Hauses und Lockerung der 'Fronten' zu leisten. Dies scheint gelungen zu sein.

3.) W6 – (Erstbeklagter) – (Zweitbeklagte) – Terrasse

Die Miteigentümer (Erstbeklagter) und (Zweitbeklagte) haben im Bereich des Austritts ihrer Wohneinheit zur Nordseite statt der vorhandenen gepflasterten Terrasse nunmehr eine auf Pfeilern liegende Holzterrasse errichtet.

Hintergrund: Das Regenwasser wird sich bei starken Niederschlägen nicht mehr so stark sammeln, sondern an Ort und Stelle weitgehend versickern und damit für den unteren Bereich der Terrasse S***** weniger Feuchtigkeit bringen. Durch entsprechende Bodendecker wird außerdem der Bereich insgesamt attraktiver gestaltet werden können. Die TN haben dazu einstimmig ihre nachträgliche Zustimmung erklärt.

Auflagen: …

4.) W6 – (Erstbeklagter) – (Zweitbeklagte) – Vergrößerung der Fenster

Die Miteigentümer (Erstbeklagter) und (Zweitbeklagte) haben nach dem Kauf der Wohneinheit im September 2009 über die Hausverwaltung von dem Vorhaben zur Vergrößerung der Fenster zur Seeseite informiert. … Für die Tatsache, dass diese Maßnahmen ohne Einholung der nach dem WEG erforderlichen einstimmigen Genehmigung durch die Miteigentümer erfolgte, wurde (Erstbeklagter) in der Sitzung gerügt. Im Sinne eines Konsenses auch in diesem Punkt haben die Teilnehmer diesen Maßnahmen nunmehr nachträglich ihre einstimmige Zustimmung, allerdings unter Auflagen erteilt. Kritik wird nicht an der gewählten Breite der Fenster, sondern an der Optik der Fensterhöhe, die nun bis zum Boden reichen, geübt.

Auflagen: …

6.) W6 – (Erstbeklagter) – (Zweitbeklagte) – Abstellraum über der ungenutzten Treppe

(Erstbeklagter) und (Zweitbeklagte) haben im Bereich über der ungenutzten Treppe an der Nordseite des Hauses einen Abstellraum errichtet. Hierzu wurde auf Kosten von (Erstbeklagter)/(Zweitbeklagter) ein Türdurchbruch vorgenommen und ein Fußboden eingezogen. … Für die Tatsache, dass diese Maßnahmen ohne Einholung der Genehmigung durch die Miteigentümer (WEG!) erfolgte, wurde (Erstbeklagter) in der Sitzung gerügt. Im Sinne eines Konsenses auch in diesem Punkt haben die Teilnehmer diesen Maßnahmen nunmehr nachträglich ihre einstimmige Zustimmung erteilt.

Ergänzung: …

7.) W7 – W ***** K***** – Balkon

Herr K***** beabsichtigt, das derzeitige Fenster durch einen Mauerdurchbruch mit einer Balkontüre zu ersetzen und einen Balkon zu errichten. Der daneben liegende Balkon wird dabei um circa 200 cm verlängert.

Auflagen: …

Nachträgliche Anmerkung …

8.) W13 – (Erstklägerin) – Dachfenster

Frau (Erstklägerin) beabsichtigt, das Badezimmer ihrer Wohneinheit mit einem Dachfenster auszustatten.

Die Größe des Fensters ergibt sich aus den beschränkten räumlichen Möglichkeiten im Bad.

Die Teilnehmer haben dazu einstimmig ihre Zustimmung erteilt.

Auflagen: …

Nachträgliche Anmerkung …

9.) Optionales Zukunftsprojekt – Seeeinstieg über eine Treppe

Die Zuversicht ist groß, in Zukunft mit mehr Freude zum Attersee zu kommen und dort ungetrübt all das vorzufinden, was man sich von der eigenen Immobilie erwartet hat. Auch für zukünftige Pläne von Miteigentümern, die geeignet sind, das Haus insgesamt oder die eigene Wohneinheit zu verbessern, kann damit die Hoffnung näher rücken, sich diese Wünsche auch tatsächlich erfüllen zu dürfen.

Nachträgliche Ergänzung dazu von (Drittkläger):

Natürlich stellt diese Beschluss-Paket aber keinen Freibrief für zukünftige ähnliche Bauvorhaben von Miteigentümern dar. Weiterhin gilt grundsätzlich das Wohnungseigentumsgesetz. Vor der Verwirklichung eigener Wünsche bedarf es jeweils eines 'runden Tisches' möglichst aller Eigentümer, um einer Diskussion Platz einzuräumen und um einen tragfähigen Konsens zu erzielen. Falls es mit Berufung auf das WEG doch zu gerichtlichen Klagen kommen sollte, tragen einzig und alleine die jeweils 'Bauwilligen' die anfallenden Gerichts- bzw Prozesskosten und allenfalls die Kosten für erforderliche Rückbaumaßnahmen.

Dem Wunsch nach einer Verbesserung unserer Miteigentümergemeinschaft entsprechend erfolgt hiermit ausdrücklich die Einladung an die nicht am Beschluss vom 26.02.2010 Beteiligten, dem Paket-Beschluss nachträglich beizutreten.

Protokoll gemeinschaftlich erstellt und geprüft

gez. (Erstklägerin) gez. (Erstbeklagter)

Protokoll genehmigt“

Nachdem Erstklägerin und Erstbeklagter die Unterschriften sämtlicher bei der Besprechung am 26. 2. 2010 Anwesenden/Vertretenen eingeholt hatten, übermittelten sie das ergänzte und unterschriebene Protokoll an die übrigen, bei der Besprechung nicht mehr anwesend gewesenen Mit- und Wohnungseigentümer, um diesen die Möglichkeit zu eröffnen, dem „Beschluss-Paket“ nachträglich beizutreten. Diese Möglichkeit wurde von einigen, aber nicht allen Mit- und Wohnungseigentümern wahrgenommen.

Die Erstklägerin hat die übrigen Miteigentümer der Liegenschaften darüber informiert, dass sie – wie bereits angekündigt – beabsichtige, im Mai 2011 im Badezimmer der Wohnung W3 ein 80 x 60 cm großes Dachfenster auf ihre Kosten von einem Fachmann einbauen zu lassen und zusätzlich auch noch ein weiteres Dachfenster im Dachvorsprung der Loggia. Die Erstklägerin hat die übrigen Miteigentümer um ihre Zustimmung hiezu ersucht. Die beiden Beklagten gaben der Erstklägerin ihr Einverständnis zu den von ihr beabsichtigten Baumaßnahmen. Die Erstklägerin ließ im Mai 2011 im Badezimmer der Wohnung W3 anstelle des ursprünglich von ihr geplanten Dachfensters ein Fenster in die Außenwand des Badezimmers einbauen.

G***** E***** hat bis dato noch keinen Wintergarten errichtet. Ing. W***** K***** hat den Balkon seiner Wohnung noch nicht verlängert.

Anlässlich der durch die Verwalterin geleiteten Eigentümerversammlung am 29. 7. 2011 war die von den Beklagten errichtete Holzterrasse bei der Diskussion über die bereits seit Jahren angestrebte einheitliche Begründung von Wohnungseigentum an der EZ 104 erneut Thema. Erstmals bei dieser Eigentümerversammlung forderten einige Miteigentümer, insbesondere der Drittkläger, dass die beiden Beklagten und auch jene Ehegatten, die mit Kaufvertrag vom 9. 6. 2011 Anteile an der Liegenschaft EZ 104 verbunden mit Wohnungseigentum an W6 erworben hatten, und seither den unteren Terrassenbereich auf der EZ 37 für sich in Anspruch nahmen, an die Eigentümergemeinschaft ein Nutzungsentgelt zahlen sollten. Darüber entwickelte sich in der Eigentümerversammlung am 29. 7. 2011 eine heftige Auseinandersetzung, die schließlich darin endete, dass die Bestrebungen zur einheitlichen Begründung von Wohnungseigentum scheiterten. Im Rahmen der Eigentümerversammlung am 29. 7. 2011 fassten die Miteigentümer aber keinen Beschluss, von den Beklagten die Entfernung der Holzterrasse zu fordern.

Im Anschluss an diese Eigentümerversammlung teilte der Drittkläger der Verwalterin mit E‑Mail vom 31. 7. 2011, welche er auch an die beiden Beklagten sandte, mit, dass er und die Zweitklägerin ihre Zustimmung zum „Beschluss-Paket“ vom 26. 2. 2010 zurückziehen. Auch die Erstklägerin hat ihre Zustimmung zu diesem „Beschluss-Paket“ nach der Eigentümerversammlung vom 29. 7. 2011 widerrufen.

Nachdem der Erstbeklagte – ohne mit sämtlichen Miteigentümern der Liegenschaft EZ 104 Rücksprache gehalten bzw deren Zustimmung eingeholt zu haben – im September 2011 an der Deckenuntersicht der Loggia der von ihm erworbenen Wohnung zwei Heizstrahler anbringen und darüber hinaus einen Wärmetauscher an der ostseitigen bzw seeseitigen Fassade des Gebäudes befestigen hat lassen, forderte die Erstklägerin die beiden Beklagten mit E‑Mail vom 28. 11. 2011 auf, binnen 14 Tagen den Wärmetauscher und die beiden Heizstrahler zu entfernen sowie die Rückführung der Terrasse zu veranlassen und den vorigen Zustand des Hangs wiederherzustellen.

Der Erstbeklagte hat ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht die Entfernung des Wärmetauschers sowie der beiden Wärmestrahler vorgenommen, worauf die Kläger ihr Klagebegehren um das ursprünglich auch diese Maßnahmen umfassende Beseitigungs- und Wiederherstellungsbegehren einschränkten.

Die Kläger begehren – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant –, die Beklagten schuldig zu erkennen, die von diesen errichtete Terrasse zu entfernen und den früheren Naturzustand wiederherzustellen. Dem „Beschluss-Paket“ hätten letztlich nicht alle Mit- und Wohnungseigentümer zugestimmt, weshalb diesem keine Bindungswirkung zukomme. Es liege daher insgesamt keine wirksame Zustimmung zu den Baumaßnahmen der Beklagten vor, weshalb diese zur Entfernung der Terrasse verpflichtet seien.

Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Die Kläger seien an ihre Zustimmungserklärungen gebunden und zu deren Widerruf nicht berechtigt. Die noch fehlende Zustimmung anderer Miteigentümer würden sie in einem anderen anhängigen Verfahren anstreben. Das Entfernungs- und Wiederherstellungsbegehren der Kläger sei rechtsmissbräuchlich.

Das Erstgericht wies – auf der Grundlage des eingangs zusammengefassten Sachverhalts – das Begehren der Kläger, die Beklagten zu verpflichten, die von ihnen errichtete Terrasse zu entfernen und den früheren Naturzustand des Grundstücks wiederherzustellen, ab. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass eine Benützungsregelung an dem im schlichten Miteigentum stehenden Grundstück ebenso wie die von den Beklagten vorgenommene bauliche Veränderung in Form der Errichtung der Holzterrasse wichtige Veränderungen im Sinn des § 834 ABGB darstellten, die nur einvernehmlich oder nach Entscheidung des Außerstreitrichters erfolgen dürften. Das Beseitigungs- und Wiederherstellungsbegehren der Kläger müsse jedoch daran scheitern, dass sie in Kenntnis des Umstands, dass nicht mit einer Zustimmung aller Miteigentümer der Liegenschaften zum „Beschluss-Paket“ zu rechnen sei, der bereits errichteten Holzterrasse und damit auch der Nutzung dieser Terrassenfläche nachträglich zugestimmt hätten. An diese Zustimmung seien die Kläger mangels Wirksamkeit ihres nachträglich einseitig erklärten Widerrufs nicht zuletzt aufgrund ihrer aus dem Miteigentumsverhältnis resultierenden Treuepflicht gegenüber den beiden Beklagten gebunden. Die Kläger könnten nicht unter Berufung auf einen eigenmächtigen Eingriff der Beklagten die Entfernung der Holzterrasse und die Wiederherstellung des vorigen Zustands fordern. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Die umfangreichen Baumaßnahmen der Beklagten hätten der Zustimmung der übrigen Miteigentümer der EZ 37, also auch jener der Kläger, bedurft. Der Bau der Terrasse sei eine wichtige Veränderung (§ 834 ABGB) und zugleich eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer gewesen. Für eine derart weitreichende Gartenbenutzung hätten sich die Beklagten überdies auch nicht auf eine Benutzungsregelung stützen können, die ihnen den Bereich unmittelbar vor der Wohnung W8 zur alleinigen Nutzung zugewiesen hätte. Nach der Eigentümerversammlung am 26. 2. 2010 hätten allerdings die noch anwesenden Miteigentümer (ua) auch über die Holzterrasse der Beklagten gesprochen und dieser unter der Bedingung zugestimmt, dass die Beklagten diesen Bereich, der Allgemeinfläche bleiben sollte, auf eigene Kosten instandhalten und pflegen müssten. Davon, dass die geglückte Einigung in den als „Beschluss-Paket“ bezeichneten Punkten nur dann verbindlich sein sollte, wenn sämtliche Miteigentümer der beiden Liegenschaften zustimmten, sei keine Rede gewesen. Eine für alle Miteigentümer der EZ 37 verbindliche Benützungsvereinbarung sei zwar daran gescheitert, dass diese nur einstimmig hätte getroffen werden können. Miteigentümer könnten aber nicht nur vertragliche Vereinbarungen über bestimmte Aspekte der Verwaltung der Liegenschaft treffen, vielmehr könnten sie sich im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung etwa auch die Zustimmung zu wechselseitigen Baumaßnahmen geben. Für die Möglichkeit einer derartigen (beschränkt wirkenden) Vereinbarung spreche überdies, dass bei einer Rechtsnachfolge der Titel für die Beibehaltung einer bisherigen Benützungsvereinbarung nicht verloren gehe, sondern die Zustimmung unter den verbliebenen Miteigentümern fortwirke. Im Zusammenhang mit einer Klage nach § 523 ABGB habe dies zur Folge, dass die einer baulichen Veränderung nachträglich zustimmenden Miteigentümer keinen Anspruch auf Beseitigung hätten. Gerade dann, wenn die Beklagten – wie hier – mit einem Antrag gemäß § 835 ABGB noch eine nachträgliche Sanktionierung der Veränderung und eine Benützungsvereinbarung (AZ 10 Msch 9/12g des Erstgerichts) anstrebten, komme einer Vereinbarung mit einzelnen Miteigentümern besondere Bedeutung zu. Es könnten dann – zumindest zeitlich beschränkt – nur jene Miteigentümer eine Beseitigung und Wiederherstellung im streitigen Verfahren erreichen, die sich nicht bereits vertraglich gebunden haben. Erst wenn feststehe, dass auch im außerstreitigen Weg eine Benützungsvereinbarung und eine nachträgliche Sanktionierung der Veränderung nicht erwirkt werden könne, bestehe eine Beseitigungs- und Wiederherstellungspflicht gegenüber allen Miteigentümern. Ausgehend von einer vertraglichen Bindung habe für die Beklagten auch keine Möglichkeit bestanden, ihre Zustimmung einseitig zu widerrufen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Höchstgericht habe sich zwar mit der Frage der Widerrufbarkeit einer bloßen Zustimmung zu einer Baumaßnahme bereits auseinandergesetzt, nicht aber mit einer Vereinbarung, mit der Mit- und Wohnungseigentümer unterschiedliche Änderungswünsche und auch bereits ausgeführte Maßnahmen vertraglich regeln. Es fehle auch an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung, die sich mit den Auswirkungen einer derartigen Vereinbarung auf eine Klage nach § 523 ABGB näher befasst habe.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Stattgebung des Entfernungs- und Wiederherstellungsbegehrens.

Die Beklagten erstatteten eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, der Revision mangels Vorliegens der Zulassungsvoraussetzungen, aber auch mangels Begründetheit keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und in dem – im Abänderungsantrag mitenthaltenen (RIS-Justiz RS0041774) – Aufhebungsantrag berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 828 ABGB darf kein Miteigentümer gegen den Willen der übrigen an der gemeinschaftlichen Sache Veränderungen vornehmen, wodurch über den Anteil der anderen verfügt würde (RIS-Justiz RS0013205). Substanzveränderungen ohne Einstimmigkeit sind selbst dann unzulässig, wenn sie einen zur ausschließlichen Benutzung durch einen Teilhaber zugewiesenen Teil des Gemeinschaftsguts betreffen, sofern dadurch in die Rechtssphäre der übrigen eingegriffen wird und wichtige Interessen berührt werden (RIS‑Justiz RS0013205 [T3 und T4]). Es darf also kein Teilhaber einer gemeinsamen Sache bei Uneinigkeit der Miteigentümer Substanzveränderungen vornehmen (RIS-Justiz RS0013205 [T7]).

2. Auch im Bereich des Wohnungseigentums verpflichtet nach ständiger Rechtsprechung schon die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit- und Wohnungseigentümer den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller anderen Mit- und Wohnungseigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht, nimmt er also Änderungen im Sinn des § 16 Abs 2 WEG 2002 ohne vorherige Zustimmung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung des Außerstreitrichters vor, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB zur Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden (RIS-Justiz RS0083156; RS0005944; RS0012137).

3. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen dass die Errichtung der den Gegenstand des Klagebegehrens bildenden Holzterrasse eine Maßnahme war, die grundsätzlich die Zustimmung aller Miteigentümer erfordert hätte. Diese Rechtsansicht wird im Revisionsverfahren nicht erkennbar bekämpft. Strittig ist vielmehr allein die Bedeutung und Wirkung des von den seinerzeitigen Teilnehmern abgeschlossenen „Beschluss-Pakets“.

4. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass das „Beschluss-Paket“, wovon ohnehin schon die Vorinstanzen und im Revisionsverfahren auch die Parteien übereinstimmend ausgegangen sind, kein wirksamer, weil nicht einstimmiger Beschluss der Miteigentümer war und dieses daher nur als rechtsgeschäftliche Vereinbarung einzelner Miteigentümer Wirkung zeitigen kann.

5. Die im „Beschluss-Paket“ (ua) von den Klägern (ua) den (nunmehrigen) Beklagten erteilte Zustimmung zur Terrasse ist erst nachträglich erfolgt und kann daher nicht die (ursprüngliche) Eigenmacht der Beklagten bei deren Errichtung beseitigen.

6. Zu klären ist vielmehr, ob die (ua) von den Klägern nachträglich im „Beschluss-Paket“ erteilte Zustimmung zu der von den Beklagten (ursprünglich) eigenmächtig errichteten Holzterrasse zumindest bis zum Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses erster Instanz noch in diesem Sinn bindend war, dass sie als zumindest vorläufiger Verzicht auf den Entfernungs- und Wiederherstellungsanspruch gewertet werden konnte. Dies ist zu verneinen:

7. Bei der Eigentümerversammlung am 26. 2. 2010 war es betreffend die schon längere Zeit strittige Terrasse der Beklagten zu keiner Einigung aller Miteigentümerin gekommen. Damit war klar, dass es an einem alle Miteigentümer bindenden Beschluss fehlte. Dem haben die Teilnehmer des „Beschluss-Pakets“ dadurch Rechnung zu tragen versucht, dass sie auch den anderen Miteigentümern noch nachträglich die Möglichkeit der Zustimmung zum „Beschluss-Paket“ eröffnet haben. Dieser Versuch einer Einigung im Konsens ist allerdings abschließend gescheitert, haben doch die Beklagten – unstrittig – ein Verfahren vor dem Erstgericht einleiten müssen, um zu versuchen, eine ihnen die Nutzung der Terrasse sichernde Benützungsregelung zu erlangen. Dazu kommt, dass der Erstbeklagte insofern gegen die Intention des „Beschluss-Pakets“ verstoßen hat, als er ohne Abstimmung mit den übrigen Miteigentümern einen Wärmetauscher und zwei Heizstrahler hat anbringen lassen.

8. Selbst wenn man daher von einer (vorläufigen) Bindungswirkung des „Beschluss-Pakets“ inter partes im Sinn eines einstweiligen Verzichts auf die Wahrnehmung der Rechte nach § 523 ABGB ausgehen wollte, dann kommt dessen Aufrechterhaltung ab dem Zeitpunkt nicht mehr in Frage, ab dem einerseits feststeht, dass eine (freiwillige) Zustimmung aller Miteigentümer nicht zu erlangen ist, und sich andererseits der Erstbeklagte durch erneut eigenmächtige Maßnahmen gegen die Intention des „Beschluss-Pakets“ im Sinn einer gegenseitigen Abstimmung der Miteigentümer verhalten hat. Jedenfalls seither ist dem evidenten Zweck des „Beschluss-Pakets“, eine bindende Einigung aller Miteigentümer zu erzielen und künftig eigenmächtiges Verhalten einzelner Miteigentümer zu verhindern, die Grundlage entzogen und eine bis dahin allenfalls bestandene Bindungswirkung entfallen. Das „Beschluss-Paket“ steht daher dem Entfernungs- und Wiederherstellungsbegehren der Kläger nicht (mehr) entgegen.

9. Einer sofortigen Stattgebung des Klagebegehrens steht der Umstand entgegen, dass das Begehren auf Wiederherstellung „des früheren Naturzustands“ nicht ausreichend bestimmt ist. Es ist nämlich unstrittig, dass im Lauf der Zeit an dem nunmehr von den Beklagten genützten Terrassenbereich mehrfach Veränderungen vorgenommen worden sind. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren mit den Klägern zu erörtern sein, was unter dem mit der Klage angesprochenen „früheren Naturzustand“ gemeint ist und wie der letzte vom Konsens aller Miteigentümer getragene Zustand des Terrassenbereichs beschaffen war. Die Kläger werden dann ihr Begehren entsprechend zu präzisieren haben. Allein auf die Klärung dieses Punktes (Herstellung der ausreichenden Bestimmtheit des Wiederherstellungsbegehrens) hat sich das fortzusetzende Verfahren des Erstgerichts zu beschränken. Zu diesem Zweck war der Revision im Sinn der Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen zum Zweck der neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung stattzugeben.

10. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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