OGH 9ObA11/16g

OGH9ObA11/16g18.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Peter Schleinbach als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** Ü*****, vertreten durch Rainer‑Ruetz‑Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Norbert Huber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2015, GZ 13 Ra 34/15w‑23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00011.16G.0318.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 4 Abs 2 des hier anzuwendenden Kollektivvertrags für Arbeiterinnen/Arbeiter in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung, im sonstigen Reinigungsgewerbe und in Hausbetreuungstätigkeiten (kurz KollV) gelten die ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses als Probezeit, sofern nicht schriftlich eine kürzere vereinbart oder eine solche überhaupt ausgeschlossen wurde. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis von jeder/jedem der Arbeitsvertragspartnerinnen/Arbeitsvertragspartner ohne Angabe von Gründen jederzeit gelöst werden.

Dass sich im KollV keine Einschränkung des Probemonats auf ein „erstes“ Arbeitsverhältnis findet, wird in der Revision nicht mehr in Frage gestellt. Zu diesem Auslegungsergebnis gelangte der Oberste Gerichtshof auch in der Entscheidung 8 ObA 42/05t zu einer vergleichbaren Bestimmung im Kollektivvertrag für Arbeitskräfteüberlasser (Art IV Z 1). Auch wenn daher die Arbeitsvertragsparteien im Anlassfall bei Begründung des neuen (zweiten) Arbeitsverhältnisses nicht ausdrücklich eine Probezeit vereinbart hätten, würde kraft Kollektivvertrag eine Probezeit von vier Wochen gelten. Eine kürzere Probezeit wurde von ihnen nämlich nicht vereinbart; eine Probezeit wurde auch nicht überhaupt ausgeschlossen.

Soweit die Klägerin diese kollektivvertragliche Regelung als unbefriedigend ansieht, ist sie darauf zu verweisen, dass die Gerichte die Kollektivverträge nur dahin zu überprüfen haben, ob sie gegen höherrangiges Recht, also das Unionsrecht, die Verfassung, zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen (RIS‑Justiz RS0018063 [T4, T5]). Dies ist hier nicht der Fall.

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung steht es den Parteien grundsätzlich frei, auch im Rahmen eines neuen (zweiten) Dienstverhältnisses wiederum eine Probezeit zu vereinbaren, sofern nicht unter den gegebenen Umständen eine Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften zu befürchten ist (8 ObA 3/11s; 9 ObA 68/12h; Krejci in Rummel , ABGB 3 § 1159c ABGB Rz 25; Rauch , Probezeit bei weiteren Arbeitsverhältnissen, AsoK 2011, 347). Dem steht hier auch der anzuwendende Kollektivvertrag nicht entgegen, der ausdrücklich die Anwendung einer Probezeit forciert, sofern nicht eine gegenteilige Vereinbarung vorliegt. Das allfällige Vorliegen einer Umgehung kann naturgemäß nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, deren Beurteilung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (9 ObA 68/12h; vgl RIS‑Justiz RS0042936). Dies ist auch hier nicht anders. Das Berufungsgericht gelangte mit vertretbarer Begründung zur rechtlichen Beurteilung, dass aufgrund der Änderungen der sachlichen Gegebenheiten zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen hinreichende Gründe bestanden, auch für das neue Arbeitsverhältnis an der Geltung einer vierwöchigen Probezeit festzuhalten.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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