European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00153.15W.0222.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei für ihre am 4. 7. 2014 geborene Tochter A***** Kinderbetreuungsgeld von täglich 50,17 EUR für den Zeitraum vom 4. 7. 2014 bis 3. 7. 2015 zu gewähren.
Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ruht in Höhe des von der klagenden Partei vom 4. 7. 2014 bis 4. 9. 2014 bezogenen Wochengelds von täglich 62,71 EUR.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 541,97 EUR (darin enthalten 90,33 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 371,52 EUR (darin enthalten 61,92 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist seit 2. 11. 2010 bei einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen beschäftigt. Sie vereinbarte am 2. 9. 2013 mit ihrem Dienstgeber Bildungsteilzeit vom 1. 10. 2013 bis 30. 9. 2015 bei einer Herabsetzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche. Vom 1. 10. 2013 bis 13. 5. 2014 bezog sie vom Arbeitsmarktservice Bildungsteilzeitgeld in Höhe von täglich 7,60 EUR. Vom 15. 5. 2014 bis 4. 9. 2014 erhielt sie Wochengeld mit einem Tagessatz von 62,71 EUR.
Mit Bescheid vom 21. 8. 2014 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens für ihre am 4. 7. 2014 geborene Tochter A***** für den Zeitraum vom 4. 7. 2014 bis 3. 7. 2015 ab, weil die Klägerin vom 1. 11. 2013 bis 13. 5. 2014 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten habe und daher die Voraussetzungen des § 24 KBGG nicht erfülle.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld gemäß § 24a KBGG für ihre Tochter für den Zeitraum vom 4. 7. 2014 bis 3. 7. 2015. Der Bezug von Bildungsteilzeitgeld erfülle das Tatbestandsmerkmal „Leistungen aus der Arbeitslosen-versicherung“ in § 24 Abs 1 Z 2 KBGG nicht, weil diese Bestimmung teleologisch auf den Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe zu reduzieren sei.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil Bildungsteilzeitgeld eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung sei.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Bezug von Bildungsteilzeitgeld gemäß § 26a AlVG sei eine Leistung der Arbeitslosenversicherung (§ 6 Abs 1 Z 5 AlVG). Daher seien Bezieher dieser Leistung vom geltend gemachten Anspruch gemäß § 24 Abs 1 Z 2 KBGG, der auf den Erhalt oder Nichterhalt von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung in einem bestimmten Zeitraum vor der Geburt abstelle, nicht erfasst. Da die Ausdrucksweise bzw der Inhalt der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen des KBGG und AlVG nicht zweifelhaft sei, komme den Gesetzesmaterialien keine eigenständige Bedeutung als Mittel der Interpretation zu. Für die von der Klägerin vertretene teleologische Reduktion gebe es keinen Grund, weil bei der Schaffung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes bereits das Altersteilzeitgeld im Katalog der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung enthalten gewesen sei. Dem Gesetzgeber sei daher die Frage der Behandlung des Aufeinandertreffens von Teilzeitarbeit und Bezug von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld bekannt gewesen. Nach ihrem Vorbringen befinde sich die Klägerin von Anfang Oktober 2013 bis Ende September 2014 in Bildungsteilzeit. Das einkommensabhängige Kinder-betreuungsgeld sei ein Ersatz des entfallenden Erwerbseinkommens für die Zeit der Kinderbetreuung. Dem stehe die Intention des Gesetzgebers zur Einführung der Bildungsteilzeit und des Bildungsteilzeitgeldes gegenüber, die die Bereitschaft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Weiterbildung erhöhen und die mit der Weiterbildung verbundenen Lohneinbußen ausgleichen sollen. Personen, die wie die Klägerin Bildungsteilzeit und Kinderbetreuung verbinden, seien wohl nicht Zielgruppe des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes und der Bildungsteilzeit. Die von der Klägerin behauptete (mittelbare) Diskriminierung bzw Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen sei weder aus verfassungsrechtlicher noch aus europarechtlicher Sicht zu ersehen.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, inwieweit einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld bezogen werden könne, wenn sich der diese Leistung beantragende Elternteil in den letzten sechs Monaten vor der Geburt des Kindes in Bildungsteilzeit befand und Bildungsteilzeitgeld bezog und sich weiterhin in Bildungsteilzeit befindet.
Rechtliche Beurteilung
Die von der beklagten Partei beantwortete Revision der Klägerin ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
1.1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.
1.2. Die Klägerin stellte zugleich mit der Einbringung der Berufung beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, die Wortfolge „sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat,“ in § 24 Abs 1 Z 2 KBGG idF BGBl I 117/2013 als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof verständigte mit Mitteilung vom 29. 4. 2015 das Erstgericht von der Einbringung des Antrags. Dieses legte den Akt mit der Berufung, der Berufungsbeantwortung und dem Hinweis auf den von der Klägerin eingebrachten Antrag auf Normenkontrolle dem Berufungsgericht vor. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 28. 9. 2015, G 19/2015-10, G 205/2015‑11, die Behandlung des Antrags der Klägerin mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg ab.
1.3. Die Klägerin rügt als Verfahrensmangel, dass das Berufungsgericht sein Urteil fällte, bevor der Verfassungsgerichtshof über den Antrag der Klägerin auf Normenkontrolle entschied.
1.4. Gemäß § 62a Abs 6 VfGG dürfen im Fall eines Parteienantrags auf Normenkontrolle nach Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG („Gesetzesbeschwerde“) in dem beim Rechtsmittelgericht anhängigen Verfahren bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs nur solche Handlungen vorgenommen werden oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
1.5. Die Regelung des § 62a Abs 6 VfGG entspricht jener des § 62 Abs 3 VfGG für den Gerichtsantrag nach Art 140 Abs 1 Z 1 lit a B‑VG.
1.6. In beiden Fällen normierte der Gesetzgeber nicht ausdrücklich die Folge, die ein Verstoß des Rechtsmittelgerichts gegen die Einschränkung seiner Entscheidungsbefugnisse hat.
1.6.1. Fasching , Lehrbuch² Rz 83 (zum Gerichtsantrag), führt aus, die Einschränkung der Entscheidungsbefugnisse des Gerichts sei ähnlich jener wie gemäß § 25 JN bei der offenbar unbegründeten Ablehnung eines Richters. Eine trotzdem gefällte Entscheidung, bei der die zur Überprüfung vorgelegte Rechtsnorm vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs angewendet worden sei, sei analog § 477 ZPO nichtig.
1.6.2. Reiter , Der Parteiantrag auf Normenkontrolle im zivilgerichtlichen Verfahren, RZ 2015, 55 (58 und FN 25), ist der Auffassung, eine im Widerspruch zur Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnisse stehende Entscheidung des Gerichts sei gesetzwidrig. Zur Lösung der Problematik biete sich eine Analogie zu § 25 JN an, wonach vom abgelehnten Richter vorgenommene Prozesshandlungen nichtig und, soweit erforderlich, aufzuheben seien, wenn der Ablehnung stattgegeben werde.
1.6.3. Grabenwarter/Musger , Praxisfragen der Gesetzesbeschwerde im Zivilverfahren, ÖJZ 2015/75, 551 (562), vertreten, sei die Rechtsmittelentscheidung vor Erledigung der Gesetzesbeschwerde ergangen und habe die Gesetzesbeschwerde Erfolg, sei die Rechtslage dann unproblematisch, wenn die Sache noch nicht endgültig erledigt sei und die Aufhebung einer präjudiziellen Norm im konkreten Fall noch im weiteren Verfahren berücksichtigt werden könne. Dies werde regelmäßig bei einer aufhebenden Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zutreffen. Bei einer bestätigenden oder abändernden Entscheidung der zweiten Instanz könnte die Aufhebung einer präjudiziellen Norm noch berücksichtigt werden, wenn bei Zustellung des verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses die Frist für ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof noch offen oder ein solches Rechtsmittel bereits eingebracht, aber noch nicht erledigt ist. Nach Auffassung dieser Autoren führt somit eine im Widerspruch zur eingeschränkten Entscheidungsbefugnis stehende inhaltliche Entscheidung über das Rechtsmittel selbst bei einer erfolgreichen Gesetzesbeschwerde in der beschriebenen Konstellation nicht zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Rechtsmittelgerichts wegen Nichtigkeit (oder ‑ sofern gerügt ‑ wegen einfachen Verfahrensmangels) infolge Verletzung § 62a VfGG.
1.7. Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 1 ZPO setzt voraus, dass der ausgeschlossene oder erfolgreich abgelehnte Richter das Urteil gefällt oder doch ‑ als Senatsmitglied ‑ an der Urteilsfällung mitgewirkt hat (1 Ob 41/97d, SZ 70/260 uva). Nicht der Befangenheitsgrund selbst, sondern erst der rechtskräftige Ablehnungsbeschluss bewirkt die Nichtigkeit der vom abgelehnten Richter gesetzten Prozesshandlung. Fällt der abgelehnte Richter entgegen § 25 JN die Endentscheidung vor rechtskräftiger Zurückweisung der Ablehnung, begründet dies allein keine Nichtigkeit und auch keine Mangelhaftigkeit (vgl Pimmer in Fasching / Konecny ² IV/1 § 477 Rz 15); erst wenn der Ablehnung stattgeben wurde, ist die Entscheidung nichtig.
1.8. Entscheidet das Rechtsmittelgericht im Widerspruch zur Einschränkung seiner Entscheidungsbefugnisse und wendet es hierbei die von einer Partei dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorgelegte Norm vor dessen Entscheidung an, bleibt aber die Gesetzesbeschwerde erfolglos, so erfordert es der Zweck des § 62a Abs 6 VfGG, sicherzustellen, dass die Folgen einer allfälligen Aufhebung der angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen für das Ausgangsverfahren vor dem Gericht nicht zu spät eintreten ( Grabenwarter/Musger , ÖJZ 2015/75, 557), nicht, die Gesetzeswidrigkeit des Rechtsmittelgerichts zu sanktionieren. Ähnlich wie eine gegen § 25 JN verstoßende Entscheidung des abgelehnten Richters weder eine Nichtigkeit noch eine Mangelhaftigkeit begründet, wenn die Ablehnung nicht erfolgreich ist, bleibt auch ein Verstoß gegen die Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnisse bei einem Parteiantrag auf Normenkontrolle ‑ abgesehen von einer Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Rechtmittelgerichts ‑ jedenfalls dann ohne Folgen für diese Entscheidung, wenn der Antrag erfolglos geblieben ist und bei Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs der Oberste Gerichtshof das gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz erhobene Rechtsmittel noch nicht erledigt hat. Diese Situation ist im vorliegenden Fall gegeben.
1.9. Wie im Fall der von Grabenwarter/Musger , ÖJZ 2015/75, 562, beschriebenen Konstellation (s oben Punkt 1.6.3.) zu verfahren ist, muss hier ebensowenig erörtert werden wie die Frage, ob der Oberste Gerichtshof den Ausgang des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof abwarten kann, indem er mit dem Verfahren vor ihm innehält, und dann bei seiner Entscheidung jene des Verfassungsgerichtshofs über die Gesetzesbeschwerde berücksichtigt, sodass eine gegen § 62a VfGG verstoßende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts weder nichtig noch mangelhaft wäre.
2.1. Die Revisionswerberin führt in ihrer Rechtsrüge im Wesentlichen aus: Da in § 24 KBGG der Begriff „Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“ nicht definiert werde, wäre eine Auslegung dahingehend, dass mit dem Ausdruck nicht alle im AlVG vorgesehenen Leistungen erfasst sind, noch im Bereich des äußerst möglichen Wortsinns. Die Auslegung des Berufungsgerichts sei mit dem von § 24 Abs 1 Z 2 KBGG verfolgten Zweck, Eltern einen adäquaten Ersatz ihres in den letzten sechs Monaten vor Geburt des Kindes bezogenen Einkommens aus eigener in Österreich sozialversicherungspflichtiger Erwerbstätigkeit zu gewähren, nur schwer in Einklang zu bringen. Wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgehe, sei es offensichtlich nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen, regulär ‑ sei es in Teilzeit oder in Vollzeit ‑ Beschäftigte vom Bezug des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes abzu-schneiden. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht auch eine teleologische Reduktion des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG abgelehnt. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe „Bildungsteilzeit und Kinderbetreuung verbinden“ wollen, sei eine unrichtige rechtliche Beurteilung oder eine aktenwidrige oder aufgrund eines mangelhaften Verfahrens getroffene Feststellung. Die Feststellung, dass sie am 2. 9. 2013 ‑ mehr als zehn Monate vor der Geburt ihrer Tochter ‑ mit ihrem Dienstgeber Bildungsteilzeit bis 30. 9. 2015 vereinbart habe, erlaube die Annahme des Berufungsgerichts nicht.
2.2. Die Beklagte vertritt die Auffassung, nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs 1 AlVG sei das Bildungsteilzeitgeld eine Leistung der Arbeitslosenversicherung. Mit dem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld sollte jenen voll erwerbstätigen Eltern, die vor der Geburt über ein relativ hohes Erwerbseinkommen verfügten, die Möglichkeit gegeben werden, trotz kurzzeitigem Rückzug aus dem Erwerbsleben den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Daher sei der Bezug einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung als Ausschlussgrund für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld vorgesehen. Nach § 24 Abs 1 Z 3 KBGG dürften auch während des Bezugs von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen werden. Damit habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass verschiedene Einkommensersätze miteinander inkompatibel seien.
Dazu wurde erwogen:
3.1. Das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens wurde mit BGBl I 2009/116 in Ergänzung zu den Pauschalvarianten des Kinderbetreuungsgeldes geschaffen (Abschnitt 5 des KBGG). Damit soll jenen Eltern, die vor der Geburt über ein relativ hohes Erwerbseinkommen verfügt haben, die Möglichkeit gegeben werden, trotz kurzzeitigem Rückzug aus dem Erwerbsleben den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16).
3.2. Der Erhalt von „Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“ war nur während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes für den Anspruch schädlich (§ 24 Abs 1 Z 3 KBGG, der ferner wegen der Einkommensersatzfunktion der Leistung einen Zuverdienst nur in sehr geringem Ausmaß [in Höhe der sozialversicherungsrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze, ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 17] erlaubt). Es sollen nicht mehrere Einkommensersätze gleichzeitig gebühren (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 17). Mit Ausnahme des Betrags der Zuverdienstgrenze ist § 24 Abs 1 Z 3 KBGG unverändert geblieben. Nach den Feststellungen bezog die Klägerin Bildungsteilzeitgeld nicht nach der Geburt ihrer Tochter. Nach dem Inhalt des von der beklagten Partei vorgelegten Antrags der Klägerin auf die begehrte Leistung (Beilage ./1) gab diese an, dass sie mit ihrem Dienstgeber Karenz von September 2014 bis September 2015 vereinbarte. Dass sie dennoch einer Erwerbstätigkeit im für die begehrte Leistung relevanten Zeitraum nachging, behauptete auch die beklagte Partei nicht. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die negative Anspruchsvoraussetzung nach der genannten Gesetzesstelle erfüllt ist.
3.3.1. § 24 Abs 1 Z 2 1. Halbsatz KBGG idF BGBl I 2009/116 normiert als Anspruchsvoraussetzung, dass der die Leistung begehrende Elternteil in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig „gemäß Abs 2“ war. Erwerbstätigkeit im Sinn des KBGG definiert § 24 Abs 2 KBGG idF BGBl I 2011/139 als die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Die Norm zählt ferner Zeiten auf, die als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt gelten. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei stellt das Gesetz weder nach seinem Wortlaut noch nach dem mit der Leistung verfolgten Zweck auf eine Erwerbstätigkeit in Vollzeit ab. Für den Lebensstandard, der durch die Leistung aufrecht erhalten werden soll, kommt es auf die Höhe des aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkommens und nicht darauf an, ob es in einer Teilzeit- oder in einer Vollzeitbeschäftigung erzielt wird.
3.3.2. Der Ausdruck „Kalendermonat“ wurde mit der Novelle BGBl I 2013/117 zwecks Beseitigung eines Redaktionsversehens (10 ObS 103/14s) durch das Wort „Monat“ ersetzt (zur Auslegung der Wortfolge „in den letzten 6 Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes“ in § 24 Abs 1 Z 2 KBGG vgl 10 ObS 103/14s und 10 ObS 5/14d).
3.3.3. Die Anspruchsvoraussetzung der Erwerbstätigkeit nach § 24 Abs 1 Z 2 1. Halbsatz KBGG in der anzuwendenden Fassung erfüllt die Klägerin.
3.4. Mit BGBl I 2011/139 wurde in § 24 Abs 1 Z 2 KBGG als negative Anspruchsvoraussetzung eingefügt, dass der anspruchstellende Elternteil in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes „keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat“. Der Gesetzgeber wollte nach den Gesetzesmaterialien mit dieser Ergänzung der Anspruchsgrundlagen den Bezug von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld „durch arbeitslose Eltern“ verhindern, die „derzeit in bestimmten Konstellationen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommen haben“. Eltern, die vor der Geburt „arbeitslos sind“, gehören für den Gesetzgeber nicht „zur Zielgruppe des einkommensabhängigen Kinder-betreuungsgeldes und sollen daher auch dann keinen Anspruch haben, wenn sie vor der Geburt neben dem Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung geringfügig beschäftigt waren. ... Die Ausübung einer geringen Erwerbstätigkeit neben dem Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ändert nichts am Status der Arbeitslosigkeit. Solche Personen sind dennoch (weil überwiegend) der Gruppe der arbeitslosen Personen zuzuordnen“ (ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 1, 3 und 5). Diese Gesetzesänderung ist am 1. 1. 2012 in Kraft getreten (§ 50 Abs 2 KBGG).
4.1. Mit dem SRÄG 2013 (BGBl I 2013/67) wurde durch die Einfügung des § 11a AVRAG mit Wirkung zum 1. 7. 2013 zusätzlich zur Bildungskarenz gemäß § 11 oder zur Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts gemäß § 12 AVRAG die arbeitsrechtliche Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Bildungsteilzeit geschaffen, um Weiterbildung auch während einer aufrechten Beschäftigung zu ermöglichen. Gleichzeitig erfolgte die Einführung des Bildungsteilzeitgeldes als neue Leistung der Arbeitslosenversicherung (§ 6 Abs 1 Z 5, § 26a AlVG; Pfeil , Arbeitslosenversicherungsrecht §§ 26, 26a AlVG, 14. Erg.Lfg 246/2 f). Bildungsteilzeit ist die Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit der Arbeitnehmerin (des Arbeitnehmers) um mindestens ein Viertel und höchstens die Hälfte; die vereinbarte verringerte wöchentliche Normalarbeitszeit darf jedoch zehn Stunden nicht unterschreiten (§ 11a Abs 1 AVRAG). Bildungsteilzeitgeld setzt unter anderem voraus, dass das aus dem Arbeitsverhältnis erzielte Entgelt in einem gesetzlich definierten Zeitraum vor der Herabsetzung der Arbeitszeit und während der Bildungsteilzeit über der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs 2 ASVG liegt (§ 26a Abs 1 Z 3 AlVG). Es beträgt für jede volle Arbeitsstunde, um die die wöchentliche Normalarbeitszeit verringert wird, 0,76 EUR täglich (§ 26a Abs 2 AlVG). Gemäß § 26a Abs 3 AlVG gebührt bei Vorliegen einer „anderen Beschäftigung“ (als dem Arbeitsverhältnis, in dem die Bildungsteilzeit vereinbart wurde) oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit kein Bildungsteilzeitgeld, es sei denn, es liegt Geringfügigkeit nach § 12 Abs 6 lit a, b, c, d, e oder g AlVG (insbesondere ‑ lit a ‑ Geringfügigkeit gemäß § 5 Abs 2 ASVG) vor.
4.2. In Fällen einer Bildungskarenz oder einer Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts wird keine Arbeitslosigkeit begründet, sondern das Arbeitsverhältnis dem Bande nach aufrechterhalten. Es gebührt bei Erfüllung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld Weiterbildungsgeld (§ 6 Abs 1 Z 4, § 26 AlVG) in Höhe des Arbeitslosengeldes, mindestens jedoch in Höhe des Kinderbetreuungsgeldes gemäß § 3 Abs 1 KBGG, bei Erfüllung der im Gesetz genannten Voraussetzungen. Der Anspruch auf Weiterbildungsgeld, das als Ersatz für das entfallende Arbeitsentgelt dient (10 ObS 103/14s), ist ausgeschlossen, wenn der (die) karenzierte Arbeitnehmer(in) einer Beschäftigung oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht, sofern dabei die Geringfügigkeit nach § 12 Abs 6 lit a, b, c, d, e oder g AlVG überschritten wird (§ 26 Abs 3 AlVG). Diese Ausnahme gilt auch für geringfügige Beschäftigungen beim selben Arbeitgeber, sodass insofern auch eine „Teilkarenz“ möglich ist (VwGH 2000/02/0212, VwSlg 15572 A/2001; Pfeil in Reissner / Neumayr , Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht² §§ 11, 12 AVRAG Rz 24).
4.3. Die in § 6 Abs 1 AlVG aufgezählten Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung können in zwei Gruppen gegliedert werden. Die erste davon wird von den Leistungen bei Arbeitslosigkeit und an Arbeitslose gebildet (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Pensionsvorschuss [Z 1 bis Z 3]), sowie die de facto als Kompensation für entfallene Pensionsleistungen geschaffenen Varianten des Übergangsgeldes (Z 7 und Z 8) bzw des Umschulungsgeldes (Z 9) für Versicherte, bei denen der Pensionsversicherungsträger das Vorliegen geminderter Arbeitsfähigkeit, aber auch das Bestehen der Möglichkeit zur beruflichen Rehabilitation festgestellt hat. Beim Weiterbildungs‑, Bildungsteilzeit‑ und beim Altersteilzeitgeld (Z 4 bis Z 6) als zweite Gruppe handelt es sich um arbeitsmarktpolitische Leistungen während eines aufrechten Beschäftigungsverhältnisses, wobei Altersteilzeitgeld nicht einmal an die versicherte Person bezahlt wird ( Pfeil , Arbeitslosenversicherungsrecht, § 6 AlVG, 62/14). Anspruch auf Altersteilzeitgeld hat nämlich ein Arbeitgeber, der ältere Arbeitnehmer(innen) beschäftigt, die ihre Arbeitszeit verringern, und diesen einen Lohnausgleich gewährt (§ 27 Abs 1 AlVG). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist daher das Bildungsteilzeitgeld nicht mit dem Altersteilzeitgeld vergleichbar. Letzterem kommt im Zusammenhang mit § 24 Abs 1 Z 2 KBGG keine Bedeutung zu.
4.4. Das Weiterbildungsgeld qualifizierte der Senat in der Entscheidung 10 ObS 103/14s als eine von der negativen Anspruchsvoraussetzung des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG erfasste Leistung aus der Arbeitslosenversicherung. Er führte darin mit Beziehung auf den Zeitraum vor der Geburt des Kindes, in dem der anspruchstellende Elternteil keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat, aus, dass der für den jeweiligen Elternteil in Betracht kommende sechsmonatige Zeitraum entweder (bei Eltern, bei denen ein Beschäftigungsverbot nicht in Betracht kommt) vor der Geburt oder (bei leiblichen Müttern, für die ein Beschäftigungsverbot gilt) vor dem Beginn des Beschäftigungsverbots liegen muss. Daraus wurde abgeleitet, dass der Gesetzgeber offenbar als Anspruchsvoraussetzung eine „sechsmonatige 'reine' (ohne gleichzeitigen Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung) Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit“ vorsehen wollte.
4.4.1. Aus der genannten Entscheidung kann nicht geschlossen werden, dass auch das im Zeitpunkt der Einführung der negativen Anspruchsvoraussetzung in § 24 Abs 1 Z 2 KBGG noch nicht existierende Bildungsteilzeitgeld eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Sinn dieser Norm, die eine Verweisung auf eine Gesetzesstelle des AlVG in der jeweiligen Fassung nicht enthält, ist.
4.4.2. Wenngleich im Fall einer Bildungskarenz und einer Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts keine Arbeitslosigkeit im rechtlichen Sinn (§ 12 AlVG) vorliegt, weil das Arbeitsverhältnis dem Bande nach aufrecht bleibt, so liegt doch de facto Arbeitslosigkeit vor. Der Bezug von Weiterbildungsgeld ist wie auch der Bezug von Arbeitslosengeld mit der gleichzeitigen Ausübung einer nicht bloß geringfügigen Erwerbstätigkeit (§ 12 Abs 6 lit a bis e, g AlVG) nicht verträglich. Die Bezieher von Weiterbildungsgeld sind insofern mit Arbeitslosen vergleichbar, die nach dem Willen des historischen Gesetzgebers vom Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld ausgeschlossen sein sollen. Bildungsteilzeitgeld kann aber nur bezogen werden, wenn das aus dem Arbeitsverhältnis erzielte Entgelt in einem gesetzlich definierten Zeitraum vor der Herabsetzung der Arbeitszeit und während der Bildungsteilzeit die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs 2 ASVG übersteigt. Der Bezieher dieser Leistung ist ‑ wie der Fall der Klägerin anschaulich zeigt ‑ auch nicht mit einem (rechtlich oder faktisch) Arbeitslosen zu vergleichen.
5. Wenngleich Erläuterungen einer Regierungsvorlage keine bindende Wirkung zukommt, sind sie doch eine Auslegungshilfe zum Verständnis einer Gesetzesstelle. Aus den oben in Punkt 3.4. wiedergegebenen Materialien zur Novellierung des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG erhellt, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung der negativen Anspruchsvoraussetzung arbeitslose Eltern, die in einem bestimmten Zeitraum vor der Geburt des Kindes eine Leistung bei Arbeitslosigkeit bezogen haben und zugleich in einem für die Leistung unschädlichen, bloß geringfügigen Ausmaß erwerbstätig waren, vom Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld ausschließen wollte. Nach den zu Punkt 3.4. zitierten Gesetzesmaterialien ändert nämlich die Ausübung einer geringen Erwerbstätigkeit neben dem Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung grundsätzlich nichts am Status der Arbeitslosigkeit. Auf das erst später geschaffene Bildungsteilzeitgeld trifft dieser Zweck nicht zu, denn dessen Bezieher(innen) sind nicht arbeitslos und ihr aus der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung erzieltes Entgelt muss die Geringfügigkeitsgrenze übersteigen. Während somit während des Bezugs von Weiterbildungsgeld eine Versicherung in der Kranken‑, Unfall‑ und Pensionsversicherung besteht, die aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherung bezahlt wird, besteht während des Bezugs von Bildungsteilzeitgeld schon aus der Teilzeitbeschäftigung eine Sozialversicherungspflicht, da das Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze liegen muss. Die Arbeitslosenversicherung leistet zusätzliche Beiträge (vgl Schörghofer , Bildungskarenz und Bildungsteilzeit, ZAS 2014/39, 238 [240]). Die Auslegung, der Erhalt von Bildungsteilzeitgeld in den letzten sechs Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes falle unter § 24 Abs 1 Z 2 KBGG, konfligiert auch mit dem vom Gesetzgeber mit dem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld verfolgten Zweck. Wie schon ausgeführt, setzt das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld nicht eine vollzeitige Erwerbstätigkeit des Elternteils im relevanten Zeitraum vor der Geburt des Kindes voraus. Den Anspruch zu bejahen, wenn Anspruchswerber in Teilzeit beschäftigt sind, ihn aber zu verneinen, wenn Anspruchswerber im gleichen Ausmaß teilzeitbeschäftigt sind und gleichzeitig Bildungsteilzeitgeld beziehen, wäre sachlich auch nicht zu rechtfertigen.
Sowohl die historische als auch die objektiv-teleologische Auslegung des § 24 Abs 1 Z 2 2. Halbsatz KBGG führen somit zum Ergebnis, dass das Bildungsteilzeitgeld keine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Sinn dieser Norm ist.
6. Es ist (auch im Revisionsverfahren) nicht strittig, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 Z 1, 2, 4 und 5 KBGG (§ 24 Abs 1 Z 1 KBGG) erfüllt sind. Oben (Punkt 3.2.) wurde bereits ausgeführt, dass die Anspruchshindernisse nach § 24 Abs 1 Z 3 KBGG nicht vorliegen.
7. Die Klägerin hat daher Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld für den begehrten Zeitraum (§ 24b KBGG). Dessen Höhe beträgt täglich 80 % des auf den Kalendertag entfallenden, von der Klägerin bezogenen Wochengeldes (§ 24a Abs 1 Z 1 KBGG). Während des Bezugs von Wochengeld ruht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in Höhe des Wochengeldes (§ 6 Abs 1 iVm § 24d Abs 1 KBGG).
8. Dem Klagebegehren war daher in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen wie aus dem Spruch ersichtlich stattzugeben.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a iVm§ 77 Abs 2 ASGG. Die von der Klägerin in ihrer Berufung ebenfalls verzeichneten Kosten für ihren Antrag auf Normenkontrolle gemäß Art 10 Abs 1 lit d B‑VG konnten nicht zugesprochen werden, weil der Antrag der Klägerin vom Verfassungsgerichtshof mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg inhaltlich nicht behandelt wurde und es sich daher insoweit um keine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten handelt. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung gemäß § 77 Abs 1 Z 1 ASGG unabhängig vom Verfahrensausgang selbst zu tragen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)