European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E113940
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
A* ist das außereheliche Kind von S* K* und M* F*. Der Mutter steht die alleinige Obsorge zu.
Am 18. September 2012 stellte der Vater beim Bezirksgericht Steyr den Antrag, die Obsorge für das Kind der Mutter zu entziehen und auf ihn zu übertragen. Da die Mutter schon zuvor mit dem Kind zu einer Freundin nach O* übersiedelt war, wurde das weitere Verfahren vor dem Bezirksgericht Urfahr geführt (ON 31). In der Folge stellte der Vater den weiteren Antrag auf Festlegung von Besuchskontakten. Mit Beschluss vom 25. Februar 2014 wurde er berechtigt und verpflichtet, das Kind im Rahmen einer Besuchsbegleitung zumindest alle 14 Tage für je zumindest zwei Stunden zu sehen (ON 35). Mit Beschluss vom 22. April 2015 wurde er berechtigt und verpflichtet, das Kind jeden Samstag von 13:00 Uhr bis 17:00 Uhr zu sich zu nehmen (ON 54A).
Mit 1. Juli 2014 verlegte die Mutter (samt Kind) ihren Wohnsitz nach S*. Am 12. Mai 2015 bestellte das Bezirksgericht Urfahr einen kinderpsychologischen Sachverständigen, der das schriftliche Gutachten am 4. August 2015 erstattete (ON 69; siehe auch ON 78).
Bereits mit Schriftsatz vom 31. Juli 2015 (ON 67) stellte die Mutter den Antrag, die Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Steyr zu delegieren. Kind und Mutter sowie auch der Vater seien seit geraumer Zeit dauerhaft in S* wohnhaft. Es gebe keinen örtlichen Bezug zum Gerichtsstand in Urfahr.
Der Vater sprach sich gegen eine Delegierung aus.
Am 27. Oktober 2015 legte das Bezirksgericht Urfahr den Delegierungsantrag der Mutter dem Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung vor. Im Hinblick darauf, dass das Kind und die Eltern ihren Wohnsitz in S* hätten, erscheine eine Delegierung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Steyr nicht unzweckmäßig.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz dem Delegierungsantrag der Mutter statt. Dazu sprach es aus, dass die Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Urfahr abgenommen und dem Bezirksgericht Steyr die weitere Verhandlung und Entscheidung aufgetragen werde. Sämtliche Verfahrensbeteiligte hätten ihren Lebensmittelpunkt in S*. Gründe, warum eine Delegierung dem Kindeswohl widerspreche, seien nicht ersichtlich.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Vaters mit dem (erkennbaren) Antrag, den Delegierungsantrag der Mutter abzuweisen.
Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
1. Der irrtümlich als Einspruch bezeichnete und zulässige Rekurs des Vaters (siehe dazu 10 Ob 30/14f und 4 Ob 197/12t), für den keine Anwaltspflicht besteht (Fucik/Kloiber, AußStrG § 6 Rz 1), ist nicht berechtigt.
2.1 Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Dies gilt auch für das Pflegschaftsverfahren (2 Ob 141/15x). Ausschlaggebendes Kriterium dafür ist, so wie auch im Fall der Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN, das Wohl des Kindes (3 Nc 15/10a; vgl RIS‑Justiz RS0047074). Nach ständiger Rechtsprechung wird der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am besten durch das Gericht gewährleistet, in dessen Sprengel sich das Kind gewöhnlich ständig aufhält (RIS‑Justiz RS0047300). In erster Linie kommt es auf das örtliche Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Kind an. Dafür ist der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes im Sinn eines stabilen Aufenthalts entscheidend. Offene Anträge sprechen im Allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung, sofern nicht dem übertragenden Gericht für die ausstehende Entscheidung besondere Sachkenntnis zukommt (8 Nc 44/15k).
2.2 Das örtliche Naheverhältnis spricht im Anlassfall eindeutig für die Delegierung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Steyr. Die Argumente des Vaters zielen darauf ab, dass dem Bezirksgericht Urfahr eine besondere Sachkenntnis zur Entscheidung über den Obsorgeantrag zukomme. Diese Überlegungen sind allerdings nicht stichhaltig. Das Bezirksgericht Urfahr hat sich mit dem Sachverständigengutachten samt der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen noch nicht inhaltlich auseinandergesetzt und daraus noch keine besondere Sachkenntnis gewonnen. Die relevanten Entscheidungsgrundlagen sind auch für das Bezirksgericht Steyr ohne weiteres erschließbar. Die vom Vater ins Treffen geführte Sachkenntnis des Bezirksgerichts Urfahr kann den Aspekt der räumlichen Nähe demnach nicht überwiegen. Außerdem hat am Bezirksgericht Urfahr ein Richterwechsel stattgefunden.
3. Insgesamt ist das Bezirksgericht Steyr im Interesse des Kindes besser in der Lage, die pflegschaftsgerichtlichen Agenden zu besorgen. Aus Sicht des Kindes ist die Zweckmäßigkeit der Zuständigkeitsübertragung eindeutig zu bejahen. Dem Rekurs des Vaters war daher der Erfolg zu versagen.
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