OGH 3Ob227/15a

OGH3Ob227/15a17.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** OG, *****, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ärztekammer *****, vertreten durch Mag. Helmut Kunz, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 18. September 2015, GZ 4 R 132/15g‑11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 29. Juni 2015, GZ 40 Cg 16/15b‑6, abgeändert, das bisherige Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00227.15A.0217.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts, mit dem die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verworfen wurde, wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.596,94 EUR (darin enthalten 599,49 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekurs‑ und des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Klägerin betreibt eine Vertragsgruppenpraxis für medizinisch‑chemische Labordiagnostik. Sie schloss mit einer Gebietskrankenkasse (GKK) am 29. Juni 2005 einen Einzelvertrag (EV) ab, der auf dem zwischen der beklagten Landes-Ärztekammer (ÄK) und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger mit Wirkung für die GKK abgeschlossenen Gruppenpraxis‑Gesamtvertrag (GV) basiert. Ergebnis von Honorarverhandlungen der beklagten ÄK mit der GKK für die Honorare der Fachärzte für Labormedizin im Jahr 2014 war eine Reduktion der Tarife für medizinisch‑chemische Labordiagnostik um 3,5 % mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2014.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass „der Beschluss der beklagten Partei, auf dessen Grundlage die OÖGKK für die von der klagenden Partei im Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2014 erbrachten Leistungen einen Honorarabzug im Ausmaß von ‑9,67 % vornimmt, unwirksam ist“. Bei der Beklagten bestehe für sechs niedergelassene Labors eine Fachgruppe für medizinische und chemische Labordiagnostik, deren Mitglied die Klägerin sei. Sie sei durch den Fachgruppenobmann darüber informiert worden, dass innerhalb der Fachgruppe eine interne Aufteilung der Honorarreduktion (dh innerhalb der sechs Labors) derart erfolgen würde, dass die Klägerin von den ihr zustehenden Honoraren nicht nur eine Reduktion von 3,5 % hinnehmen müsse, sondern von 9,67 %, während alle anderen Labors eine wesentlich geringere oder gar keine Reduktion tragen müssten. Der Beschluss sei rechtswidrig, weil er gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, dem auch die Beklagte als privatrechtlich agierende Körperschaft des öffentlichen Rechts unterliege, und jeder sachlichen Rechtfertigung entbehre. Die Klägerin stehe mit der Beklagten durch den EV, der eine Umsatzbegrenzung für Leistungen der Klägerin an Versicherten der GKK vorsehe, mit der GKK in einem Rechtsverhältnis, für das der bekämpfte, nunmehr verschriftlichte Beschluss der Beklagten maßgeblich sei. Nach § 5 Abs 1 des EV habe nämlich die GKK die von der Beklagten beschlossenen Honorarabzüge von 9,67 % vorzunehmen, was tatsächlich geschehe. Die paritätische Schiedskommission nach § 344 Abs 1 ASVG sei für den vorliegenden Streit nicht zuständig, weil die Beklagte nicht am EV beteiligt sei; die Klägerin habe dort auch keinen Antrag gestellt.

Die beklagte ÄK erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und weitere Einwendungen (Zulässigkeit der Honorarbegrenzung; fehlende Sachlegitimation der Beklagten allein; Unzulässigkeit der Feststellungsklage; keine Beschwer der Klägerin). Für Streitigkeiten, die in rechtlichem und tatsächlichem Zusammenhang mit einem EV, auf den die Klage Bezug nehme, stünden, bestehe die zwingende Kompetenz der paritätischen Schiedskommission. Sowohl die Kürzung der Honorare der Labormediziner als auch die Aufteilung der Kürzung auf die betroffenen Labormediziner sei eine gesamtvertragliche Vereinbarung. Die bekämpfte Honorarkürzung beruhe daher nicht auf einem Beschluss der Beklagten, sondern auf einer zwischen der Beklagten und der GKK geschlossenen rechtsgestaltenden Zusatzvereinbarung, die Teil des GV sei. Die Klägerin habe die Möglichkeit, am Willensbildungsprozess teilzunehmen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Der bekämpfte Beschluss definiere nur die Verhandlungsposition der Beklagten, sei aber nicht rechtsgestaltend. Für eine Klage, die auf ein Diktat an die Beklagte abziele, mit welcher Verhandlungsposition sie in gesamtvertragliche Verhandlungen mit der GKK zu gehen habe, seien die Zivilgerichte nicht zuständig.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs nach abgesonderter Verhandlung. Über die Wirksamkeit einzelner Bestimmungen einer Honorarordnung hätten nach der Judikatur grundsätzlich die Gerichte zu entscheiden, weil Gesamtverträge privatrechtlicher Natur seien. Die Frage der Reichweite des im § 344 ASVG angesprochenen rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhangs mit dem EV stelle sich nicht, weil der vorliegende Rechtsstreit nicht beide Parteien des EV betreffe. Aus dem Beschluss der Beklagten ergebe sich, dass es sich bei der in der Klage bekämpften Honorarkürzung um eine Konkretisierung der im GV enthaltenen Honorarordnung im Sinne einer nicht linearen Aufteilung der vereinbarten Tarifreduktion von 3,5 % handle. Dies stehe in derart engem Zusammenhang mit der gesamtvertraglichen Honorarordnung privatrechtlicher Natur, dass auch in Bezug auf die hier beanstandeten Kürzungen von 9,67 % jedenfalls ein zivilrechtlicher Anspruch anzunehmen sei. Das Erstgericht behielt die Kostenentscheidung der Endentscheidung vor, weil die Ergebnisse der vorbereitenden Tagsatzung im Hauptverfahren verwertet werden könnten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob das bisherige Verfahren als nichtig auf, wies die Klage zurück, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es verwies die Klägerin mit ihrem Kostenrekurs auf die abändernde Rekursentscheidung.

Der privatrechtliche GV werde auf Grundlage des § 341 Abs 1 ASVG vom Hauptverband und der örtlich zuständigen ÄK abgeschlossen und bedürfe der Zustimmung des jeweiligen Krankenversicherungsträgers. Für die ÄK sei die Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte mit dem Abschluss von GV betraut. Die vorliegende Klage richte sich weder gegen den GV noch würden aus dem EV Ansprüche abgeleitet. Das Klagebegehren richte sich unmissverständlich gegen einen Beschluss der Beklagten, der Ergebnis der internen Willensbildung der Beklagten als Körperschaft öffentlichen Rechts sei. Der offensichtlich gemäß § 84 Abs 4 Z 2 ÄrzteG gefasste Beschluss sei ein hoheitlicher Verwaltungsakt und könne daher von der kammerangehörigen Klägerin nicht auf dem Zivilrechtsweg bekämpft werden. Eine verfassungsrechtliche Ermächtigung zur Überprüfung oder Aufhebung von Beschlüssen einer ÄK durch die ordentlichen Gerichte sei weder in der Bundesverfassung noch einfachgesetzlich vorgesehen. Die Aufhebung von Beschlüssen der ÄK obliege vielmehr gemäß § 195 ÄrzteG der jeweiligen Landesregierung als Aufsichtsbehörde.

Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Judikatur zu einem vergleichbaren Klagesachverhalt fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne des Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Sie macht zusammengefasst geltend, sie habe weder einen Beschluss der Kurienversammlung gemäß § 84 Abs 4 Z 2 ÄrzteG noch eine Vereinbarung bekämpft, sondern ausdrücklich einen Beschluss der Fachgruppe Labormedizin. Dieser wirke sich auf ihre Rechtsposition dadurch aus, dass die GKK wegen § 5 Abs 1 des EV nur bei der Klägerin eine Honorarreduktion von 9,67 % vornehme. Die Beklagte sei auch bei der Einflussnahme auf den EV an den Gleichheitsgrundsatz gebunden und habe für einen rechtswidrigen Verstoß dagegen zivilrechtlich vor den ordentlichen Gerichten einzustehen.

Dem tritt die Beklagte in ihrer Revisionsrekursbeantwortung entgegen.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt , weil die Rechtsansicht des Rekursgerichts, für die vorliegende Klage sei der Rechtsweg unzulässig, korrekturbedürftig ist.

Rechtliche Beurteilung

1. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagesachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend. Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0045584; RS0045644). Die inhaltliche Berechtigung des vom Kläger behaupteten Anspruchs ist bei der Frage der Rechtswegzulässigkeit unerheblich, hierüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen (RIS‑Justiz RS0045491). Wird mit der Klage ein dem Privatrecht angehörender Anspruch geltend gemacht, dann ist gemäß § 1 JN, sofern nicht die Sache durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen wird, der ordentliche Rechtsweg zulässig.

2. Zunächst ist zu prüfen, ob der hier geltend gemachte Anspruch ein zivilrechtlicher ist, also eine bürgerliche Rechtssache (= Streitigkeit des Privatrechts) vorliegt, oder ob die Klägerin die Beklagte aus einem Hoheitsakt in Anspruch nimmt.

Privatrechtliche Ansprüche sind dadurch gekennzeichnet, dass gleichberechtigte Rechtssubjekte einander gegenüberstehen, während im öffentlichen Recht ein übergeordnetes Rechtssubjekt einseitige Gestaltungsakte vornehmen kann, denen das untergeordnete Rechtssubjekt unterworfen ist. Zum öffentlichen Recht gehören allerdings auch Ansprüche, denen zwar das Charakteristikum der einseitigen Rechtsunterworfenheit fehlt, die aber mit typisch öffentlich-rechtlichen Ansprüchen in so untrennbarem Zusammenhang stehen, dass auch sie dem öffentlichen Recht zugewiesen werden müssen (RIS‑Justiz RS0045438). Entscheidend ist, ob an einem rechtlichen Vorgang ein mit Hoheitsgewalt ausgestattetes Rechtssubjekt in Ausübung dieser Hoheitsgewalt beteiligt ist (RIS‑Justiz RS0045438 [T5]).

3. Da die Klägerin auch im Revisionsrekurs unverändert daran festhält, dass sie einen Beschluss der innerhalb der Beklagten eingerichteten Fachgruppe Labormedizin für unwirksam erklärt haben will, gehen die Überlegungen des Rekursgerichts (und der Beklagten im Rekurs) ins Leere, soweit sie eine Bekämpfung eines Beschlusses der Kurienversammlung der beklagten ÄK nach § 84 Abs 4 Z 2 ÄrzteG unterstellen.

4. Zur Klärung der Rechtsnatur des bekämpften Beschlusses ist auf die Organisation der beklagten ÄK einzugehen.

4.1. Mit Inkrafttreten des Ärztegesetzes 1998 wurde die Struktur der Ärztekammern durch die Einrichtung sogenannter Kurien, und zwar aktuell einer Kurie der angestellten Ärzte und einer Kurie der niedergelassenen Ärzte, neu gestaltet (§ 71 ÄrzteG). Abgesehen von den nach § 72 Abs 1 und 2 ÄrzteG vorgesehenen Sektionen der beiden Kurien gibt § 72 Abs 3 und 4 ÄrzteG den ÄK im Rahmen ihrer Satzung die Möglichkeit, weitere Untergliederungen innerhalb der Kammer zu beschließen, darunter Fachgruppen. Da diese keine Organe iSd § 73 Abs 1 ÄrzteG sind, kommt ihnen keine Entscheidungskompetenz zu. Sie können deshalb keine für die ÄK verbindlichen Beschlüsse fassen; ihre Funktion beschränkt sich somit auf die Beratung der Organe der ÄK, und darauf, die Anliegen der von ihnen vertretenen Gruppe an die Organe der ÄK heranzutragen bzw umgekehrt Informationen, die sie von diesen Organen erhalten, an die von ihnen Vertretenen weiterzugeben ( Wallner , Handbuch Ärztliches Berufsrecht [2011] 220; vgl Kux/Emberger/Neudorfer/Chlan/Mahn , Ärztegesetz³ [1988] § 43 Anm 2; vgl § 37 der Satzung der beklagten ÄK 2016 http://www.aekooe.at ).

4.2. Zu den Aufgaben der Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte gehört nach § 84 Abs 4 Z 2 ÄrzteG der Abschluss und die Lösung von Gesamtverträgen und sonstigen Vereinbarungen mit den Trägern der Sozialversicherung. Nach §§ 342 Abs 1 Z 3, 342a Abs 1 ASVG sind dazu in den Gesamtverträgen ua auch die Ansprüche der Vertragsärzte/Vertragsärztinnen und Vertrags-Gruppenpraxen auf Vergütung der ärztlichen Leistungen zu regeln; dazu zählen auch Vereinbarungen über die von den Trägern der Krankenversicherung zu bezahlenden Honorare.

5. Der bekämpfte Beschluss einer Fachgruppe der beklagten ÄK stellt also nur ein Element des Willensbildungsprozesses innerhalb des zuständigen Organs der Beklagten dar. Diesem Akt fehlt es an jeder normativen Kraft und Verbindlichkeit; er befreit das Organ auch nicht von einer eigenständigen Beurteilung. Schon diese Charakteristik des von der Klägerin angefochtenen Beschlusses verbietet es, darin einen rechtlichen Vorgang eines mit Hoheitsgewalt ausgestatteten Rechtssubjekts in Ausübung dieser Hoheitsgewalt zu erblicken.

6. Abgesehen davon wird die beklagte ÄK bei der Vorbereitung der Beschlussfassung über den Abschluss privatrechtlicher (§ 338 Abs 1 ASVG) Vereinbarungen über die Honorare niedergelassener Ärzte (also eines GV) nicht im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig.

6.1. § 65 Abs 1 ÄrzteG sieht für jedes Bundesland die Einrichtung einer Ärztekammer vor, und zwar als Körperschaft öffentlichen Rechts (§ 64 Abs 2 ÄrzteG), der jeweils die im betreffenden Bundesland tätigen Ärzte als Pflichtmitglieder angehören (§ 68 ÄrzteG). Die ÄK in den Bundesländern sind nach § 66 Abs 1 ÄrzteG ua berufen, die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Ärzte einschließlich Gruppen von Ärzten sowie von Gruppenpraxen wahrzunehmen und zu fördern. Sie sind daher nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung eingerichtete Berufs‑ und Standesvertretungen. Einem Selbstverwaltungskörper kommen sowohl hoheitliche als auch nicht hoheitliche Funktionen zu. Die Selbstverwaltung wird dann in staatlicher Funktion tätig, wenn sie Akte setzt, die in der Verfassung als typische Funktionen des Staates geregelt sind, die Akte der Selbstverwaltung daher rechtlich wie Akte des Staates wirken, indem sie von der Rechtsordnung mit Zwangswirkung ausgestattet sind. Der organisatorisch bestimmte Selbstverwaltungsbegriff ist funktionell in eine spezifisch organisierte Staatstätigkeit und eine solche gesellschaftlicher Selbstverwaltung zu differenzieren. Die Aufgaben der beruflichen Interessenvertretung gehören nicht zur Vollziehung der Gesetze im Sinne des B-VG und stehen auch mit einer derartigen Tätigkeit in keinem unmittelbaren Zusammenhang, sondern sind dem Bereich der gesellschaftlichen Selbstverwaltung zuzuordnen, die nicht zur Hoheitsverwaltung gehört (RIS‑Justiz RS0050056; 1 Ob 44/94 mwN [für eine von einer ÄK eingerichtete Schiedsstelle]; Wallner , Handbuch Ärztliches Berufsrecht [2011] 193). Auch der Abschluss des GV durch die ÄK stellt Interessenvertretung (im engeren Sinn) dar ( Kneihs/Mosler in Mosler/Müller/Pfeil , SV‑Komm § 341 ASVG Rz 11).

6.2. Die beklagte ÄK wurde somit bei der Fassung des von der Klägerin beanstandeten Beschlusses der Fachgruppe Labormedizin im Rahmen des allgemeinen, der gesellschaftlichen Selbstverwaltung zuzuordnenden Gesetzesauftrags zur Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder tätig; dies (nur) im Zuge der Vorbereitung einer für den Abschluss eines GV (oder einer Zusatzvereinbarung dazu) notwendigen Beschlussfassung durch das zuständige Organ. Dieses unverbindliche Tätigwerden als Teil eines Willensbildungsprozesses stellt weder einen Akt dar, der in der Verfassung als typische Funktion des Staates geregelt ist, noch war die beklagte ÄK in diesem Stadium der Entscheidungsfindung gesetzlich mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet, die es ihr ermöglichen würde, aus öffentlichem Interesse ein bestimmtes (Abstimmungs‑) Verhalten ihrer Mitglieder zu erzwingen.

Da der Beschluss des zuständigen Organs der beklagten ÄK von der Klägerin ausdrücklich nicht zum Gegenstand der Anfechtung gemacht wurde, ist auf dessen Qualifizierung hier nicht einzugehen.

7. Zusammenfassend ist vielmehr festzuhalten, dass der von der Klägerin angefochtene Beschluss weder an sich einen Hoheitsakt darstellt noch in untrennbarem Zusammenhang mit einer hoheitlichen Tätigkeit der Beklagten ergangen ist. Demgemäß wird mit der vorliegenden Klage ein privatrechtlicher Anspruch auf Unwirksamerklärung eines Verbandsbeschlusses verfolgt.

8. Soll eine bürgerliche Rechtssache ausnahmsweise der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte entzogen werden, dann muss dies in einem besonderen Gesetz klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden; eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, welche die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig (RIS‑Justiz RS0045474). Hier ist deshalb zu klären, ob eine solche gesetzliche Anordnung vorliegt.

8.1. Die beklagte ÄK hat in erster Instanz die Entscheidungskompetenz der paritätischen Schiedskommission nach § 344 Abs 1 ASVG geltend gemacht. Diese Norm sieht vor, dass zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem EV stehen, in jedem Land im Einzelfall eine paritätische Schiedskommission ‑ als Verwaltungsbehörde (RIS‑Justiz RS0085461) ‑ zu errichten ist. Allerdings dient das Verfahren vor der paritätischen Schiedskommission der Schlichtung und Entscheidung einzelvertraglicher Streitigkeiten zwischen den Parteien des EV (2 Ob 7/95 = SZ 70/37; § 2 Abs 1 Z 1 Schiedskommissionsverordnung [SchKV] 2014).

Da zwar die Klägerin Vertragspartnerin des EV ist, nicht jedoch die beklagte ÄK, scheidet eine Zuständigkeit der paritätischen Schiedskommission für den vorliegenden Rechtsstreit schon deshalb aus, selbst wenn ein Zusammenhang mit dem EV iSd § 344 Abs 1 ASVG nicht zu leugnen wäre.

8.2. Ebensowenig besteht eine Zuständigkeit der Landesschiedskommission nach § 345 Abs 2 Z 1 ASVG (§ 14 Abs 1 Z 1 SchKV), weil nach dem Klagevorbringen weder eine Streitigkeit über die Auslegung eines bestehenden GV noch zwischen den Parteien eines GV vorliegt.

9. Für Streitigkeiten zwischen einem Vertragsarzt (einer Vertragsgruppenpraxis) und den am EV nicht beteiligten Parteien des GV sieht das Gesetz somit keine Kommissionszuständigkeit vor (2 Ob 7/95). Das Erstgericht hat die Zulässigkeit des Rechtswegs daher zu Recht bejaht, weshalb der Beschluss, mit dem die diesbezügliche Einrede der Beklagten verworfen wurde, wiederherzustellen ist.

10. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 50 ZPO iVm § 52 Abs 1 Satz 2 und § 41 ZPO.

Zufolge Wiederherstellung dieses Beschlusses ist über den Kostenrekurs der Klägerin, mit dem sie die Honorierung ihres Schriftsatzes vom 19. Juni 2015 und der vorbereitenden Tagsatzung vom 29. Juni 2015 anstrebt, zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0036069 [T1]).

Die Beklagte ist im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rechtswegs unterlegen; sie hat der Klägerin daher deren Kosten zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0035955). Solche Kosten sind aber nur im Rechtsmittelverfahren angefallen: Zwar hat das Erstgericht in der Verhandlung am 29. Juni 2015 das Verfahren auf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs eingeschränkt; zuvor aber wurden die Schriftsätze der Parteien (darunter jener der Klägerin vom 19. Juni 2015), die ua auch Sachvorbringen enthielten, vorgetragen und damit zur Sache verhandelt. Die Prozesshandlungen dieser insgesamt halbstündigen, keinen zusätzlichen Verfahrensaufwand verursachenden Verhandlung können daher ebenso wie die Schriftsätze im fortgesetzten (Haupt‑)Verfahren verwertet werden. Ihre Kosten sind aus diesem Grund im Zwischenstreit nicht zuzusprechen (3 Ob 157/14f mwN).

Somit erweist sich der Kostenrekurs der Klägerin als erfolglos, sodass kein Anspruch auf Ersatz dessen Kosten besteht. Eine Kostenrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

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