European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00183.15P.0127.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss zu lauten hat:
„Der Antrag der klagenden Partei, der beklagten Partei zur Sicherung des klageweise erhobenen Unterlassungsanspruchs im geschäftlichen Verkehr in Österreich zu verbieten, unter Verwendung des Zeichens „Duff“ oder „Duff BEER“ oder eines anderen zur Bildmarke „Duff“, Registernummer CTM 8.351.091, verwechslungs‑ fähigen Zeichens Bier herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder anderwertig zur Kennzeichnung von Bier bzw Biere zu benützen und/oder benützen zu lassen, was insbesondere für das Vertreiben, Verkaufen und/oder Anbieten zum Verkauf bzw Vertrieb eines solchen Bieres bzw solcher Biere gilt, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 596,34 EUR bestimmten Äußerungskosten (darin 95,22 EUR USt [19 %]) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 5.815,27 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 574,27 EUR USt [19 %] und 2.318 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin produziert seit 1989 die TV‑Serie „Die Simpsons“, in der Bier mit der fiktiven Bezeichnung „Duff“ konsumiert wird. Dieses Bier wird als klassisches Durchschnittsbier für den Durchschnittsamerikaner porträtiert. Die Serie und ihre Charaktere sind fast weltweit bekannt.
Die Klägerin ist Inhaberin der am 9. Juni 2009 angemeldeten und am 26. März 2014 in den Klassen 32 (ausschließlich Bier), 35 und 41 unter CTM 8.351.091 registrierten Gemeinschaftsmarke „Duff“.
Die beklagte deutsche Gesellschaft, deren Geschäftszweig den Einzelhandel mit Waren verschiedener Art, Hauptrichtung Nahrungs‑ und Genussmittel, Getränke und Backwaren umfasst, ist unter anderem Inhaberin der deutschen Marke „Duff Beer“, die am 12. Jänner 1999 angemeldet und am 8. Juni 1999 zur Registernummer 39901100 für Bier registriert wurde. Die gegen diese Marke gerichtete Löschungsklage der Klägerin wurde mit Urteil des (deutschen) Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 2012, I ZR 135/11, rechtskräftig abgewiesen.
Die Beklagte stand mit einem österreichischen Brauereiunternehmen in Geschäftsbeziehung. Dieses braute in Österreich Bier, das es in Dosen mit der Aufschrift „Duff“ füllte und der Beklagten nach Deutschland lieferte. Die österreichische Brauerei bewarb dieses Bier im Internet und verkaufte es in der Schweiz. Die von der Klägerin gegen die österreichische Brauerei erhobenen Ansprüche sind inzwischen verglichen.
Die Beklagte brachte am 26. März 2015 gegen die Verletzungsklage der Klägerin vom 19. November 2014 Widerklage mit dem Urteilsbegehren ein, die Gemeinschaftsmarkenregistrierung CTM 8.351.091 für nichtig zu erklären.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr in Österreich unter Verwendung des Zeichens „Duff“ oder „Duff BEER“ oder eines anderen zur Klagsmarke verwechslungsfähigen Zeichens Bier herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder anderwertig zur Kennzeichnung von Bier zu benützen und/oder benützen zu lassen, was insbesondere für das Vertreiben, Verkaufen und/oder Anbieten zum Verkauf bzw Vertrieb eines solchen Bieres bzw solcher Biere gilt. Sie stützt sich hiebei auf ihr besseres Gemeinschaftsmarkenrecht.
Die Beklagte wendete zunächst die internationale Unzuständigkeit des Erstgerichts ein, weil es an einer Verletzungshandlung in Österreich fehle. Überdies komme ihr im Hinblick auf ihre ältere deutsche Marke das bessere Recht zu. Die Klagsmarke sei nicht rechtsbeständig. Durch Beendigung des mit der österreichischen Brauerei abgeschlossenen Markenlizenzvertrags im April 2014 falle die Berechtigung des auf die Klagsmarke gestützten Unterlassungsanspruchs jedenfalls weg, weil die österreichische Brauerei nur noch als Lohnabfüllerin beauftragt worden sei. Überdies sei das Sicherungsverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über den Nichtigkeitsantrag gegen die Gemeinschaftsmarke zu unterbrechen.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es bejahte seine Zuständigkeit nach Art 103 Abs 1 GMV und überdies als Prozessgericht. Die Beurteilung der Rechtsgültigkeit einer Gemeinschaftsmarke sei im Sicherungsverfahren ausgeschlossen. Verwechslungsgefahr sei gegeben, der Einwand der Verwirkung durch Duldung hingegen unberechtigt.
Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung in Ansehung des Verbots, Bier herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder anderwertig zur Kennzeichnung von Bier zu benützen und/oder benützen zu lassen, wies das Sicherungsbegehren in Ansehung des Verbots, Bier zu bewerben und/oder bewerben zu lassen hingegen ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil in der Rechtsprechung ungeklärt sei, ob die Bevorzugung des Produktionsstandorts Deutschland zu Lasten von Produktionsstandorten in anderen Mitgliedstaaten mit den Regeln des gemeinsamen Markts vereinbar sei. Im Übrigen bejahte es die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts und verwarf sämtliche Einwände der Beklagten. Die deutsche Marke der Beklagten entfalte in Österreich keine Wirkung und sei für die hier begangene Verletzungshandlung gegen die Gemeinschaftsmarke der Klägerin ohne Bedeutung. Welches sonstige ältere Recht der Erstbeklagten in Österreich zustehen solle, zeige sie selbst nicht auf. Die Klägerin verfüge überdies über ältere (Urheber‑)Rechte, sei doch die Anlehnung an ihre ‑ wenn auch fiktive ‑ Biermarke ihrer Zeichentrick‑TV‑Serie offensichtlich und habe die Beklagte auch gar nicht substanziiert bestritten, dass es bereits Mitte 1994 und damit Jahre vor ihrer Markenanmeldung zu einschlägigen Fernsehausstrahlungen im deutschen Sprachraum gekommen sei. Die Beklagte sei auch nicht etwa bloße Lohnabfüllerin, sondern verantwortliche Auftraggeberin der Eingriffe in das klägerische Markenrecht. Auch die Wiederholungsgefahr in Ansehung der Herstellung und des Vertriebs sei daher nicht weggefallen, wohl aber in Ansehung der früheren Werbemaßnahmen. Nur insoweit sei von einem deutlichen Sinneswandel der Beklagten auszugehen. Auch der Verwirkungseinwand schlage nicht durch, weil nur die Benützung einer jüngeren Gemeinschaftsmarke im Fall der Duldung eine solche Wirkung haben könne.
Der Revisionsrekurs der Beklagten, mit dem sie die Abweisung des klägerischen Sicherungsbegehrens anstrebt, ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts ist nicht nichtig. Ein den angezogenen Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO begründender Widerspruch im Spruch der angefochtenen Entscheidung liegt nur vor, wenn einzelne Aussprüche innerhalb des Spruchs der Entscheidung einander logisch ausschließen (RIS‑Justiz RS0042171). Nur der Widerspruch im Spruch selbst begründet Nichtigkeit, nicht aber eine allenfalls mangelhafte Begründung (RIS‑Justiz RS0042133; RS0042171 [T2]). Eine derartige Widersprüchlichkeit vermag die Revisionsrekurswerberin nicht aufzuzeigen.
2. Die Vorinstanzen haben die internationale Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts für das Sicherungsverfahren übereinstimmend bejaht. Daran ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 42 Abs 3 JN iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gebunden. Die erweiterte Rechtsmittelzulässigkeit nach § 402 Abs 1 EO bezieht sich nur auf die Sachentscheidung; sie führt nicht dazu, dass übereinstimmende Entscheidungen über das Vorliegen der (internationalen) Zuständigkeit anfechtbar würden (4 Ob 202/06v mwN; RIS‑Justiz RS0097225).
3. Die Beklagte beruft sich auf die Priorität ihrer deutschen ebenfalls für Bier registrierten Marke. Sie erhebt damit in der Sache den Einwand, dass die Gemeinschaftsmarke wegen eines älteren Rechts der Beklagten für nichtig erklärt werden könnte (Art 99 Abs 3 der Verordnung (EG) Nr 207/209 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke = GMV). Dieser Einwand ist auch im Sicherungsverfahren zulässig (17 Ob 22/07w ‑ Personal‑Shop; 4 Ob 239/04g ‑ Goldhase).
Ob ein älteres Recht vorliegt, ist nach Art 8 GMV zu prüfen. Die Beklagte beruft sich auf die Priorität ihrer deutschen Marke „Duff Beer“, angemeldet am 12. Jänner 1999, registriert am 8. Juni 1999. Das Berufungsgericht geht offensichtlich von der Zulässigkeit des Einwands des älteren Rechts im Sicherungsverfahren aus, verwirft diesen Einwand aber mit der Begründung, nur bessere Rechte mit Wirkung für das Inland böten eine taugliche Grundlage einer Einrede. Die von der Beklagten ins Treffen geführte deutsche Marke entfalte in Österreich keine Wirkungen; die Klägerin begehre aber die Unterlassung von Verletzungshandlungen gegen die Gemeinschaftsmarke nur für Österreich.
Aus der Einheitlichkeit der Gemeinschaftsmarke und daraus, dass der Einwand des älteren Rechts sich nicht gegen die möglicherweise geografisch beschränkten Ansprüche als solche wendet, sondern darauf abzielt, dass die Gemeinschaftsmarke wegen eines älteren Rechts für nichtig erklärt werden könnte, folgt, dass der Verletzungsklage im Wege des Einwands nach Art 99 Abs 3 GMV gleichwohl ein älteres Recht entgegen gehalten werden kann, das nicht in dem von der Verletzungsklage einbezogenen Mitgliedstaat belegen ist ( Grüger in Beck'scher Online-Kommentar MarkenR Art 99 GMV Rn 17; ebenso schon Knaak , Die Rechtsdurchsetzung der Gemeinschaftsmarke und der älteren nationalen Rechte, GRUR Int 1997, 864, 868f; siehe zum territorialen Bezug der Eintragungshindernisse auch Marx , Deutsches, europäisches und internationales Markenrecht 2 Rn 1190; aA Eisenführ/Overhage in Eisenführ/Schennen GMV 4 Art 99 Rn 11).
Das Einheitlichkeitsprinzip der GMV verlangt, dass die Gemeinschaftsmarke ein in allen Mitgliedstaaten geltendes Recht ist, dem als relatives Eintragungshindernis alle älteren nationalen Marken und sonstigen Kennzeichenrechte von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung entgegengehalten werden können. Die Durchsetzbarkeit der Rechte aus der Gemeinschaftsmarke hängt davon ab, dass solche älteren nationalen Rechte nicht entgegengehalten werden können. Diesem allgemeinen Grundsatz muss auch in einem Verletzungsverfahren vor einem nach Art 93 Abs 5 GMV international zuständigen Gericht Rechnung getragen werden. Ein Gemeinschaftsmarkengericht mit nach Art 94 Abs 2 GMV territorial beschränkter Kompetenz muss deswegen auf entsprechenden Nichtigkeitseinwand auch die Wirkungen älterer Rechte anderer Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaftsmarke prüfen ( Knaak , Die Rechtsdurchsetzung der Gemeinschaftsmarke und der älteren nationalen Rechte, GRUR Int 1997, 864, 868f).
Dass die ältere deutsche Marke auch den nur für Österreich auf die jüngere Gemeinschaftsmarke gestützten Unterlassungsansprüchen entgegen gehalten werden kann, steht die Möglichkeit der Umwandlung in eine nationale Marke im Sinn des Art 112 Abs 1 GMV nicht entgegen. Die ältere deutsche Marke stünde zwar der neuen österreichischen nicht entgegen (e contrario Art 112 Abs 2 lit b GMV), die anstelle der für nichtig erklärten Gemeinschaftsmarke über Antrag der Klägerin einzutragende österreichische Marke hätte gemäß Art 112 Abs 3 GMV auch die Priorität der Gemeinschaftsmarke, die österreichische Marke entstünde aber nicht rückwirkend wie die mit Wirkung ex tunc für nichtig erklärte Gemeinschaftsmarke, sondern gemäß § 2 Abs 1 MSchG erst mit ihrer Registrierung. Selbst wenn die Gemeinschaftsmarke und die im Wege der Umwandlung entstandene nationale Marke als dasselbe materielle Schutzrecht anzusehen sein sollten, entsteht das nach Löschung der Eintragung der Gemeinschaftsmarke allein noch in Betracht kommende Schutzrecht aus der nationalen Marke erst durch die Eintragung dieser Marke (vgl für eine deutsche Marke: BGH, I ZR 15/14 ‑ amplidect mwN).
Da die klägerische Gemeinschaftsmarke aufgrund der prioritätsälteren deutschen Marke der Beklagten mit Wirkung ex tunc für nichtig erklärt werden könnte, vermag sie die erhobenen Unterlassungsansprüche nicht zu tragen. Die Ansprüche können auch nicht auf die allenfalls an ihre Stelle tretende, aber erst auf Antrag der Klägerin in der Zukunft einzutragende und daher noch nicht wirksame österreichische Marke gestützt werden.
Auf gegenüber der deutschen Marke der Beklagten prioritätsältere Kennzeichen‑ oder Urheberrechte hat sich die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht gestützt. Auf darauf allenfalls ableitbare Konsequenzen zur Widerlegung des von der Beklagten erhobenen Einwands des älteren Rechts, etwa im Sinn der Ausführungen des Rekursgerichts und der darauf aufbauenden Überlegungen der Revisionsrekurswerberin ist daher nicht einzugehen.
4. Da die Beklagte bereits mit dem Einwand des Bestehens eines älteren Rechts iSd Art 99 Abs 3 GMV die von der Klägerin auf ihre Gemeinschaftsmarke gestützten Ansprüche erfolgreich abwehren kann, braucht auf die weiteren von den Vorinstanzen abgelehnten, von der Beklagten aber auch in dritter Instanz weiter verfolgten Einwendungen gegen das klägerische Sicherungsbegehren nicht eingegangen zu werden.
Das klägerische Sicherungsbegehren ist vielmehr zur Gänze abzuweisen.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Sicherungsverfahrens beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm § 41, 50 ZPO. Da die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hat, ist bei den begehrten Rechtsanwaltskosten Umsatzsteuer lediglich in Höhe der in Deutschland zu entrichteten Umsatzsteuer zuzusprechen (RIS‑Justiz RS0114955).
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