OGH 5Ob129/15d

OGH5Ob129/15d25.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** K*****, vertreten durch die Burghofer Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Andrea Willmitzer, Rechtsanwältin in Leobersdorf, wegen Unterlassung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 22. April 2015, AZ 58 R 2/15i‑30, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 17. November 2014, AZ 7 Cg 1497/13m‑25, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00129.15D.0125.000

 

Spruch:

Aus

Anlass der Revision werden die Entscheidungen der Vorinstanzen und das vorangegangene Verfahren ab Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes als nichtig

aufgehoben.

Die Rechtssache wird in das außerstreitige Verfahren verwiesen.

Die bisherigen Verfahrenskosten werden gegenseitig aufgehoben.

 

Begründung:

Der Kläger ist einer der Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** mit der Wohnhausanlage L*****straße *****; die Beklagte ist deren Verwalterin.

Mit dem in der Eigentümerversammlung vom 13. 10. 2005 gefassten Beschluss erhielt die Beklagte als Verwalterin die Weisung der Eigentümergemeinschaft, dass Aufträge ohne vorherige Beschlussfassung nur bis 3.500 EUR erteilt werden können. Aufträge die über diesem Betrag liegen, dürfen nur nach Vorliegen eines gültigen Beschlusses erteilt werden.

In den Gebäudeteilen Stiegen I bis IV traten im Bereich der Stiegenhausverglasungen seit mehreren Jahren Wasserschäden auf. Die Beklagte wurde von verschiedenen Eigentümern wiederholt zum Austausch der Fenster aufgefordert und hält diesen aufgrund eines drohenden ernsten Schadens an der Substanz des Hauses auch für unbedingt erforderlich. Nach Einholung mehrerer Angebote hat sie an den Bestbieter den Auftrag zum Austausch der Stiegenhausfenster für 26.162 EUR (exklusive USt) erteilt.

Der Kläger begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, „die Umbauarbeiten an den Fenstern, die sich in den Stiegenhäusern der Häuser 1 bis 4 befinden, zu unterlassen“. Die Beklagte dürfe ohne gültigen Beschluss der Eigentümergemeinschaft keine Aufträge an Professionisten über 3.500 EUR erteilen. Trotz Fehlens eines solchen Beschlusses habe die Beklagte ein Unternehmen damit beauftragt, neue Kunststoff-Fenster in den Stiegenhäusern der Häuser 1‑4 zu errichten. Dabei handle es sich um keine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, weil der Einbau neuer Fenster nicht notwendig sei. Aber selbst in Fällen der ordentlichen Verwaltung müsse der Verwalter generellen Direktiven und individuellen Weisungen der Mehrheit Folge leisten. Ein ernster Schaden würde durch die Belassung der Fenster nicht entstehen. Der Kläger sei als Wohnungseigentümer (alleine) legitimiert, petitorische Rechtsschutzansprüche wie das vorliegende Unterlassungsbegehren geltend zu machen.

Die Beklagte bestritt und beantragte die Klagsabweisung. Auftraggeber der zu unterlassenden Arbeiten sei die Eigentümergemeinschaft, der Beklagte sei daher nicht passiv legitimiert. Ein Verwalter sei zur Erneuerung von schadhaften Außenfenstern als Maßnahme der Erhaltung autonom zuständig und könne und müsse ohne vorherigen Beschluss der Eigentümergemeinschaft handeln. Im Hinblick auf die zunehmenden Wassereintritte im Bereich der Stiegenhausfenster bestehe dringender Handlungsbedarf, sodass die Beklagte als Verwalterin nach § 20 WEG, unabhängig davon, ob ein allfälliger gegenteiliger Beschluss bestehe, berechtigt und verpflichtet sei, die notwendigen Maßnahmen zu setzen. Gesetzwidrige Weisungen seitens der Mehrheit der Eigentümer seien von der Verwalterin nicht zu befolgen. Handle es sich um einen ernsten Schaden des Hauses, bestehe eine absolute Behebungspflicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die festgestellten Schäden an den Außenfenstern und Feuchtigkeitsschäden infolge ständigen Wassereintritts würden ernste Schäden des Hauses darstellen, deren Behebung zur ordnungsgemäßen Erhaltung der Liegenschaft gehöre. Diese müsse der Verwalter auch ohne vorhergehende Beschlussfassung durch die Eigentümergemeinschaft nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen eigenständig setzen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und änderte das angefochtene Urteil ab. Es erkannte die Beklagte schuldig, „den Fenstertausch in den Stiegenhäusern der Häuser 1 bis 4 der EZ ***** Grundbuch ***** mit der Grundstücksadresse *****, mit dem die E***** Ges.m.b.H. beauftragt wurde, zu unterlassen“. Die Beklagte sei als Auftraggeberin des Fenstertausches passiv legitimiert. Die geplante Erneuerung der schadhaften Außenfenster gehöre als Maßnahme der Erhaltung im Sinne des § 28 Abs 1 Z 1, 3 WEG zur ordentlichen Verwaltung. Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung könne und müsse der Verwalter zwar auch ohne Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen eigenständig setzen. Allerdings habe der Verwalter auch in diesen Fällen generellen Direktiven und individuellen Weisungen der Mehrheit Folge zu leisten. Die Grenze bildeten lediglich offensichtlich gesetzwidrige Mehrheitsbeschlüsse. Die generelle Direktive, dass die Beklagte Aufträge ohne vorherige Beschlussfassung nur bis 3.500 EUR erteilen dürfe, sei nicht als gesetzwidrige Weisung zu qualifizieren; sie stelle vielmehr ein probates Mittel für die Eigentümergemeinschaft zur Vorwegkontrolle für Ausgaben ab einer bestimmten Größenordnung dar. Die Beklagte sei daher an diese - nicht gesetzwidrige - Direktive gebunden. Zwar sei ein Verwalter grundsätzlich gehalten, bei Gefahr in Verzug die notwendigen Maßnahmen zu setzen, „Gefahr im Verzug“ sei nach den erstgerichtlichen Annahmen aber zu verneinen. Das angefochtene Urteil sei daher im klagsstattgebenden Sinn abzuändern und dem Urteilsbegehren dabei eine eindeutige Fassung zu geben gewesen.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR nicht aber 30.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Der Frage, ob ein Verwalter auch bei (drohenden) Substanzschäden an generelle Direktiven der Eigentümergemeinschaft gebunden ist, komme über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt dessen Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des die Klage abweisenden Urteils des Erstgerichts. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung,die Revision zurückzuweisen, hilfsweise diese abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Aus

Anlass der Revision der Beklagten ist die

Unzulässigkeit des streitigen

Rechtswegs aufzugreifen.

1. Die Vorinstanzen haben die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs weder im Spruch noch in den Entscheidungsgründen behandelt, weshalb dem Obersten Gerichtshof die Prüfung dieses Prozesshindernisses nicht verwehrt ist (vgl RIS‑Justiz RS0114196 [T8]; RS0039774 [T21]).

2. In welchem Verfahren eine Rechtssachezu behandeln ist, richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und dem Parteivorbringen (§ 40a JN). Maßgebend für die Bestimmung der Art des Rechtswegs sind also der Wortlaut des Begehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen der verfahrenseinleitenden Partei (RIS-Justiz RS0005896, RS0013639, RS0005861). Im Zweifel gehören alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Prozessweg (RIS‑Justiz RS0012214).

3. Nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG entscheidet über Anträge zur

Durchsetzung der Pflichten des Verwalters (§§ 20 Abs 1 bis 7, 31 Abs 3 WEG) ‑ mit Ausnahme der Herabsetzung des Entgelts ‑ das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Liegenschaft gelegen ist, im Verfahren außer Streitsachen.Gemäß Satz 1 des in diesem Kompetenztatbestand ausdrücklich genannten § 20 Abs 1 WEG gehört es zu den Pflichten des Verwalters, die gemeinschaftsbezogenen Interessen aller Wohnungseigentümer zu wahren und Weisungen der Mehrheit der Wohnungseigentümer zu befolgen, soweit diese nicht gesetzwidrig sind.

4. Der Kläger begehrt von der Verwalterin die Unterlassung einer ganz konkreten Verwaltungsmaßnahme und begründet dies damit, dass die Maßnahme nicht nur nicht notwendig sei, die Beklagte verstoße vor allem auch gegen eine Weisung der Mehrheit der Wohnungseigentümer. Rechtsgrund des behaupteten Unterlassungsanspruchs ist demnach die Verletzung der in § 20 Abs 1 WEG normierten Pflicht zur Wahrung der Interessen aller Wohnungseigentümer und zur Befolgung nicht gesetzwidriger Weisungen; dessen Geltendmachung dient der Durchsetzung eben dieser Pflicht. Der Kläger verweist zwar in der Klage auf die Aktivlegitimation des einzelnen Wohnungseigentümers zur Durchsetzung „petitorischer“ Rechtsschutzansprüche. Ein Vorbringen, aus dem ‑ losgelöst von der behaupteten Weisungswidrigkeit ‑ ein rechtswidriger Eingriff in seine Rechte (oder auch nur Anhaltspunkte dafür) abgeleitet werden könnten, erstattete der Kläger freilich nicht.

5. Der geltend gemachte Anspruch ist daher im Außerstreitverfahren zu behandeln. Damit ist allerdings nichts darüber gesagt, ob der Kläger in diesem Außerstreitverfahren zur Durchsetzung der in § 20 Abs 1 Satz 1 WEG normierten Verpflichtungen des Verwalters tatsächlich legitimiert ist (vgl RIS-Justiz

RS0123164, RS0083438 [T1, T5, T7]). Fragen der Sachlegitimation und der Schlüssigkeit des Rechtsschutzbegehrens haben mit der zulässigen Verfahrensart nichts zu tun. Diese Voraussetzungen für die Begründetheit des Begehrens sind in diesem Verfahrensstadium nicht zu prüfen (RIS‑Justiz RS0079246 [T2]).

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 51 Abs 2 ZPO. Die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs war weder Thema der Rechtsmittelschriftsätze der Parteien, noch des aufgehobenen Verfahrens. Im Zusammenhang mit der Durchsetzung der sich aus § 20 Abs 1 WEG ergebenden Pflichten des Verwalters lag auch noch keine Rechtsprechung vor. Die bisherigen Verfahrenskosten waren daher mangels alleinigen Verschuldens einer der Parteien gegenseitig aufzuheben (Fucik in Rechberger, ZPO4 § 51 ZPO Rz 4).

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