OGH 11Os137/15d

OGH11Os137/15d12.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zabl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hans-Dieter S***** wegen des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach §§ 15, 102 Abs 1 StGB über die Anträge des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens AZ 9 Hv 148/14v des Landesgerichts St. Pölten sowie Beigebung und Bestellung eines (anderen als des bisherigen) Verfahrenshilfeverteidigers nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00137.15D.0112.000

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Geschworenengericht vom 29. April 2015, GZ 9 Hv 148/14v‑56, wurde Hans-Dieter S***** des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach §§ 15, 102 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

In seiner Eingabe vom 22. September 2015 (ON 68; vgl auch die dazu eingebrachte „Ergänzung“ vom 1. Oktober 2015) beantragt er die Erneuerung jenes Strafverfahrens (ersichtlich gemeint:) analog § 363a StPO sowie „umfassende VH zur Erstellung“ dieses (zugleich aber schon erhobenen) Antrags.

Die Eingabe ist entgegen der zwingenden Anordnung des § 363b Abs 2 Z 1 StPO nicht von einem Verteidiger (im Sinn des § 48 Abs 1 Z 5 StPO) unterschrieben, weshalb der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens ohne meritorische Prüfung zurückzuweisen war.

Im Übrigen ist aus den Verfahrensakten festzuhalten, dass der Verurteilte nach Rücksprache mit seiner Verteidigerin ‑ deren Beratung er insoweit unbeanstandet lässt ‑ ausdrücklich auf (ordentliche) Rechtsmittel gegen das zugrunde liegende Urteil verzichtet hat (ON 55 S 43 der Hv‑Akten). Der Erneuerungsantrag wäre daher ‑ unabhängig vom Fehlen der Unterschrift eines Verteidigers ‑ bereits mangels (vertikaler) Ausschöpfung des Instanzenzugs im Sinn des Art 35 Abs 1 MRK unzulässig (RIS-Justiz RS0122737 [T2, T13]) und damit offenbar aussichtslos.

Soweit (erkennbar) die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zur Einbringung eines ‑ dem Formerfordernis des § 363b Abs 2 Z 1 StPO entsprechenden ‑ Erneuerungsantrags begehrt wird, könnte einem darauf gerichteten Antrag (isoliert betrachtet) schon aus diesem formalen Grund kein Erfolg beschieden sein (RIS‑Justiz RS0127077).

Vorliegend ist dieser Antrag aber ohnehin gegenstandslos, weil der Verurteilte für die angestrebte Rechtsverfolgung ‑ unabhängig von deren Erfolgsaussicht ‑ bereits Verfahrenshilfe genießt:

Mit Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts St. Pölten vom 15. Juli 2014 (ON 1 S 3 der Hv-Akten) wurde dem jetzigen Antragsteller ein Verfahrenshilfeverteidiger gemäß § 61 Abs 2 StPO beigegeben. Diese Beigebung gilt ‑ da das Gericht nichts anderes anordnete und sie nicht gemäß § 62 Abs 4 StPO erloschen ist ‑ auch noch für ein Verfahren aufgrund eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 61 Abs 4 StPO).

Soweit er ‑ mit Blick auf die vom Verurteilten vorgebrachte Kritik an der Qualität seiner Verteidigung im Hauptverfahren ‑ auf einen Wechsel in der Person des Verfahrenshelfers abzielt, war der Antrag zurückzuweisen, weil die Bestellung von Rechtsanwälten zur Verfahrenshilfe nicht in die Zuständigkeit der Strafgerichte fällt (§ 45 Abs 1, Abs 4 RAO; vgl RIS-Justiz RS0072356; Achammer, WK-StPO § 62 Rz 7 ff, insbesondere Rz 14).

Über die unter einem erhobenen Anträge des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens und Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers (für das darauf bezogene Verfahren) wird das Erstgericht zu befinden haben.

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