OGH 5Ob244/15s

OGH5Ob244/15s21.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen I*****, geboren am *****, wegen vorläufiger Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter A*****, vertreten durch Mag. Marcus Essl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 2. November 2015, GZ 15 R 393/15t‑125, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00244.15S.1221.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage der Obsorgeübertragung und der Erlassung einer vorläufigen Maßnahme hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG, es sei denn, dass bei dieser Entscheidung das Wohl der Minderjährigen nicht ausreichend bedacht wurde (stRsp RIS‑Justiz RS0007101). Das ist hier nicht der Fall.

2. § 107 Abs 2 AußStrG idF des KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15, erlaubt eine vorläufige Obsorgeentscheidung nach Maßgabe des Kindeswohls. Entgegen der Ansicht der Mutter kommt es auf eine akute Gefährdung des Kindeswohls nicht mehr an (Kindeswohlförderung statt bisheriger Gefahrenabwehr; RIS‑Justiz RS0129538; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 107 Rz 38).

3. Die Obsorge für die Minderjährige wurde im Jänner 2015 rechtskräftig (eingeschränkt) vorläufig der Mutter entzogen und dem Kinder‑ und Jugendhilfeträger übertragen. Bei der Minderjährigen wurden Verhaltensauffälligkeiten festgestellt, die dringend in einem stationären Setting diagnostisch abgeklärt werden müssten. Die Mutter kündigte im März 2015 über ihren Anwalt die Zusammenarbeit mit der Sozialpädagogischen Familienhilfe sowie der Kinder‑ und Jugendhilfe auf. Die für den Frühsommer 2015 geplante stationäre Aufnahme des Kindes in eine Kinderklinik lehnte sie ab, auch nachdem ihr die klinische Psychologin erklärt hatte, dass eine Abklärung nicht wie von der Mutter gewünscht ambulant, sondern nur stationär möglich sei. Ein Aufenthalt in der Klinik ist nach der Einschätzung der klinischen Psychologin nur bei Kooperationsbereitschaft der Mutter sinnvoll.

4. Das Rekursgericht ging aufgrund der festgestellten Verhaltensauffälligkeiten, der Notwendigkeit des Klinikaufenthalts und der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Mutter davon aus, dass die Erziehungskompetenz der Mutter nicht intakt ist und sie das Wohl des Kindes nicht in den Vordergrund stelle. Die nunmehr angeordnete uneingeschränkte vorläufige Übertragung der Obsorge an den Kinder‑ und Jugendhilfeträger hielt es für erforderlich, um Klarheit zu schaffen und das Wohl des Kindes zu fördern, indem in einem unbeeinflussten Umfeld die weitere Vorgehensweise bei der (diagnostischen) Abklärung geprüft werde. Der anhaltende Widerstand des Kindes gegenüber dem Vater und die fehlenden Kontakte in der Vergangenheit mache dessen Betrauung mit der Obsorge vor einer weiteren Abklärung jedoch unmöglich. Diese Einschätzung begründet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Eine besondere Bereitschaft der Mutter, den nach den Feststellungen notwendigen Klinikaufenthalt zu ermöglichen, ist den Argumenten der Mutter im Revisionsrekurs nicht zu entnehmen, wenn sie auf die mögliche Traumatisierung durch eine „Zwangseinweisung“ abstellt.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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