OGH 2Ob224/15b

OGH2Ob224/15b16.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des L***** O***** W*****, und der A***** E***** W*****, beide vertreten durch Dr. Christoph Völkl, Notar in Wien als Kollisionskurator, dieser vertreten durch Kerres Rechtsanwalts GmbH in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Kinder gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Oktober 2015, GZ 45 R 353/15t‑97, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00224.15B.1216.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Vater von L***** O***** und A***** E***** W***** hatte am ***** 2012 ‑ fünf Tage vor seinem Tod ‑ eine Privatstiftung errichtet und ihr einen großen Teil seines Vermögens zugewendet. Die Kinder begehren nun, vertreten durch einen Kollisionskurator, die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einer auf § 951 ABGB gestützten Klage gegen die Stiftung. Dem Klagebegehren legen sie den aktuellen Wert jener (beweglichen) Sachen zugrunde, die ihr Vater der Stiftung zugewendet hatte. Dieser Wert hat sich seit dem Tod deutlich erhöht.

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag unter anderem deswegen ab, weil für die Berechnung des Schenkungspflichtteils der Wert der geschenkten Sachen im Zeitpunkt des Erbanfalls maßgebend sei. § 786 ABGB, aus dem sich die Relevanz von Wertänderungen bis zur „wirklichen Zuteilung“ des Pflichtteils ergebe, sei nur bei der Ermittlung des Nachlasspflichtteils anzuwenden. Daher liege eine Überklagung vor, die wegen des damit verbundenen Kostenrisikos einer Genehmigung entgegenstehe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Kinder macht ausschließlich geltend, dass § 786 ABGB auch bei der Bemessung des Schenkungspflichtteils anzuwenden sei. Damit zeigt er aber keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Die Gemeinschaftsfiktion des § 786 ABGB setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass sich das betreffende Vermögen im Zeitpunkt des Erbanfalls noch im Vermögen des Erblassers befand. Sie gilt daher nicht für vom Erblasser zu Lebzeiten verschenktes ‑ hier in eine Stiftung eingebrachtes ‑ Vermögen, das für die Bemessung des Schenkungspflichtteils in Anschlag zu bringen ist (6 Ob 109/03b mwN). Während also bei der Berechnung des Nachlasspflichtteils Werterhöhungen bis zur wirklichen Zuteilung im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen sind, kommt es bei der Ermittlung des Schenkungspflichtteils auf den Wert zur Zeit des Erbanfalls ohne Bedachtnahme auf spätere Werterhöhungen an (8 Ob 518/83, SZ 57/90; RIS-Justiz RS0012922; zuletzt etwa 9 Ob 82/10i und 2 Ob 65/12s). Soweit sich der Revisionsrekurs ‑ wie schon im Rekurs ON 91 ‑ auf eine angeblich abweichende Meinung von Bittner/Hawel (in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.02 § 794 Rz 1) stützt, ist er darauf hinzuweisen, dass (auch) diese Autoren für eine Bewertung zum Todestag eintreten.

Damit kann offen bleiben, ob der Klagegenehmigung auch die inzwischen getroffene Vereinbarung zwischen den Kindern und der Stiftung entgegensteht, wonach die Stiftung den Anspruch dem Grunde nach anerkennt und (anscheinend abweichend von der Rechtsfolge des § 1497 ABGB) bis zum 31. Dezember 2016 auf den Einwand der Verjährung verzichtet, die Kinder wegen „erfolgversprechender Vergleichsgespräche“ bis zum 31. Oktober 2016 keine Klage einbringen werden („Stillhaltevereinbarung“) und der Anspruch in einer näher dargestellten Weise durch Übergabe von Sachen ‑ also gerade nicht durch die mit der Klage angestrebte Geldzahlung ‑ erfüllt werden soll.

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