OGH 4Ob238/15a

OGH4Ob238/15a15.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** H*****, vertreten durch Dr. Siegfried Rack und Mag. Gottfried Tazol, Rechtsanwälte in Völkermarkt, gegen die beklagten Parteien 1. L***** R*****, 2. S***** R*****, vertreten durch Dr. Franz Grauf und Dr. Bojan Vigele, Rechtsanwälte in Völkermarkt, wegen Unterlassung und Beseitigung, aus Anlass der Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 28. September 2015, GZ 1 R 279/14w‑73, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 30. Oktober 2014, GZ 2 C 942/09x‑67, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00238.15A.1215.000

 

Spruch:

Die Akten werden dem Berufungsgericht zurückgestellt.

Begründung

Der klagende Liegenschaftseigentümer machte mit Eigentumsfreiheitsklage gegenüber den beklagten Nachbarn zuletzt ein zweigliedriges Beseitigungsbegehren (Punkt 1) und ein dreigliedriges Unterlassungsbegehren (Punkt 2) geltend.

Zwischen den Streitteilen ist der Grenzverlauf strittig.

Mit seinem Beseitigungsbegehren beantragte der Kläger die Entfernung des auf seinen Grundstücken errichteten Stacheldrahtzauns (Begehren 1a) und von Ästen der von den Beklagten südlich des Zauns beschnittenen Fichtenbäumen (Begehren 1b). Er bewertete die beiden Begehren jeweils mit 1.000 EUR.

Mit seinem Unterlassungsbegehren begehrte der Kläger, den Beklagten zu verbieten, auf bestimmten Bereichen seiner Grundstücke Vieh weiden zu lassen (Begehren 2a, 1. Fall) sowie Bäume und Sträucher zu fällen (Begehren 2a, 2. Fall), Bäume durch Annageln von Zaunteilen zu beschädigen (Begehren 2b, 1. Fall) und ‑ soweit dies nicht nach § 422 ABGB gerechtfertigt ist ‑ Äste der Bäume abzuschneiden (Begehren 2b, 2. Fall) und schließlich Äste und Strauchwerk abzulagern (Begehren 2c). Die Begehren 2a (insgesamt) und 2c wurden jeweils mit 1.000 EUR bewertet, jenes zu 2b (insgesamt) mit 4.000 EUR, das gesamte Unterlassungsbegehren mit 6.000 EUR.

Der Kläger brachte dazu im Wesentlichen vor, die Beklagten hätten auf seinem Grund einen Grenzzaun errichtet und diesen an seinen Bäumen befestigt, welche dadurch beschädigt worden seien. Weiters hätten sie ‑ teilweise weitergehend, als § 422 ABGB erlaube ‑ Überhangsäste abgeschnitten und über die Grenze auf sein Grundstück geworfen. Schließlich hätten die Beklagten auf seinen Grundstücken Vieh weiden lassen und Bäume gefällt.

Das Erstgericht wies die Klage zur Gänze ab.

Das Berufungsgericht änderte in teilweiser Stattgebung der Berufung des Klägers das Ersturteil dahin ab, dass es dem Beseitigungsbegehren zur Gänze und dem Unterlassungsbegehren in den Punkten 2b und 2c stattgab. Weiters gab es dem Unterlassungsbegehren auch zu 2a, 2. Fall (Fällen der Bäume und Sträucher) in einem räumlich beschränkteren Umfang statt. Die Abweisung des restlichen Unterlassungsbegehrens 2a (Unterlassung der Beweidung sowie des Fällens der Bäume und Sträucher im übrigen Bereich) erwuchs in Rechtskraft. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die dagegen erhobene Revision der Beklagten kommt (derzeit) nicht in Betracht, weil die Zulässigkeit der Revision noch nicht abschließend beurteilt werden kann.

Das Berufungsgericht hat nur eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands insgesamt vorgenommen, ohne die mit Klagehäufung geltend gemachten Ansprüche einzeln zu bewerten. Eine solche Vorgangsweise wäre nur dann zutreffend, wenn die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 JN stünden.

Das ist jedoch nicht der Fall:

Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn allen Ansprüchen derselbe Klagsgrund zugrunde liegt und keiner der Ansprüche die Behauptung eines ergänzenden Sachverhalts erfordert (RIS‑Justiz RS0037899 [T3]). Ein rechtlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag bzw einem einheitlichen Rechtsgeschäft oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden (RIS‑Justiz RS0037899 [T3]; 5 Ob 169/13h). Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht demgegenüber nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RIS‑Justiz RS0037899).

Nach der Rechtsprechung stehen mehrere Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die sich auf verschiedene Eingriffshandlungen des Beklagten stützen, nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN (RIS‑Justiz RS0037899 [T2]; RS0110012; 1 Ob 113/14w ua; ebenso zur actio confessoria 3 Ob 276/08x). Der Zusammenhang liegt auch dann nicht vor, wenn einzelne, voneinander unabhängige Störungshandlungen verschiedene körperliche Teile der Liegenschaft betreffen, auch wenn diese in einer physischen Nähe zueinander stehen (6 Ob 79/98f; 6 Ob 80/98b; zuletzt 4 Ob 96/15v). Daran ändert auch nichts der Umstand, dass den Begehren teilweise dieselbe Vorfrage (Grenzverlauf) zugrunde liegen (vgl RIS-Justiz RS0035355). In einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, es findet also keine Zusammenrechnung statt.

Im Revisionsverfahren sind drei voneinander unabhängige Störungshandlungen allenfalls noch zu prüfen. Vom Vorwurf, die Beklagten hätten auf den Grundstücken des Klägers einen Zaun errichtet und dabei sein Eigentum beschädigt ist aber die Frage zu trennen, ob die Beklagten ‑ über die Norm des § 422 ABGB hinaus ‑ berechtigt sind, Äste abzuschneiden oder abzulagern. Das trifft auch für den Vorwurf zu, dass die Beklagten Bäume und Sträucher zu Unrecht gefällt hätten.

Für die Klärung dieser Fragen bedarf es jeweils anderer Sachverhaltselemente, zumal sich die relevierten Störungshandlungen sachlich (Störungsart) und örtlich (Störungsort) unterscheiden. Ein tatsächlicher Zusammenhang ist dabei ebenso zu verneinen wie ein rechtlicher Zusammenhang, weil Letzterer nicht schon allein deshalb vorliegt, wenn sich die Unterlassungsbegehren auf eine Rechtsgrundlage (§ 523 ABGB) zurückführen lassen (6 Ob 79/98f; 6 Ob 80/98b).

Das Berufungsgericht hat somit den Wert des Entscheidungsgegenstands

1. der im Zusammenhang mit der Errichtung des Zauns erhobenen Begehren 1a und 2b (1. Fall),

2. der auf die (mangels Anwendung des § 422 ABGB ungerechtfertigte) Störungshandlung des Abschneidens der Äste und des damit verbundenen Ablagerns gegründeten Begehren 1b, 2b (2. Fall) und 2c, und

3. des Unterlassungsbegehrens bezüglich des Fällens von Bäumen und Sträuchern (2a, 2. Fall)

gesondert zu bewerten. Dabei sind die Begehren zu 1a und 2b (1. Fall) zum einen sowie zu 1b, 2b (2. Fall) und 2c zum anderen jeweils gemeinsam zu bewerten, weil diese Begehren jeweils in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang stehen.

Das Berufungsgericht wird daher im Sinne der vorstehenden Ausführungen die drei Begehrensgruppen (1. Errichtung des Zauns, 2. Abschneiden und Ablagern von vermeintlich überstehenden Ästen, 3. Fällen von Bäumen und Sträuchern), jeweils gesondert zu bewerten haben. Sollte sich ergeben, dass jeweils kein Wert des Entscheidungsgegenstands von über 5.000 EUR vorliegt, wäre die Revision des Klägers ungeachtet des nachträglichen Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO). Dem Obersten Gerichtshof werden die Akten nur dann wieder vorzulegen sein, wenn zumindest hinsichtlich einer der Begehrensgruppen ausgesprochen wird, dass der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR übersteigt.

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