European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00150.15W.1209.000
Spruch:
Den Beschwerden wird nicht Folge gegeben.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 11. Juni 2015, GZ 34 Hv 41/15i‑253 wurden Youssef K***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, Yahya N***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und 3 SMG schuldig erkannt und jeweils zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach Verkündung des Urteils und Rechtsmittelbelehrung erklärte Youssef K***** nach Rücksprache mit seinem Verteidiger, auf Rechtsmittel zu verzichten. Yahya N***** gab keine Erklärung ab (ON 252 S 13).
Am 15. Juni 2015 meldete der Verteidiger des Youssef K***** Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 257).
Yahya N***** ließ die dreitägige Anmeldefrist für Rechtsmittel ungenutzt verstreichen, bevor er mit eigenhändigem Schreiben vom 2. August und 14. September 2015 Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung anmeldete (ON 260, 263).
Mit Beschluss vom 6. Oktober 2015 (ON 265) wies die Vorsitzende des Schöffengerichts die (Anmeldungen der) Nichtigkeitsbeschwerden gemäß § 285a Z 1 StPO zurück.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die Beschwerden der Angeklagten (ON 268, 271).
Gemäß § 285a Z 1 StPO hat das Landesgericht, bei dem eine Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet wird, diese zurückzuweisen, wenn sie zu spät angemeldet oder von einer Person eingebracht wurde, der die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zukommt oder die auf sie verzichtet hat. Ein nach Urteilsverkündung in Anwesenheit des Verteidigers von einem prozessfähigen Angeklagten erklärter Rechtsmittelverzicht ist unwiderruflich (RIS‑Justiz RS0116751, RS0099945).
Mit dem unsubstanziierten Beschwerde-vorbringen, er sei „unter Schock gestanden“ und habe sich in einem „psychischen Ausnahmezustand“ befunden, liefert der Beschwerdeführer K***** keine konkreten Anhaltspunkte für eine vor Abgabe des Rechtsmittelverzichts eingetretene prozessuale Diskretions‑ oder Dispositionsunfähigkeit des Angeklagten (RIS‑Justiz RS0100103).
Auch der Hinweis, es sei „nicht auszuschließen“, dass der abgegebene Rechtsmittelverzicht „möglicherweise auch auf sprachliche Schwierigkeiten“ mit der Dolmetscherin zurückzuführen sei (vgl dazu aber deren Erklärung, dass es keine sprachlichen Verständigungsprobleme mit dem Angeklagten gab; Beilage zu ON 252), ist nicht geeignet, die Unwiderruflichkeit des Rechtsmittelverzichts zu beseitigen. Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Youssef K***** erfolgte daher zu Recht.
Die in der Beschwerde gestellten Anträge auf Vernehmung des Angeklagten, Einholung eines psychiatrischen Gutachtens und Vernehmung der Dolmetscherin geben im Hinblick auf die für den Obersten Gerichtshof klare Tatsachengrundlage keinen Anlass zu weiteren Aufklärungen (§ 285 Abs 4 iVm § 89 Abs 5 StPO; vgl Ratz, WK‑StPO § 285b Rz 6; Hetlinger, JBl 2011, 340).
Der Beschwerde des Yahya N*****, die kein inhaltliches Vorbringen zu einer allfälligen Mangelhaftigkeit des angefochtenen Beschlusses erstattet, war nach dessen umfassender, keinen Fehler erweisenden Prüfung (§ 89 Abs 2b StPO) ebenfalls nicht Folge zu geben.
Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (angemeldeten) Berufungen (§ 285i StPO).
Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil es nicht zu einem Rechtsmittelverfahren im Sinn des § 390a Abs 1 StPO gekommen ist (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 11).
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