OGH 8Ob110/15g

OGH8Ob110/15g25.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn und die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Arneitz und Dohr Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei C*****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Kramer, Rechtsanwalt in Villach, wegen 7.484,64 EUR sA und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 6.202,48 EUR sA) gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 6. August 2015, GZ 2 R 198/15t‑25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 18. Mai 2015, GZ 16 C 1534/14i‑21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Klägerin ist Halterin eines Berner Sennenhund-Mischlings mit einem Gewicht von rund 35 kg. Die Beklagte hält einen ‑ etwa ebenso schweren ‑ weißen Schäferhund.

Am 26. April 2014 fuhr die Klägerin in Villach mit ihren Inlineskates am rechten Rand eines drei Meter breiten Radwegs. Links neben ihr lief ihr Hund, den sie an der Leine führte, und hinter ihr fuhr ihr Lebensgefährte mit dem Fahrrad. Die Beklagte stand ‑ ebenfalls auf Inlineskates ‑ mit ihrem Schäferhund auf dem Böschungsstreifen unmittelbar neben dem Radweg und unterhielt sich mit einem Bekannten. Ihr Schäferhund lag ‑ an einer ca 1,8 m langen Leine -zwischen ihr und ihrem Gesprächspartner auf dem Boden. Bereits aus einer Entfernung von etwa 50 bis 100 m vor der späteren Begegnungsstelle sah die Klägerin den Hund der Beklagten, während die Beklagte ihre Umgebung nicht beobachtete und der sich nähernden Klägerin den Rücken zugewandt hatte. Die Klägerin beschleunigte ihre Geschwindigkeit, um möglichst rasch am Schäferhund der Beklagten vorbeizufahren. Als sie dabei war, die Beklagte und deren Schäferhund zu passieren, stand dieser auf. Die Beklagte griff die Leine kürzer (auf ca 1,5 m) und ihr Bekannter fasste reflexartig nach dem Halsband des Hundes. Dennoch gelangte der Schäferhund ein bis eineinhalb Meter in Richtung Mitte des Radwegs, wo er den Hund der Klägerin kurz berührte. Dieser blieb daraufhin kurz stehen oder sprang schräg nach vorne, wodurch sich die Leine spannte, die Klägerin zu Sturz kam und sich dabei schwer verletzte.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten (unter Anrechnung eines Mitverschuldens von einem Drittel) 6.000 EUR Schmerzengeld, 136,64 EUR Fahrtkosten zu Untersuchungen und Therapien sowie 1.348 EUR Ersatz für Pflege- und Haushaltshilfekosten. Die Beklagte habe den gemäß § 8 des Kärntner Landessicherheitsgesetzes geltenden Leinenzwang nicht beachtet und daher für zumindest zwei Drittel der Schäden der Klägerin zu haften.

Die Beklagte wendete ein, sie sei ihrer Verwahrungspflicht als Hundehalter nachgekommen, weil ihr Hund angeleint gewesen sei. Die Klägerin sei deshalb zu Sturz gekommen, weil sie mit ihren Inlineskates zu schnell unterwegs gewesen sei und ihr Hund scheinbar völlig unmotiviert eine abrupte Richtungsänderung vorgenommen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Hälfte statt und wies das Mehrbegehren ab. Die Beklagte sei ihrer Pflicht zur ordentlichen Verwahrung des Hundes nicht nachgekommen, weil sie ihren Hund nicht so an der Leine gehalten habe, dass er nicht auf den Radweg laufen konnte. Die Klägerin habe ihrerseits damit rechnen müssen, dass ihr Hund plötzlich stehen bleiben oder die Richtung ändern und sie dadurch zu Sturz bringen könnte. Da kein klar überwiegendes Verschulden einer der beiden beteiligten Hundehalterinnen feststellbar sei, erscheine eine Teilung 1 : 1 gerechtfertigt.

Der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht nicht Folge. Hundehalter müssten ihre Tiere so halten, dass sie beherrschbar seien und andere Personen nicht unkontrolliert anspringen oder berühren können. Die Beklagte habe ihre Umgebung nicht beobachtet, obwohl sie sich in unmittelbarer Nähe zu einem Radweg aufgehalten habe, wo sie jederzeit mit anderen Verkehrsteilnehmern rechnen musste; daher habe sie auch nicht rechtzeitig auf die Klägerin und deren Hund reagiert. Der Klägerin sei anzulasten, dass sie bei Erkennen der Gefahrensituation ihre Geschwindigkeit auch noch erhöht habe. Beiden Parteien sei vorzuwerfen, dass sie beim Ausführen ihrer Hunde auf Inlineskates mit geringer Bodenhaftung unterwegs gewesen seien; die Beherrschbarkeit eines Tieres sei wegen der geringeren Standfestigkeit auf Inlineskatern verringert. Die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung sei hier nicht zu beanstanden.

Die Revision ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass der Frage, ob und inwieweit eine sorgfältige Verwahrung eines Hundes während einer Fortbewegung auf Inlineskates oder ähnlichen Sportgeräten aufgrund der geringeren Bodenhaftung und Standfestigkeit möglich sei, grundsätzliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig . Weder in der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts noch im Rechtsmittel wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgeworfen.

1. Die Revisionswerberin macht im Wesentlichen geltend, sie treffe als Hundehalterin kein Verschulden; die Klägerin sei auf Inlineskatern zu schnell unterwegs gewesen und habe damit rechnen müssen, dass ihr Hund sie durch eine plötzliche Richtungsänderung zu Sturz bringen könnte.

2. Gemäß § 1320 Satz 2 ABGB ist derjenige, der ein Tier hält, für den durch das Tier verursachten Schaden verantwortlich, wenn er nicht beweist, dass er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hat. Welche Verwahrung und Beaufsichtigung durch den Tierhalter erforderlich ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab und richtet sich nach den dem Tierhalter bekannten oder erkennbaren Eigenschaften des Tieres und den jeweiligen Umständen (RIS‑Justiz RS0030058; RS0030567; RS0030157).

Die Einhaltung der objektiv erforderlichen Sorgfalt hat stets der Tierhalter zu beweisen. Misslingt ihm dieser Beweis, haftet er für sein rechtswidriges, wenn auch allenfalls subjektiv schuldloses Verhalten (RIS‑Justiz RS0105089).

3. Die Auffassung der Vorinstanzen, die Beklagte habe hier den Beweis objektiv sorgfältigen Verhaltens als Tierhalterin nicht erbracht, ist keineswegs unvertretbar. Vor allem ist es nicht unvertretbar, von Hundehaltern auf bzw unmittelbar neben Radwegen die jederzeitige Beherrschung ihrer Hunde zu verlangen. Dass es ‑ wie die Revision meint ‑ ausreichend sei, durch Anleinen des Hundes oder durch die Verwendung eines Maulkorbs Hundeattacken oder Bissverletzungen zu verhindern, verkennt die Gefahren, die sich auf einem Radweg durch die Begegnung von Hunden mit anderen, viel schnelleren Radwegbenützern (seien es nun Fahrradfahrer oder ‑ wie hier ‑ Inlineskater) ergeben können.

4. Dass auch die Klägerin die gebotene Sorgfalt vermissen ließ und daher ein Mitverschulden am Unfall zu vertreten hat, ist unstrittig. Die Gewichtung des beiderseitigen Fehlverhaltens kann immer nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen, sodass weder Anlass noch Möglichkeit für allgemeingültige Ausführungen des Obersten Gerichtshofs besteht. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz, die dessen ungeachtet die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen könnte, vermag die Revisionswerberin auch in diesem Zusammenhang nicht aufzuzeigen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Für einen Streitwert bis 7.270 EUR beträgt der Ansatz nach TP 3C RATG derzeit 290,10 EUR.

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