OGH 5Ob170/15h

OGH5Ob170/15h23.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin P***** KG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Mondl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Löschung von Eintragungen ob der EZ ***** GB *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Juli 2015, AZ 46 R 107/15y, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 10. März 2015, TZ 186/2015, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:

1. Ob der EZ ***** GB ***** wird die Löschung der zu TZ 5529/2014 sub C-LNR 5e gemäß § 66 GBG vorgenommenen Streitanmerkung bewilligt.

Hievon werden verständigt:

1) Dr. Thomas Mondl, Rechtsanwalt, Canovagasse 7, 1010 Wien

2) P***** KG, *****,

3) R***** eGen (FN *****), *****

4) E***** AG (FN *****), *****

Vollzug und Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

2. Der Antrag auf Löschung der ob der EZ ***** GB ***** zu TZ 5529/2014 sub C-LNR 5d vorgenommenen Wiederherstellung des Pfandrechts zugunsten der R***** eGen bis zum Höchstbetrag von 1.272.000 EUR samt Kautionsband wird abgewiesen.

Begründung

Die Antragstellerin ist grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB *****.

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom 22. 9. 2014, TZ 4747/2014, die Einverleibung der Löschung des sub C-LNR 5 zugunsten der R***** eGen (folgend nur mehr: Bank) eingetragenen Pfandrechts bis zum Höchstbetrag von 1.272.000 EUR samt Kautionsband und die Einverleibung des Pfandrechts zugunsten der E***** AG bis zum Höchstbetrag von 1.320.000 EUR samt Kautionsband.

Die Bank beantragte daraufhin gemäß § 66 GBG unter Vorlage einer Sachverhaltsdarstellung, einer Bestätigung und eines Protokolls der Staatsanwaltschaft die Wiederherstellung des gelöschten Pfandrechts und die Streitanmerkung. Die zu TZ 4747/2014 erwirkten Grundbuchhandlungen seien durch eine strafbare Handlung des für die Antragstellerin einschreitenden Rechtsanwalts erwirkt worden, gegen den die Bank Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue eingebracht habe. Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag mit Beschluss vom 4. 11. 2014, TZ 5529/2014. Ein dagegen erhobener Rekurs der E***** AG blieb erfolglos.

Die Antragstellerin beantragte nunmehr die Löschung des über Antrag der Bank zu TZ 5529/2014 sub C‑LNR 5d wiederhergestellten Pfandrechts und der sub C‑LNR 5e vorgenommenen Streitanmerkung mit der wesentlichen Begründung, dass die §§ 66, 67 GBG die Entscheidung durch ein Strafgericht voraussetzten und die Bank in ihrer Sachverhaltsdarstellung verschwiegen habe, dass der angezeigte Rechtsanwalt bereits verstorben gewesen sei, was ein Strafverfahren gegen ihn unmöglich gemacht habe. Die Staatsanwaltschaft habe daher das Strafverfahren bereits beendet.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, die inhaltliche Richtigkeit der von der Bank zu TZ 5529/2014 erstatteten Antragsbehauptungen sei ausschließlich im Straf- und nicht im Grundbuchsverfahren zu prüfen. Wenn es zu keinem Strafverfahren komme, müsse die Antragstellerin die nach ihrer Meinung unrichtige Eintragung mit Löschungsklage bekämpfen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Die §§ 66 f GBG enthielten Sondervorschriften für den in der Praxis seltenen Fall, dass die streitige Einverleibung durch eine strafgesetzlich verbotene Handlung erwirkt worden sei. Für die Streitanmerkung nach § 66 GBG genüge neben der Bestätigung über die Strafanzeige die (schlüssige) Behauptung der Erwirkung einer Einverleibung aufgrund der strafgesetzlich verbotenen Handlung. Die inhaltliche Richtigkeit der Behauptungen sei ‑ im Gegensatz zu deren Schlüssigkeit ‑ nicht im Grundbuchsverfahren, sondern ausschließlich im Strafverfahren zu prüfen. Die Löschung einer Streitanmerkung nach § 66 GBG sei in § 67 GBG geregelt. Dessen Satz 3 sehe bei Freispruch eine Löschung der Streitanmerkung auf Ansuchen dessen, der an der Aufrechterhaltung der Einverleibung ein Interesse habe, vor. Nun stelle sich die Frage, ob der Wortlaut des § 67 letzter Satz GBG („auf Schuld nicht erkannt hat“) auch den Fall der Einstellung des Verfahrens umfasse, und wenn ja, ob dies auch auf den Fall der Beendigung des Strafverfahrens infolge Todes des Angeklagten zutreffe. Zum Fall der Einstellung führe Kodek (in Kodek , Grundbuchsrecht § 67 GBG Rz 3) zutreffend aus, die Einstellung zeige wie der Freispruch, dass der Vorwurf der strafgesetzwidrigen Handlung keine Bestätigung gefunden habe, weshalb die Wortfolge wohl auch den Fall der Einstellung umfasse. Dass der Vorwurf im Verfahren keine Bestätigung gefunden habe, treffe jedoch gerade im Fall der Beendigung des Verfahrens infolge Todes des Angeklagten nicht zu, weshalb die Anwendung des § 67 Satz 3 GBG auf diesen Fall nicht gerechtfertigt sei. Dieser sei einem Freispruch oder auch nur einer Einstellung nach Prüfung des Vorwurfs der strafgesetzwidrigen Handlung nicht gleichzusetzen, sondern in § 67 GBG nicht geregelt. Die Antragstellerin habe zur Löschung der Streitanmerkung den Klageweg zu beschreiten.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob § 67 GBG auch die Beendigung des Strafverfahrens infolge Todes des Angezeigten regle.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Löschung der zu TZ 5529/2014 vorgenommenen Wiederherstellung des Pfandrechts samt Kautionsband und der Streitanmerkung.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.

Wer behauptet, dass eine Einverleibung als Folge einer strafgesetzlich verbotenen Handlung erwirkt worden ist, kann nach § 66 Abs 1 GBG unter Vorlage einer Anzeigebestätigung der zuständigen Behörde die Anmerkung beantragen, dass die Einverleibung streitig ist, und so die in § 61 GBG bezeichnete Rechtswirkung gegen spätere Eintragungen begründen. Soll durch die Streitanmerkung die Wirkung begründet werden, dass der Anspruch auf Ungültigerklärung einer Einverleibung auch gegen dritte Personen, die bücherliche Rechte noch vor der Streitanmerkung im guten Glauben darauf erworben haben, gewahrt werde, so muss das Gesuch um die Streitanmerkung beim Grundbuchsgericht innerhalb der Frist eingebracht werden, die der Partei zum Rekurs gegen die Bewilligung der Einverleibung zukäme (§ 66 Abs 2 GBG).

Im Fall der ‑ auch hier erfolgten ‑ Einverleibung der Löschung eines Pfandrechts hat die Streitanmerkung nach § 66 Abs 1 GBG so zu erfolgen, dass die gelöschte Eintragung im Hauptbuch wiederhergestellt, dort die Einverleibung der Pfandrechtslöschung eingetragen und die Streitanmerkung vorgenommen wird (5 Ob 32/94 = RIS‑Justiz RS0060865).

2. Voraussetzung für eine Streitanmerkung nach § 66 GBG ist die konkrete und schlüssige Behauptung, dass die Einverleibung infolge einer strafgesetzlich verbotenen Handlung erwirkt wurde (RIS‑Justiz RS0060871). Zwischen der Einverleibung und der angezeigten strafbaren Handlung muss ein Zusammenhang bestehen, der aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Ungültigkeit der Einverleibung nach sich ziehen würde (5 Ob 32/94 = RIS‑Justiz RS0060860). Bei der Streitanmerkung nach § 66 GBG ist es nicht erforderlich, dass der durch die streitige Einverleibung Begünstigte selbst die strafbare Handlung begangen oder auch nur daran teilgenommen hat (5 Ob 32/94 = RIS‑Justiz RS0060853).

In diesem Zusammenhang macht die Antragstellerin geltend, dass die Erstattung einer Strafanzeige gegen einen bereits Verstorbenen die Bewilligung einer Streitanmerkung nach § 66 GBG nicht rechtfertigen könne, weil das Strafverfahren von vornherein nie zu einer strafgerichtlichen Entscheidung über Schuld oder Unschuld des Angezeigten führen könne. Dem ist zu entgegnen, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Streitanmerkung nach § 66 GBG zu TZ 5529/2014 rechtskräftig bejaht wurden, daher nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens sind und eine dort vermeintlich vorgelegene unrichtige rechtliche Beurteilung das nunmehrige Begehren der Antragstellerin auf Löschung dieser Streitanmerkung nicht zu rechtfertigen vermag. Den von der Antragstellerin begehrten Feststellungen zum Zeitpunkt des Todes des Beschuldigten kommt daher hier keine Relevanz zu.

3.1 Die Löschung einer nach § 66 GBG erfolgten Streitanmerkung regelt § 67 GBG. Diese Bestimmung lautet:

„Erklärt das Strafgericht, dass die Einverleibung samt den bücherlichen Rechten, die etwa vor der im § 66 bezeichneten Anmerkung erworben worden sind, zu löschen sei, so hat das Grundbuchsgericht, wenn von der verletzten Partei das Erkenntnis hierüber mit der Bestätigung seiner Rechtskraft beigebracht wird, diese Löschung nach den Bestimmungen des § 65 in Vollzug setzen zu lassen. Hat das Strafgericht dagegen zwar auf die Schuld des Angeklagten, jedoch nicht auf eine solche Löschung erkannt und die geschädigte Partei hinsichtlich der angesprochenen Löschung der Einverleibung auf den Zivilrechtsweg gewiesen, so steht der Partei für die Klage auf Löschung der Einverleibung und der oben bezeichneten bücherlichen Rechte eine Frist von sechzig Tagen nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung zu. Nach dem fruchtlosen Ablauf dieser Frist sowie wenn das Strafgericht auf die Schuld des Angeklagten nicht erkannt hat, ist die Löschung der Streitanmerkung auf Ansuchen dessen, der an der Aufrechterhaltung der Einverleibung ein Interesse hat, zu bewilligen.“

3.2 Die Frage, ob unter die Wortfolge des § 67 letzter Satz zweiter Fall GBG („wenn das Strafgericht auf die Schuld des Angeklagten nicht erkannt hat“) auch die vorliegende Beendigung des Strafverfahrens infolge Todes des Beschuldigten zu subsumieren ist, war bislang nicht Gegenstand einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Auch im Schrifttum wurde diese Frage bisher ‑ soweit überblickbar ‑ nicht konkret erörtert. Kodek (in Kodek , Grundbuchsrecht § 67 GBG Rz 3) geht allerdings davon aus, dass die genannte Wortfolge wohl auch den Fall der Einstellung des Strafverfahrens erfasse. Dies scheine zunächst insofern bedenklich, als der Geschädigte in diesen Fällen keine Möglichkeit habe, seine Ansprüche unter Wahrung der Wirkung der Streitanmerkung im Zivilverfahren geltend zu machen. Andererseits zeige der Freispruch oder die Einstellung, dass der Vorwurf der strafgesetzwidrigen Handlung im Verfahren keine Bestätigung gefunden habe. Daher bleibe für eine berichtigende Auslegung dahin, dass dem Geschädigten auch im Fall des Freispruchs wie bei einer Verweisung auf den Zivilrechtsweg die Vorgangsweise nach § 67 Satz 2 GBG offen stehe, wohl kein Raum. Die unterschiedliche Regelung für die Verurteilung (§ 67 zweiter Satz GBG) einerseits und für den Freispruch (§ 67 letzter Satz GBG) andererseits wäre sonst überdies funktionslos. Damit sei die Vorgangsweise nach § 66 GBG für den Geschädigten freilich riskant, weil die Aufrechterhaltung der Wirkungen der Streitanmerkung von dem von ihm nicht beeinflussbaren Ausgang des Strafverfahrens abhänge.

3.3 Die Bestimmung der §§ 66, 67 GBG war bereits in der Stammfassung des (alten) GBG RGBl Nr 75/1871 enthalten und wurde bei der Schaffung des GBG 1954 ohne nähere Erläuterungen übernommen. Stellt man auf den Gesetzeswortlaut ab, so handelt es sich bei einer Beendigung des Strafverfahrens infolge Todes des Beschuldigten zweifellos auch um einen Fall, in dem „das Strafgericht auf die Schuld des Angeklagten nicht erkannt“ hat. Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zum erkennbaren Zweck der Bestimmungen der §§ 66, 67 GBG, den durch eine strafbare Handlung in seinen bücherlichen Rechten Beeinträchtigten bis zur Klärung der behaupteten strafbaren Handlung zu schützen. Nach dem Regelungskonzept des § 67 GBG soll der Schuldspruch des Angezeigten über Anordnung des Strafgerichts zur Löschung der strittigen Eintragung führen (können), sodass es einer gesonderten zivilrechtlichen Auseinandersetzung gar nicht mehr bedarf. Wird die geschädigte Partei hinsichtlich der Löschung der Einverleibung aber trotz eines Schuldspruchs auf den Zivilrechtsweg gewiesen, rechtfertigt es eben dieser Schuldspruch des Strafgerichts, dem in seinen Rechten Beeinträchtigten über die in den §§ 61 ff GBG geregelten, Möglichkeiten hinaus, das fristgebundene Recht einzuräumen, die Löschung nunmehr (doch noch) zivilrechtlich zu verfolgen. In allen anderen Fällen ist die Streitanmerkung nach § 67 letzter Satz GBG auf Antrag des dadurch Belasteten zu löschen. Es mag zwar zutreffen, wie das Rekursgericht in Anlehnung an Kodek (in Kodek , Grundbuchsrecht § 67 GBG Rz 3) meint, dass der Hintergrund der Regelung des § 67 letzter Satz zweiter Fall GBG darin zu sehen ist, dass sich im Fall eines Freispruchs oder auch einer Einstellung nach § 190 StPO der strafrechtliche Vorwurf nicht hinreichend erhärtet hat. Für den Fall der Beendigung des Strafverfahrens infolge Todes des Beschuldigten kann allerdings nichts anderes gelten, erfolgt doch in diesem Fall gerade keine (weitere) Prüfung des erhobenen strafrechtlichen Vorwurfs.

Dieses Verständnis führt im Hinblick auf die durch §§ 61 ff GBG eröffneten Möglichkeiten, insbesondere der Streitanmerkung mit Wirkung gegenüber gutgläubigen Dritten nach § 63 GBG, auch zu keinem echten Rechtsschutzdefizit. Ob der angeblich in seinen Rechten Beeinträchtigte, wie dies hier die Bank durch Erwirkung einer Streitanmerkung gemäß § 63 GBG getan hat, zusätzlich die allgemeinen grundbuchsrechtlichen Rechtsschutzinstrumente (rechtzeitig) in Anspruch nimmt oder sich auf die Möglichkeit der Klärung seines Löschungsanspruchs in einem Strafverfahren und die Streitanmerkung nach § 66 GBG beschränkt, liegt vielmehr in seiner eigenen Disposition.

4. Der Revisionsrekurs erweist sich damit als teilweise berechtigt. Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren im Sinn der Bewilligung der Löschung der TZ 5529/2014 vorgenommenen Streitanmerkung gemäß § 66 GBG abzuändern. Der ebenfalls beantragten Löschung der zu TZ 5529/2014 vorgenommenen Wiederherstellung des Höchstbetragspfandrechts der Bank steht allerdings die von dieser zu C‑LNR 5f erwirkte Streitanmerkung gemäß § 63 GBG entgegen (§ 94 Abs 1 Z 1 GBG).

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