OGH 10Ob99/15d

OGH10Ob99/15d17.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der betroffenen Person G*****, über den Rekurs der betroffenen Person gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 6. August 2015, GZ 21 Nc 5/15p‑39, mit dem die mit Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom 5. Jänner 2015, GZ 44 P 19/14x‑22, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Sachwalterschaftssache an das Bezirksgericht Salzburg gemäß § 111 Abs 1 JN nicht genehmigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00099.15D.1117.000

 

Spruch:

Dem Rekurs der betroffenen Person wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

1. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 6. August 2015 (ON 39) hat das Landesgericht Salzburg die mit Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom 5. Jänner 2015 (ON 22) verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Sachwalterbestellungssache an das Bezirksgericht Salzburg nicht genehmigt; es wurde ausgesprochen, dass die Sachwalterschaftssache weiterhin vom Bezirksgericht Zell am See zu führen ist.

Dieser Beschluss wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Betroffene selbst wiederholt angegeben habe, nur mehr sehr selten in ihrer Wohnung in Salzburg zu sein. Auf fast allen zuletzt getätigten Eingaben sei ihre Anschrift in Zell am See angegeben und diese Eingaben seien auch zumeist in Zell am See bzw Kaprun zur Post gegeben worden. Auch wenn die Betroffene ihren Wohnsitz in Zell am See bestreite, gebe es doch viel weniger Hinweise, dass sie sich nun überwiegend in Salzburg aufhalten würde. Das Bezirksgericht Salzburg wäre daher im Vergleich zum Bezirksgericht Zell am See keineswegs „eindeutig besser“, sondern voraussichtlich sogar schlechter in der Lage, die pflegschaftsgerichtlichen Agenden zu besorgen, weshalb die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Salzburg nicht zu genehmigen sei.

2. Die Betroffene wendet sich in einem selbst verfassten Schreiben gegen diese Entscheidung: Es sei schlichtweg gelogen, dass sie nur mehr in Zell am See sei.

Rechtliche Beurteilung

3. Vorweg ist festzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof im vorliegenden Fall nicht als „den beiden Gerichten zunächst übergeordnetes gemeinsames höheres Gericht“ eine Genehmigungsentscheidung nach § 111 Abs 2 JN zu fällen hat. Vielmehr hat das Landesgericht Salzburg als gemeinsam übergeordnetes Gericht nach § 111 Abs 2 JN eine Entscheidung über die Frage der Genehmigung der Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Zell am See an das Bezirksgericht Salzburg in der Form gefällt, dass die Genehmigung abgelehnt wurde. Der Oberste Gerichtshof wird nun von der betroffenen Person als Rechtsmittelgericht gegen die Entscheidung des Landesgerichts Salzburg angerufen (zur Anfechtbarkeit siehe RIS‑Justiz RS0047109 [T3] und Mayr in Rechberger, ZPO4 § 111 JN Rz 6; zum Rechtszug an den Obersten Gerichtshof siehe RIS‑Justiz RS0046097).

Bei dem Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof handelt es sich um einen Rekurs gegen eine erstinstanzliche Entscheidung (Mayr in Rechberger, ZPO4 § 111 JN Rz 6); für den Rekurs gelten die einschlägigen Bestimmungen des AußStrG. Der Rekurs bedarf nicht der Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt (§ 4 Abs 1 AußStrG).

4. Im vorliegenden Fall hat das Bezirksgericht Salzburg mit Beschluss vom 16. Juni 2014 das Sachwalterbestellungsverfahren von Amts wegen an das Bezirksgericht Zell am See übertragen (ON 5). Dieser Beschluss wurde der betroffenen Person vorerst nicht zugestellt. Das Bezirksgericht Zell am See setzte Termine für die Erstanhörung fest, suchte die betroffene Person an ihrer mutmaßlichen Adresse auf und holte einen Clearingbericht ein. Ob der gewöhnliche Aufenthalt der betroffenen Person im Sprengel des Bezirksgerichts Zell am See oder im Sprengel des Bezirksgerichts Salzburg lag, blieb unklar.

Mit Beschluss vom 5. Jänner 2015 ordnete das Bezirksgericht Zell am See die Rückübertragung der Sachwalterbestellungssache an das Bezirksgericht Salzburg an (ON 22). Auch dieser Beschluss wurde der betroffenen Person nicht zugestellt. Das Bezirksgericht Salzburg lehnte eine Übernahme ab (ON 23). Der Akt wurde in der Folge mehrmals zwischen dem Bezirksgericht Zell am See und dem Bezirksgericht Salzburg hin- und hergeschickt (ON 23, 30 und 33). Schließlich stellte das Bezirksgericht Zell am See mit Verfügung vom 18. Juni 2015 (ON 37) die beiden Übertragungsbeschlüsse vom 16. Juni 2014 (ON 5) und vom 5. Jänner 2015 (ON 22) an die betroffene Person ‑ an einer Adresse in Zell am See ‑ zu. Die Zustellung erfolgte durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am 26. Juni 2015; die Sendung wurde von der betroffenen Person allerdings nicht behoben (ON 38). Ein Rechtsmittel gegen die beiden Beschlüsse wurde von der betroffenen Person nicht eingebracht.

5. Ein Übertragungsbeschluss bedarf zu seiner Wirksamkeit der Übernahme durch das andere Gericht (§ 111 Abs 2 Satz 1 JN; RIS‑Justiz RS0047109 [T9]), was nach herrschender Ansicht auch durch inhaltliche Weiterbearbeitung geschehen kann (Fucik in Fasching/Konecny 3 § 111 JN Rz 15 mwN). Die gegenteilige Ansicht von Gitschthaler (in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 111 JN Rz 34) überzeugt nicht, weil die Nichtzurückstellung des Akts an das übertragende Gericht und seine Weiterbearbeitung durch Ladungen usw für die Partei(en) klar erkennbar zum Ausdruck bringen, dass die übertragene Zuständigkeit in Anspruch genommen wird. Gerade das Abstellen auf einen förmlichen Übernahmebeschluss als Voraussetzung für die Wirksamkeit der Übertragung würde dazu führen, dass ‑ vor allem eine nicht mit dem Gerichtsalltag vertraute ‑ betroffene Person unfähig ist zu erkennen, welches Gericht nun für ihre Sachwalterbestellungssache zuständig ist.

6. Diese in § 111 Abs 2 JN genannte Wirksamkeit der Übertragung für das „andere Gericht“ ist von der Wirksamkeit der Übertragung gegenüber den Parteien zu unterscheiden (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 111 JN Rz 35). So wie im Fall der Überweisung nach § 44 JN (dazu RIS‑Justiz RS0046391 uva) ist das Gericht, an das die Pflegschaftssache überwiesen wird, unabhängig von einer Zustellung des Übertragungsbeschlusses an die Parteien (vgl RIS‑Justiz RS0081664 [T2]) und damit unabhängig von der Rechtskraft des Beschlusses an die Übertragung gebunden, wenn es die Pflegschaftssache übernimmt (vgl zuletzt 9 Nc 1/15v). Ohne Sachverhaltsänderung kann die Pflegschaftssache nach Übernahme nicht wieder mit der Begründung an das übertragende Gericht zurückübertragen werden, dass doch dieses zuständig sei.

7. Im vorliegenden Fall fehlt es an einer relevanten Sachverhaltsänderung: Es war von vornherein nicht klar, ob der gewöhnliche Aufenthalt der betroffenen Person im Sprengel des Bezirksgerichts Salzburg oder des Bezirksgerichts Zell am See gelegen ist. Maßgebliche neue Erkenntnisse zur Frage des nach § 109 JN die örtliche Zuständigkeit begründenden gewöhnlichen Aufenthalts haben sich im Laufe der Erhebungen nicht ergeben.

8. Da die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Zell am See gegeben ist, ist der angefochtene Beschluss im Ergebnis zu bestätigen.

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