OGH 21Os1/15b

OGH21Os1/15b9.11.2015

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 9. November 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Vavrovsky und Dr. Pressl sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Sailer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pottmann als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 5. November 2014, GZ ROSEPE/D‑01‑950.449‑29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Kammeranwalts Dr. Koller und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0210OS00001.15B.1109.000

 

Spruch:

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird teilweise Folge gegeben und der Disziplinarbeschuldigte vom Vorwurf, er habe durch Unterfertigung von Eingaben, die von Dr. Dietmar S***** für Martin R***** verfasst worden seien und für welche er selbst weder einen Auftrag erhalten noch ein Honorar beansprucht habe ‑ Zahlungen seien ausschließlich an Dr. S***** erfolgt ‑ die als Winkelschreiberei zu qualifizierende Tätigkeit des Dr. Dietmar S***** gefördert, freigesprochen.

Im Übrigen wird der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld nicht Folge gegeben.

In Neubemessung der Geldbuße wird über den Disziplinarbeschuldigten eine solche von 2.000 Euro verhängt.

Mit seiner Berufung wegen Strafe wird er auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *****, Rechtsanwalt in *****, der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt, weil er in ***** (ES 2) bis 2011 (ES 3f) „a) dem Landesbeamten Dr. Dietmar S***** Blankovollmachtsformulare zu dem Zweck übergeben hat, Unterschriften und somit Vollmacht‑ und Auftragserteilungen durch Personen zu veranlassen, die sich ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Disziplinarbeschuldigten nur aufgrund der Vermittlungstätigkeit des Dr. Dietmar S***** für den Disziplinarbeschuldigten als Rechtsvertreter in behördlichen Verfahren entscheiden“ [sollten] sowie

b) durch Unterfertigung von Eingaben, die von Dr. Dietmar S***** für Martin R***** verfasst wurden und für welche er selbst weder einen Auftrag erhalten noch ein Honorar beansprucht hat ‑ Zahlungen erfolgten ausschließlich an Dr. S***** ‑ ,die als Winkelschreiberei zu qualifizierende Tätigkeit des Dr. Dietmar S***** gefördert“ [hat].

Er wurde hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 5.000 Euro verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich seine Berufung wegen Nichtigkeit (der Sache nach § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO; vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]), Schuld und Strafe, der teilweise Berechtigung zukommt.

Der global (nämlich ohne konkrete Bezugnahme auf damit in Frage gestellte Konstatierungen) erhobene Vorwurf, die „Verwertung“ bzw die „Einbeziehung“ des vom Amt der Salzburger Landesregierung gegen Dr. Dietmar S***** geführten Disziplinarverfahrens, nämlich der in diesem Verfahren aufgenommenen (vom Berufungswerber allerdings nicht deutlich und bestimmt bezeichneten) Beweise und ergangenen Entscheidungen, sei ‑ „zumindest in Bezug auf die grundrechtlich verankerten Ansprüche des Dr. S*****“ ‑ „jedenfalls unzulässig“ gewesen, lässt jedwede Bezugnahme auf entsprechende strafprozessuale Vorschriften vermissen.

Die vom Berufungswerber kritisierte (teils wörtliche) Übernahme von Passagen aus dem Bericht des Untersuchungskommissärs vom 6. März 2014 (ON 12) beeinträchtigt die mängelfreie Darstellung der erforderlichen Sachverhaltsannahmen durch den Disziplinarrat nicht (RIS‑Justiz RS0115236).

Weshalb die in Rede stehende, dem Disziplinarbeschuldigten angelastete Überlassung der Blankovollmachtsformulare an Dr. S***** (die ‑ den Annahmen des Disziplinarrats zufolge ‑ zur Erlangung von Vollmachts‑ und Auftragserteilungen von Personen erfolgte, denen der Disziplinarbeschuldigte ‑ ohne vorherige Kontaktaufnahme mit ihm ‑ von Dr. S***** [sowohl in dessen Funktion als Behördenleiter in anhängigem Verwaltungsverfahren als auch privat] als Rechtsvertreter empfohlen wurde bzw werden sollte, wobei Dr. S***** gegebenenfalls die Blankovollmachten ‑ vereinbarungsgemäß ‑ an diese Personen weitergab [bzw weitergeben sollte] und solcherart auch für den Disziplinarbeschuldigten Vollmachts‑ und Auftragserteilungen einholte [bzw einholen sollte; ES 4, 9 f]) keine im Sinn des § 45 Abs 3 lit d RL‑BA tatbildliche Überlassung von Vollmachtsformularen an Dritte zwecks Weitergabe an einen unbestimmten Personenkreis sein soll, legt die solches behauptende, gegen Punkt a) des Schuldspruchs gerichtete Berufung (der Sache nach Z 9 lit a) allein mit dem Hinweis darauf, dass die Übergabe der Formulare an Dr. S***** ausschließlich zu dem Zweck erfolgte, um von solchen Personen, die durch den Disziplinarbeschuldigten vertreten werden wollten, Unterschriften auf diesen Formularen zu erlangen, nicht nachvollziehbar (und auch nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet [vgl Ratz WK‑StPO § 281 Rz 588 ff]) dar. Nach den bezughabenden Annahmen war der Personenkreis, an den Dr. S***** die Vollmachtsformulare weitergeben sollte, zunächst jedenfalls „unbestimmt“.

§ 11 RL‑BA schreibt vor, dass ein Rechtsanwalt Auftrag und Vollmacht „in der Regel“ nur von demjenigen annehmen darf, der ihm die Wahrnehmung seiner Interessen anvertraut; solcherart wird der Grundsatz der „direkten“ Auftrags‑ und Vollmachtserteilung statuiert. Hiedurch soll vermieden werden, dass Maßnahmen ‑ welcher Art auch immer ‑ gesetzt werden, die nicht vom Willen des Klienten gedeckt sind (AnwBl 1998/7533).

Die festgestellte Übernahme der durch Dr. Dietmar S***** vermittelten Mandate, so etwa auch für Christian E*****, verstößt ‑ schon für sich ‑ gegen § 11 RL‑BA. Die in der Berufung ins Treffen geführten Umstände, dass (noch) „keine wie immer geartete Außenwirkung“ (etwa durch Verwendung der Rechtsgutachten im Behördenverfahren) erzielt worden sei und der Disziplinarbeschuldigte (festgestelltermaßen) kein Honorar verlangt habe, tun ‑ der Behauptung des Berufungswerbers zuwider ‑ der rechtlichen Beurteilung des vorgeworfenen Verhaltens als Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt) keinen Abbruch.

Hingegen zeigt die zu b) erhobene Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf: Zur angelasteten „Förderung der als Winkelschreiberei zu qualifizierenden Tätigkeit des Dr. Dietmar S*****“enthält das Erkenntnis nämlich keine Konstatierung dazu, ob der Disziplinarbeschuldigte ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand oder (zumindest) fahrlässig (vgl Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 1 DSt, 855) nicht erkannte, dass Dr. S***** in Sachen R***** gewerbsmäßig eine den Rechtsanwälten vorbehaltene Tätigkeit ausgeübt habe (vgl § 57 Abs 2 RAO). Auch eine vernetzte Betrachtung der hiezu im Wesentlichen die Aussagen der Ingerierten referierenden Entscheidung des Disziplinarrats lässt einen diesbezüglichen Feststellungswillen (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 19) nicht hinreichend erkennen. Da solche in einem zweiten Rechtsgang nach der Aktenlage nicht zu erwarten sind ( Ratz , WK‑StPO § 288 Rz 24) war zu Faktum b) mit Freispruch (zugunsten des Disziplinarbeschuldigten) vorzugehen.

Bei der erforderlichen Strafneubemessung war das Zusammentreffen zweier Disziplinarvergehen als erschwerend und die bisherige disziplinäre Unbescholtenheit als mildernd zu werten.

Auch unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse eines Rechtsanwalts erweist sich nach Lage des Falles eine im unteren Bereich des bis zu 45.000 Euro reichenden Strafrahmens (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) ausgemittelte Geldbuße von 2.000 Euro als unrechts‑ und schuldangemessen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.

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