OGH 22Os1/15k

OGH22Os1/15k9.11.2015

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 9. November 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Waizer und Dr. Konzett sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Sailer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen Dr. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 12. Juni 2014, GZ D 13‑61 (3 DV 14‑03)‑27, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, des Kammeranwalts Dr. Schmidinger und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0220OS00001.15K.1109.000

 

Spruch:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Dr. *****, Rechtsanwalt in *****, der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt, weil er als Errichter des zwischen Sandra und Michael L***** als Käufer und Dr. Erik B***** als Verkäufer am 1. Juli 2011 abgeschlossenen Kaufvertrags hinsichtlich der Liegenschaft EZ *****, samt Wohnhaus und Inventar anschließend im Verfahren AZ 10 C 436/13b des Bezirksgerichts Telfs als Vertreter des Dr. Erik B***** eine in unmittelbarem Zusammenhang mit dem vorliegenden Liegenschaftskaufvertrag stehende Forderung in der Höhe von 10.000 Euro gegen Michael L***** geltend gemacht hatte.

Er wurde hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Die dieses Erkenntnis in seinem gesamten Umfang anfechtende Berufung, welche als Gründe „unrichtige Tatsachenfeststellung, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung der Sache“ geltend macht (vgl hiezu RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) verfehlt ihr Ziel.

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zeigt zwar zutreffend auf, dass die Feststellung des Disziplinarrats, der Disziplinarbeschuldigte habe im ersten Gespräch nicht sogleich und ausdrücklich erklärt, ausschließlich den Verkäufer Dr. Erik B***** zu vertreten (ON 27 S 2 vorletzter Absatz), unzureichend begründet ist, weil der Erstgenannte ‑ den Entscheidungsgründen zuwider ‑ dieses Versäumnis tatsächlich nie zugestanden hatte (vgl ON 27 S 3, das unjournalisierte Schreiben vom 20. März 2014 in ON 18 sowie ON 25 S 2 f) und auch der Zeuge Dr. Erik B***** angegeben hatte, dass der Disziplinarbeschuldigte seines Wissens nach erklärt hätte, nur ihn allein zu vertreten (vgl ON 27 S 3 erster Absatz und ON 25 S 6 unten).

Nach den Feststellungen des Disziplinarrats hatten die Parteien dem Disziplinarbeschuldigten aber im in Rede stehenden Kaufvertrag Auftrag und Vollmacht zur Errichtung und grundbücherlichen Durchführung des Vertrags, Einholung allenfalls erforderlicher Genehmigungen und Bestätigungen, Fertigung der Abgabenerklärung sowie Durchführung sämtlicher Treuhandschaften erteilt (vgl Punkt VII der Beilage ./9 in ON 18; ON 27 S 3 drittletzter Absatz).

Im Licht dieser Vertrauensstellung war in weiterer Folge jede Art der Doppelvertretung oder des anschließenden Frontwechsels, ja schon der Anschein eines solchen Frontwechsels verpönt, sodass der Disziplinarbeschuldigte als Vertragserrichter und Vollmachtnehmer im Sinn der ‑ weitreichend zu verstehenden, überhaupt alle Rechtskonstellationen, in denen sich Interessenskollissionen zweier Parteien abzeichnen, betreffenden (RIS‑Justiz RS0117715) ‑ Bestimmung des § 10 RAO in dieser bzw in einer damit zusammenhängenden Rechtssache nicht eine der Parteien gegen die andere vertreten durfte. Daran vermag eine allfällige, im Zug der Vertragsverhandlungen sogleich ‑ und damit notwendigerweise vor Erteilung der gegenständlichen Vollmacht ‑im Sinn des § 13 RL‑BA erfolgte Erklärung des Vertragserrichters, nur „seine“ Partei zu vertreten, nichts zu ändern, weil die anschließend erteilte Vollmacht der Bestimmung des § 13 RL‑BA ohnehin nicht Rechnung trägt (AnwBl 2003/7891; RIS‑Justiz RS0101397 [T1]).

Die Frage einer unzureichenden Begründung der Konstatierung, wonach der Disziplinarbeschuldigte nicht im Sinn des § 13 RL‑BA sogleich und ausdrücklich erklärt habe, ausschließlich den Verkäufer zu vertreten, betrifft damit keine entscheidende Tatsache und verfehlt solcherart den Bezugspunkt des geltend gemachten Begründungsmangels (RIS‑Justiz RS0106268).

Dies gilt im konkreten Fall auch für die Frage eines bereits vor Unterzeichnung des Kaufvertrags zum Verkäufer vorhandenen Vertretungsverhältnisses des Disziplinarbeschuldigten und einer vor Vertragserrichtung bestehenden (kurzfristigen) Vertretung der Käufer durch einen anderen Rechtsanwalt (Dr. K*****).

Bezeichnend ist, wie inhaltlich zur Berufung wegen Schuld ausgeführt sei ‑ dass der vom Disziplinarbeschuldigten vorgelegte Mietvertrag vom 18. September 2008 (Beilage ./1 in ON 18) explizit den Passus enthielt, dass der Disziplinarbeschuldigte bei Abschluss dieses Vertrags nicht als gemeinschaftlicher Rechtsvertreter beider Vertragsteile, sondern ausschließlich über Auftrag und im Interesse der Vermieter tätig geworden sei. Dies lässt den zwingenden Schluss zu, dass dem Disziplinarbeschuldigten die betreffende Bestimmung der RAO bekannt war. Dass sich im gegenständlichen Kaufvertrag ein derartiger Passus nicht findet, rechtfertigt im Ergebnis die Annahme einer unzulässigen Doppelvertretung. Im Übrigen wurden die tatsächlichen Kaufvertragsverhandlungen nahezu ein Jahr nach Einschreiten Dris. K***** geführt und diesem ‑ unstrittig ‑ auch nicht etwa ein Kaufvertragsentwurf übermittelt oder er zu dessen Errichtung beigezogen.

Auch der ‑ nicht ausgeführten ‑ Strafberufung kommt keine Berechtigung zu. Mit Blick auf die Erschwerungsumstände des Zusammentreffens zweier Disziplinarvergehen und der disziplinarrechtlichen Vorstrafe, denen kein Milderungsgrund gegenüber steht, sah sich der Oberste Gerichtshof auch unter Berücksichtigung des Durchschnittseinkommens eines Rechtsanwalts zu keiner Minderung der ohnehin moderart ausgemessenen Sanktion bestimmt.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.

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