OGH 9ObA79/15f

OGH9ObA79/15f28.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Robert Brunner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** B*****, vertreten durch Dr. Roland Gerlach, Mag. Branco Jungwirth ua, Rechtanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Mag. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in Wien, wegen Anfechtung einer Entlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. April 2015, GZ 8 Ra 7/15f‑16, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 3. November 2014, GZ 15 Cga 35/14k‑10, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00079.15F.1028.000

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird dahin berichtigt, dass sie statt „T***** GmbH“ nunmehr „A***** AG“ zu lauten hat.

II. Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur weiteren Verfahrensführung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zu I. Die ursprünglich Beklagte wurde mit Verschmelzungsvertrag vom 23. 2. 2015 als übertragende Gesellschaft mit der A***** AG als übernehmender Gesellschaft verschmolzen (offenes Firmenbuch). Infolge der Gesamtrechtsnachfolge ist auch im Revisionsverfahren eine Berichtigung der Parteienbezeichnung gemäß § 235 Abs 5 ZPO vorzunehmen (s RIS‑Justiz RS0039530 [T5]).

Zu II. Die Klägerin war seit 3. 5. 1999 bei der Beklagten als Flugbegleiterin tätig. Da die Streitteile über das Begehren der Klägerin, nicht nur vom 26. 12. 2012 bis 8. 1. 2013, sondern auch vom 23. bis 25. 12. 2012 Urlaub nehmen zu wollen, keine Einigung erzielten, brachte die Beklagte beim Erstgericht in einem Vorprozess zu 9 Cga 106/12d eine Klage auf Feststellung ein, dass die Klägerin nicht berechtigt sei, im Zeitraum vom 23. 12. 2012 bis 8. 1. 2013 mit Ausnahme des bereits bewilligten Zeitraumes von 26. 12. 2012 bis 8. 1. 2013 Urlaub zu konsumieren. Am 22. 12. 2012 forderte der Leiter der Personalabteilung die Klägerin auf, vom 23. bis 25. 12. 2012 ordnungsgemäß ihren Dienst anzutreten und behielt sich für den Fall des unberechtigten Nichtantritts zum Dienst arbeitsrechtliche Konsequenzen vor. Die Klägerin trat dennoch am 23. 12. 2012 ihren Urlaub an.

Mit Urteil des Erstgerichts vom 31. 10. 2013 wurde jenes Klagebegehren abgewiesen. Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 25. 2. 2014, 8 Ra 5/14k, wurde der Berufung der Beklagten (als dortiger Klägerin) Folge gegeben und dem Feststellungsbegehren stattgegeben. Das Berufungsurteil wurde den Parteienvertretern am 1. 4. 2014 zugestellt. Mit Schreiben desselben Tages sprach die Beklagte die Entlassung der Klägerin aus, weil sie in der Zeit vom 23. 12. bis 25. 12. 2012 unberechtigt dem Dienst ferngeblieben sei. Die gegen das Berufungsurteil von der Klägerin (als dortiger Beklagten) erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 25. 9. 2014, 9 ObA 79/14d, zurückgewiesen.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin,die Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären. Die Entlassung sei verspätet. Es treffe die Klägerin auch kein Verschulden, weil es sich bei ihrem einseitigen Urlaubsantritt um eine vertretbare Rechtsansicht gehandelt habe. Da die Verantwortliche für das Kabinenpersonal ihr großes Verständnis entgegengebracht habe, sei auch von einer Verzeihung der Beklagten auszugehen. Es liege zudem ein rechtmäßiger Hinderungsgrund vor, weil die Klägerin vom 23. bis 25. 12. 2012 keine zumutbare Betreuung für ihre Kinder (7 und 8 Jahre) gefunden habe. Der Betriebsrat habe der Entlassung widersprochen. Es lägen die Anfechtungsgründe des verpönten Motivs iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG und der Sozialwidrigkeit vor.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, zur Entlassung berechtigt gewesen zu sein. Die Entlassung sei erst dann auszusprechen, wenn das Gericht die fehlende Berechtigung des Urlaubsantritts festgestellt habe. Dies sei mit der Zustellung des Urteils des Oberlandesgerichts Wien erfolgt. Bei einem anhängigen Urlaubsverfahren gemäß § 4 Abs 4 UrlG trage der Arbeitnehmer das Risiko eines ungerechtfertigten einseitigen Urlaubsantritts. Es handle sich daher auch um keine „vertretbare Rechtsansicht“ der Klägerin. Eine Verzeihung der Beklagten liege nicht vor, zumal die Personalverantwortliche dazu auch nicht berechtigt gewesen wäre. Die Diensteinteilung für Weihnachten 2012 sei der Klägerin bereits seit November 2011 bekannt gewesen. Dass es ihr innerhalb eines ganzen Kalenderjahres nicht möglich gewesen wäre, für ihre Kinder eine Betreuung zu organisieren, sei unglaubwürdig. Es liege daher auch kein rechtmäßiger Hinderungsgrund vor. Die Anfechtungsgründe eines verpönten Motivs oder der Sozialwidrigkeit seien nicht gegeben.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Klägerin habe für den nach dem Vorverfahren feststehenden eigenmächtigen Urlaubsantritt alle arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu tragen. Sie habe für den Fall eines für sie ungünstigen Prozessausgangs die berechtigte Entlassung riskiert.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Zur Frage, ob die Klägerin zum Urlaubsantritt berechtigt gewesen sei, entfalte das Urteil des Vorverfahrens ‑ einschließlich der Frage einer möglichen Kinderbetreuung und der Frage, ob der Klägerin der Urlaubsantritt vorwerfbar sei ‑ Bindungswirkung. Zur Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung und allfälligen anderen Hinderungsgründen habe die Klägerin kein näheres Vorbringen erstattet. Habe der Arbeitgeber fristgerecht wegen des Zeitpunkts des Urlaubsantritts Klage eingebracht und trete der Arbeitnehmer den vorgeschlagenen Urlaub dennoch und somit eigenmächtig an, habe er alle arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu tragen, wenn in der Folge das Ergebnis der Interessenabwägung zu seinen Ungunsten ausfalle. Die Beklagte habe die Entlassung der Klägerin umgehend ausgesprochen, nachdem die Rechtmäßigkeit des Urlaubsantritts durch die Entscheidung des Berufungsgerichts zu 8 Ra 5/14k geklärt worden sei. Die Entlassung sei daher auch nicht verspätet.

In ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und im Sinn des Eventualantrags berechtigt, weil die Vorinstanzen den Grundsatz der Unverzüglichkeit einer Entlassung nicht ausreichend beachtet haben.

1. Um eine Entlassung zu rechtfertigen, setzt jeder Entlassungsgrund voraus, dass dem Dienstgeber infolge des im Übrigen tatbestandsmäßigen Verhaltens des Dienstnehmers nach der Lage der Umstände die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum nächsten Kündigungstermin oder bis zum Ablauf der Vertragszeit für die restliche Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann (RIS‑Justiz RS0028475).

Die Gründe für eine vorzeitige Beendigung eines Dienstverhältnisses müssen bei sonstigem Verlust des bestehenden Auflösungsrechts unverzüglich nach ihrem Bekanntwerden geltend gemacht werden (s RIS‑Justiz RS0031799; Kuderna, Entlassungsrecht2, 13 f; Tarmann‑Prentner in Reissner, AngG2 § 25 Rz 40 mwN; Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 25 Rz 29). Der Grundsatz, dass die Entlassung unverzüglich auszusprechen ist, beruht auf dem Gedanken, dass ein Arbeitgeber, der eine Verfehlung seines Arbeitnehmers nicht sofort mit der Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des Entlassungsrechts im konkreten Fall verzichtet (RIS‑Justiz RS0029249). Objektiv betrachtet kann ein grundloses Zuwarten trotz Kenntnis des Auflösungsgrundes den Schluss zulassen, dass der Anlass nicht als so schwerwiegend empfunden wurde und dem Erklärenden eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar gewesen wäre. Subjektiv gesehen soll ein Dienstnehmer, der einen Entlassungsgrund gesetzt hat, nicht unnötig lange im Unklaren darüber gelassen werden, ob sein Verhalten tatsächlich diese schwerwiegende Rechtsfolge nach sich ziehen wird. Wenn der Arbeitgeber ohne beachtlichen Grund längere Zeit mit einer Entscheidung zuwartet, soll der Dienstnehmer in einem begründeten Vertrauen auf einen Fortbestand des Dienstverhältnisses geschützt sein (RIS‑Justiz RS0031799; Tarmann‑Prentner, aaO, Rz 43 f).

Entscheidend ist dabei vor allem der Verständnishorizont des betroffenen Dienstnehmers. Für diesen muss das Verhalten des Dienstgebers gerechtfertigten Grund zur Annahme geben, dieser verzichte auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe, was regelmäßig dann nicht zutrifft, wenn das Zögern sachlich begründet ist und der Dienstgeber durch sein Verhalten nicht den Eindruck erweckt, er werde den Entlassungsgrund nicht wahrnehmen (RIS‑Justiz RS0031799 [T25; T27]).

Nach der Rechtsprechung muss aber auch überall dort, wo ein vorerst undurchsichtiger, zweifelhafter Sachverhalt vorliegt, den der Arbeitgeber mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zunächst gar nicht aufklären kann, diesem das Recht zugebilligt werden, bis zur einwandfreien Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die hiefür zuständige Behörde mit der Entlassung zuzuwarten. Diese Voraussetzungen werden vor allem dann anzunehmen sein, wenn gegen einen Arbeitnehmer der Vorwurf einer strafbaren Handlung erhoben worden ist (RIS‑Justiz RS0029297).

2. Im Hinblick auf die hier ausgesprochene Entlassung infolge eines eigenmächtigen Urlaubsantritts ist auch auf das Verfahren gemäß § 4 UrlG Bedacht zu nehmen:

Der Zeitpunkt des Urlaubsantritts bedarf einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer (§ 4 Abs 1 S 1 UrlG).

Hat der Arbeitnehmer in Betrieben, in denen ein für ihn zuständiger Betriebsrat eingerichtet ist, den von ihm gewünschten Zeitpunkt für den Antritt seines Urlaubs oder eines Urlaubsteiles in der Dauer von mindestens zwölf Werktagen dem Arbeitgeber mindestens drei Monate vorher bekannt gegeben und kommt eine Einigung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer nicht zustande, so sind die Verhandlungen unter Beiziehung des Betriebsrats fortzusetzen. Kommt auch dann keine Einigung zustande, so kann der Arbeitnehmer den Urlaub zu dem von ihm vorgeschlagenen Zeitpunkt antreten, es sei denn, der Arbeitgeber hat während des Zeitraums, der nicht mehr als acht und nicht weniger als sechs Wochen vor dem vom Arbeitnehmer vorgeschlagenen Zeitpunkt des Urlaubsantritts liegen darf, wegen des Zeitpunkts des Urlaubsantritts die Klage beim zuständigen Arbeitsgericht eingebracht (§ 4 Abs 4 UrlG).

Nach dieser Bestimmung trägt bei betriebsratspflichtigen Betrieben der Arbeitgeber die Prozesslast für das Recht des Arbeitnehmers, seinen Urlaub zum gewünschten Termin antreten zu können. Der Arbeitgeber darf sein Klagerecht dabei nicht willkürlich ausüben, um den Arbeitnehmer am Urlaubsantritt zu hindern. Er muss im Verfahren die Gründe beweisen, die einem Urlaubsantritt zu dem vom Arbeitnehmer vorgeschlagenen Zeitpunkt entgegenstehen, sodass im Rahmen des Verfahrens nach § 4 Abs 4 UrlG eine entsprechende Interessenabwägung vorzunehmen ist (4 Ob 66/79 = Arb 9815; 9 ObA 79/14d). Die Feststellungsklage des Arbeitgebers hat daher auch nicht die Wirkung eines absoluten Ausschlusses des Arbeitnehmers von einem eigenmächtigen Urlaubsantritt im Sinne einer „Sperrwirkung“ (4 Ob 66/79; Kuderna, Das Verfahren bei Nichtzustandekommen einer Einigung über den Urlaubsantritt, ZAS 1977, 83, 88; Cerny, Urlaubsrecht, § 4 UrlG Anm 25; Reissner in ZellKomm2 § 4 UrlG Rz 44). Dazu wurde schon in den Materialien (AB 276 BlgNR 14. GP  3) festgehalten: „Bringt der Arbeitgeber die Klage innerhalb des vom Gesetz vorgeschriebenen Zeitraumes ein, so hat der Arbeitnehmer, der trotz fristgerechter Klagsführung den Urlaub eigenmächtig antritt, alle arbeitsrechtlichen Konsequenzen (einschließlich der Gefahr der fristlosen Entlassung) zu tragen, wenn der Rechtsstreit zu seinen Ungunsten endet. Dies selbst dann, wenn die Entscheidung des Arbeitsgerichtes erst nach Urlaubsantritt ergeht.“ Auf eben diese Gefahren weist auch die Literatur hin (Reissner in ZellKomm2 § 4 UrlG Rz 44 mwN; Cerny, Urlaubsrecht, § 4 UrlG Anm 25).

In § 4 Abs 4 UrlG ist demnach eine Risikoverteilung angelegt: Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer durch Einbringung der Klage zu verstehen, mit dem vom Arbeitnehmer beabsichtigten Urlaubsantritt nicht einverstanden zu sein und tritt der Arbeitnehmer den Urlaub ‑ während des idR dann laufenden Verfahrens ‑ dennoch an, so geschieht dies auf sein Risiko. Im Fall eines Prozessverlusts des Arbeitgebers steht nachträglich fest, dass der Arbeitnehmer zum Urlaubsantritt berechtigt war; im Fall des Obsiegens des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer dazu nicht berechtigt war, sodass sein Fernbleiben vom Dienst nicht mit dem Urlaubsantritt zu rechtfertigen ist.

3. Von der Frage, ob ein Arbeitnehmer durch einen eigenmächtigen Urlaubsantritt einen Entlassungsgrund iSd § 27 Z 4 AngG gesetzt hat, ist die Frage zu unterscheiden, ob der Arbeitgeber eine damit begründete Entlassung auch „unverzüglich“ ausgesprochen hat. Weder dem Gesetzestext des § 4 UrlG noch den Erläuterungen ist zu entnehmen, dass die dargestellte Risikoverteilung den Arbeitgeber schon per se berechtigt, vor dem Ausspruch der Entlassung den Ausgang des Feststellungsverfahrens abzuwarten. Wenn die Erläuterungen davon sprechen, dass der Arbeitnehmer im Falle eines eigenmächtigen Urlaubsantritts die arbeitsrechtlichen Konsequenzen daraus zu tragen hat, „wenn der Rechtsstreit zu seinen Ungunsten endet“, so wird damit nur die Bedingung („wenn“ iSv „falls“) der Rechtsfolgen beschrieben. Dass damit auch der Unverzüglichkeitsgrundsatz aufgegeben werden sollte, ist dieser Formulierung ‑ selbst im Kontext der Gesamtregelung ‑ nicht zu entnehmen. Zurecht wies daher schon Kuderna, ZAS 1977, 89 f, darauf hin, dass neben der Frage des rechtswidrigen Fernbleibens von der Arbeit auch die allgemeinen Voraussetzungen einer Entlassung wie Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, Verschulden, Verzicht und Rechtzeitigkeit geprüft werden müssen. Soweit er im Anschluss daran davon ausgeht, dass es für die Rechtzeitigkeit der Entlassung „grundsätzlich“ genüge, diese sofort nach Eintritt der Rechtskraft des Feststellungsurteils auszusprechen, bleibt er allerdings eine Begründung schuldig. Diese Annahme überzeugt gerade im Regelfall nicht, läuft sie doch der genannten Erwägung zuwider, dass die allgemeinen Voraussetzungen einer Entlassung wie die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung und die Rechtzeitigkeit des Ausspruchs der Entlassung selbstverständlich auch im Fall einer Entlassung im Zusammenhang mit einem Verfahren nach § 4 Abs 4 UrlG zu gelten haben.

Es ist nicht zu übersehen, dass auch der Arbeitgeber im Zeitpunkt des eigenmächtigen Urlaubsantritts des Arbeitnehmers über den Prozessausgang idR noch keine Gewissheit haben wird. Dennoch kann die zitierte Rechtsprechung, dass einem Arbeitgeber bei vorerst zweifelhaftem Sachverhalt das Recht zugebilligt werden muss, mit der Entlassung bis zur Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände durch die hiefür zuständige Behörde zuzuwarten (RIS‑Justiz RS0029207), hier nicht herangezogen werden. Denn im Unterschied zu den dort definierten Voraussetzungen liegt in Fällen wie dem vorliegenden kein unklarer Sachverhalt vor, den der Arbeitgeber nicht mit eigenen Mitteln aufklären könnte. Die für die Entlassung maßgeblichen Umstände ‑ Fernbleiben des Arbeitnehmers vom Dienst infolge Urlaubsantritts ‑ liegen vielmehr klar zutage. Ob ein Arbeitgeber ausreichende Gründe hat, dem Arbeitnehmer den Urlaubsantritt zum vorgeschlagenen Zeitpunkt zu verwehren, ist eine Frage ihrer Bewertung, nicht aber der Sachlage. Daraus folgt aber, dass § 4 Abs 4 UrlG die Verteilung des Risikos für die Rechtzeitigkeit einer Entlassung nicht ändert. Genau so wie der Arbeitnehmer bei eigenmächtigem Urlaubsantritt trotz Feststellungsklage des Arbeitgebers eine die sofortige Entlassung rechtfertigende Dienstverfehlung riskiert, muss danach der Arbeitgeber die Folgen der Einschätzung tragen, ob eine Entlassung, die erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen wird, noch dem Unverzüglichkeitsgrundsatz entspricht. Dafür ist auf die dargelegten allgemeinen Grundsätze zurückzugreifen.

4. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies: Der Klägerin musste schon aufgrund der Klagsführung der Beklagten bewusst sein, dass letztere den gewünschten Urlaubsantrittstermin zum 23. 12. 2012 nicht akzeptierte, wofür sich die Beklagte auch „dienstrechtliche Konsequenzen“ vorbehalten hatte. Dennoch wurde die Klägerin in der Folge unbeanstandet über einen Zeitraum von mehr als 15 Monaten bis 1. 4. 2014 weiterbeschäftigt. Der eigenmächtige vorzeitige Urlaubsantritt der Klägerin blieb dadurch ein zeitlich abgeschlossenes Ereignis, das keine Auswirkungen auf ihre weiteren Dienstverrichtungen hatte. Nach dem Vorbringen der Beklagten nahm die Klägerin im Folgejahr auch von ihrem neuerlichen Wunsch, zu den Weihnachtsfeiertagen Urlaub nehmen zu können, Abstand, um in der Folge im Zeitraum vom 24. bis 26. 12. 2013 Kurzstreckenflüge zu übernehmen. Das Argument der Beklagten, gerade durch die Fortführung des (Feststellungs‑)Verfahrens sei offenkundig gewesen, dass die Klägerin nur so lange weiter beschäftigt werde, bis die Berechtigung des Urlaubsantritts geklärt sei, verfängt hier nicht: Das Feststellungsverfahren hat die Berechtigung eines Arbeitnehmers zum Urlaubsantritt zum Gegenstand. Das Interesse des Arbeitgebers, das Fehlen einer solchen Berechtigung gerichtlich feststellen zu lassen, ist aber keineswegs zwingend mit einem Interesse an der unverzüglichen Auflösung des Dienstverhältnisses des Arbeitnehmers verknüpft, weil ein Arbeitgeber mit der Klagsführung auch nur die Aufrechterhaltung der disziplinären Ordnung im Betrieb ‑ hier: der Beachtung der Urlaubseinteilung ‑ verfolgen kann. Wie dargelegt, rechtfertigt auch die Ungewissheit des Prozessausgangs als solche das Zuwarten mit dem Entlassungsausspruch nicht. Danach ist aber ungeachtet des Umstands, dass die Beklagte der Klägerin zunächst „dienstrechtliche Konsequenzen“ angedroht hatte, vor dem Hintergrund der langen und unbeanstandeten Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht ersichtlich, warum der Beklagten auch noch im Zeitpunkt des Ausspruchs der Entlassung am 1. 4. 2014 eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zu einem Kündigungstermin nicht zumutbar gewesen sein sollte. Objektiv betrachtet lässt dies nur den Schluss zu, dass sich die Beklagte ihres Entlassungsrechts begeben hat.

Da der Ausspruch der Entlassung hier daher nicht mehr als „unverzüglich“ angesehen werden kann, ist die Revision der Klägerin schon aus diesem Grund berechtigt, ohne dass es noch auf ihre weiteren Ausführungen zur Entlassung ankäme.

5. Mangels eines von der Beklagten rechtzeitig aufgegriffenen Entlassungsgrundes wird in der Folge iSd § 106 Abs 2 S 1 ArbVG zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen eines Anfechtungsgrundes iSd § 105 Abs 3 ArbVG vorliegen.

Der Revision war daher im Sinne des Aufhebungsantrags Folge zu geben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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