OGH 7Ob116/15g

OGH7Ob116/15g16.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. U***** B*****, vertreten durch Stingl & Dieter Rechtsanwälte OG in Graz, wider die beklagte Partei Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH, 1040 Wien, Rainergasse 31/8, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2015, GZ 16 R 178/14k‑46, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6. August 2014, GZ 16 Cg 178/11f‑42, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.189,44 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 198,24 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Der von der Beklagten geltend gemachte Mangel des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor:

1.1. Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens können grundsätzlich nicht erfolgreich als Mängel des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963; RS0106371).

1.2. Soweit die Beklagte eine unrichtige Verteilung der Behauptungs‑ und Beweislast rügt, verkennt sie, dass das Berufungsgericht die zwischen der vermittelnden und emittierenden Gesellschaft bestandenen Verflechtungen und die erfolgten Geldflüsse ‑ weil behauptet und zugestanden ‑ als erwiesen angesehen hat (§ 267 ZPO), sodass sich insoweit Fragen der Behauptungs‑ und Beweislast nicht stellen.

1.3. Fragen der Auslegung des Parteivorbringens kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstieße (vgl RIS‑Justiz RS0042828 [insb T6 und T7]; 5 Ob 31/13i; 5 Ob 48/13i). Diese Voraussetzungen zeigt die Beklagte nicht auf (§ 510 Abs 3 ZPO).

2.1. Nach dem Grundtatbestand des § 75 Abs 3 WAG 2007 greift die Anlegerentschädigung ein, wenn das Wertpapierunternehmen (hier die Vermittlerin, die mit der Emittentin nach dem vom Berufungsgericht als zugestanden angenommenen Sachverhalt eine infolge beschriebener Verflechtung wirtschaftliche Einheit bildet und auch so aufgetreten ist) nicht in der Lage ist, dem Anleger geschuldetes Geld zurückzuzahlen oder ihm gehörende Finanzinstrumente zurückzugeben.

2.2. Die Wertpapiervermittlerin darf kein Kundenvermögen (Finanzinstrumente bzw Kundengelder) bei sich halten. Ein solches Halten von Kundenvermögen ist konzessions- und damit rechtswidrig (8 Ob 45/15y). Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung kommt als „Halten“ auch ein mittelbares Halten in Betracht. Ein solches liegt etwa vor, wenn sich nicht das Wertpapierunternehmen selbst, sondern ein mit ihm sonst rechtlich oder wirtschaftlich verbundener Rechtsträger die Kundengelder oder die Finanzinstrumente aneignet. In Betracht kommt auch eine Verflechtung der beiden Rechtsträger im Sinn einer Beherrschung oder einer weitgehenden Identität der Eigentümer (RIS‑Justiz RS0126148; 4 Ob 89/13m mwN; 4 Ob 141/15m). Ein solches mittelbares Halten bei bestehender Verflechtung der beiden beteiligten Rechtsträger hat hier das Berufungsgericht auf der Basis des von ihm als zugestanden angenommenen Sachverhalts vertretbar angenommen.

2.3. Auch zum weiteren von der Beklagten erhobenen Einwand in Richtung einer Ausnahme von der Anlegerentschädigung (Genussscheine) liegt bereits Rechtsprechung dahin vor, dass für solche Wertpapiere keine generelle Ausnahme von der Entschädigungspflicht besteht (RIS‑Justiz RS0128910; 6 Ob 98/13z mwN). Warum eine solche im konkret hier vorliegenden Fall gegeben sein sollte, zeigt die Beklagte in ihrer Revision nicht nachvollziehbar auf (vgl auch 4 Ob 141/15m).

3.1. Eine Rechtsfrage mit der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO stellt sich insgesamt nicht; die Revision ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

3.2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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