European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00148.15P.1016.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Revision ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich daher auf die Ausführungen der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
1. Die mietvertragliche Nebenleistungspflicht besteht darin, den Zugang zu einem vermieteten Objekt während der gesamten Bestandzeit im sicheren Zustand zu erhalten. Erleidet der Mieter durch die mangelhafte Beschaffenheit des Zugangs zum vermieteten Objekt einen Schaden, ist ihm der Vermieter ersatzpflichtig, sofern er nicht nachweisen kann, dass ihn an der Nichterfüllung seiner Erhaltungspflicht kein Verschulden trifft (RIS‑Justiz RS0104241; RS0024556: ordnungsgemäße Stiegenbeleuchtung; RS0024566: schadhafter Hauseingang). Für die vertragliche Haftung des Vermieters ist nicht erforderlich, dass dieser Zugang ausschließlich über eine im Eigentum des Vermieters stehende Fläche führt (RIS‑Justiz RS0104241 [T3]).
Im vorliegenden Fall war der Hauszugang an beiden Seiten mit 22 cm hohen Stützmauern begrenzt. An der einen Seite schloss er niveaugleich an eine Wiese und an der anderen Seite an den 1,15 m tiefer gelegenen betonierten Boden des Garagenbereichs an. Die Beurteilung der Vorinstanzen, der nicht ausreichend beleuchtete und zum 1,15 m tiefer gelegenen Garagenbereich nicht weiter gesicherte Hauszugang sei mangelhaft beschaffen gewesen, weshalb die Erstbeklagte als vermietende Wohnungseigentümerin eine vertragliche Haftung treffe, entspricht der bestehenden oberstgerichtlichen Judikatur.
2. Der Begriff „Werk“ iSd § 1319 ABGB wird an sich weit ausgelegt (RIS‑Justiz RS0029880). Als Werke gelten künstliche Aufbauten wie Gerüste, Dachgärten, Tribünen, Ladungsstege, eine Baugrube, eine elektrische Leitung (RIS‑Justiz RS0029970) und ein nicht ausreichend beleuchteter oder sonst gesicherter Kellerabgang (4 Ob 56/04w). Jede Schadensverursachung durch typische Gefahren eines Werks ist unter § 1319 ABGB zu subsumieren (RIS‑Justiz RS0109820). Gegen die Qualifizierung des Hauszugangs als Werk durch das Berufungsgericht wendet sich die Revision nicht. Für deliktische Schadenersatzansprüche nach § 1319 ABGB haftet die Eigentümergemeinschaft (RIS‑Justiz RS0010100 [T20, T22]).
Davon ausgehend erweist sich auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, der nicht ausreichend beleuchtete oder sonst zum Garagenbereich gesicherte Hauszugang sei ein mangelhaftes Werk iSd § 1319 ABGB, weshalb für daraus abgeleitete Schadenersatzansprüche die zweitbeklagte Eigentümergemeinschaft hafte, als vertretbar.
3.1 Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich vor allem danach in welchem Maß der Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann (RIS‑Justiz RS0023726). Die Verkehrssicherungspflicht kann durch allenfalls bestehende Sondervorschriften immer nur ergänzt, aber nicht ersetzt werden. Das Vorliegen einer entsprechenden baubehördlichen Genehmigung kann daher den zur Sicherung des Verkehrs Verpflichteten nicht entschuldigen, wenn er aufgrund eigener Kenntnis um den Bestand einer Gefahrenquelle weiß oder wissen muss, aber ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen zu deren Beseitigung unterlässt (RIS‑Justiz RS0023419).
3.2 Vom Eigentümer eines Bauwerks können nur solche Schutzvorkehrungen verlangt werden, die vernünftigerweise, also nach der Auffassung des Verkehrs von ihm zu erwarten sind (RIS‑Justiz RS0030049). Er haftet für alle nach den Umständen zumutbaren und gebotenen Sicherungsmaßnahmen und Überwachungsmaßnahmen (RIS‑Justiz RS0030049 [T8]). Die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfaltspflicht setzt jedenfalls die Erkennbarkeit oder doch Vorhersehbarkeit der Gefahr voraus (RIS‑Justiz RS0030049 [T12]).
3.3 Das Berufungsgericht beurteilte den vorliegenden Sachverhalt dahingehend, dass trotz der 1972 erteilten Benützungsbewilligung und des Umstands, dass sich bisher kein Unfall ereignet habe, die Beklagten die von dem mangelhaft beschaffenen Hauszugang ausgehende Gefahr hätten erkennen und vorhersehen müssen, dass jemand bei Dunkelheit stolpern und in den tiefer gelegenen Garagenbereich stürzen könnte. Insbesondere die Erstbeklagte als Vermieterin habe auch den ihr gemäß § 1298 ABGB obliegenden Beweis, sie habe alle ihr zu Gebote gestandenen Möglichkeiten ausgeschöpft, nicht erbracht. Diese Beurteilung ist vor dem Hintergrund der oben angeführten oberstgerichtlichen Rechtsprechung ebenfalls vertretbar.
4. Die allseitige Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts durch den Obersten Gerichtshof beschränkt sich auf jene Umstände, die Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen sind (RIS‑Justiz RS0043573 [T31, T36, T41]). Dies trifft auf den nunmehr geltend gemachten Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht zu.
5. Für die Anwendbarkeit des § 1302 ABGB spielt es keine Rolle, ob die Mitschuldigen dem Geschädigten gegenüber ex delicto oder ex contractu haften (RIS‑Justiz RS0026604).
6. Der beklagte Schädiger hat zu behaupten und zu beweisen, dass der Geschädigte den eingetretenen Schaden hätte vermeiden können (RIS‑Justiz RS0027129).
Soweit die Beklagten ausführen, das Berufungsgericht hätte ein Mitverschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin von 50 % berücksichtigen müssen, weil er sorglos nicht den sichersten Weg genommen und damit den Zugang nicht mit der notwendigen Sorgfalt benützt habe, entfernen sie sich vom festgestellten Sachverhalt.
7. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
8. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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