OGH 7Ob112/15v

OGH7Ob112/15v16.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.

 Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI S***** A*****, vertreten durch Mag. Kurt Kadavy, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** A*****, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 21. April 2015, GZ 44 R 147/15s‑48, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 16. Jänner 2015, GZ 2 C 3/14f‑36, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00112.15V.1016.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Streitteile ‑ nunmehr beide österreichische Staatsangehörige ‑ haben am 24. 9. 1993 vor dem Standesamt Istanbul die Ehe geschlossen. Der Ehe entstammen zwei Kinder.

Das Erstgericht stellte fest:

Im Jahr 1998 vermutete der Kläger, dass die Beklagte eine sexuelle Beziehung zu einem Arbeitskollegen unterhielt. Aus diesem Grund kam es schon damals immer wieder zu Streitigkeiten. Die Beklagte bestritt den Vorwurf. Den Kläger beschäftigte diese Frage noch die folgenden 15 Jahre.

Die Beklagte hatte im Jahr 2008 eine Bandscheibenoperation und litt noch lange danach unter Schmerzen. Im Jahr 2009 begann die Beklagte, den Geschlechtsverkehr mit dem Kläger zu verweigern. Sie meinte, dass sie es mit ihm „satt habe“ und nicht mehr mit ihm schlafen wolle. Die Eheleute nächtigten seit diesem Zeitpunkt immer wieder getrennt. Der Kläger suchte diesbezüglich das Gespräch mit der Beklagten, was immer wieder im Streit und in gegenseitigen Beschimpfungen und Beleidigungen endete. Die Beklagte meinte, dass sich der Kläger „verpissen“ solle und sie nicht mehr mit ihm leben wolle. Der Kläger nahm diese Aussagen nicht so ernst; auch er sprach im Zuge der Streitigkeiten eine Trennung an, kam aber danach immer wieder auf die Beklagte zu und hielt an der Ehe fest, dies vor allem auch der gemeinsamen Kinder zuliebe und weil er die Beklagte liebte.

Nach einem gemeinsamen Urlaub im Sommer 2010 arbeitete der Kläger vermehrt und hatte als Elektriker Bereitschaftsdienste, wodurch er auch an den Wochenenden weniger Zeit zu Hause verbrachte und telefonisch für seine Frau schlecht erreichbar war. Familienfeiern verließ er oft nach kurzer Zeit. Als die Beklagte beim Kläger eine Rechnung von einem Hotelparkplatz fand, wobei er ihr gegenüber darauf angesprochen angab, dass dieser wohl versehentlich von der Kassiererin im Supermarkt in seine Tasche gelangt sei, hegte sie den Verdacht, dass er eine außereheliche Beziehung führte. Aus diesen Gründen kam es vermehrt zu Streitigkeiten, die ab Oktober 2010 eskalierten und immer häufiger wurden. Streitigkeiten wurden nicht bereinigt, sondern endeten damit, dass entweder der eine oder der andere die Wohnung verließ. Die Parteien schliefen meist getrennt voneinander. Sie hatten jedenfalls nach dem Sommerurlaub 2010 keinen Geschlechtsverkehr mehr. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger damals eine außereheliche Beziehung hatte. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die Beklagte eheliche Ersparnisse heimlich durch Anmietung eines Tresors beiseite schaffte.

Da sich die Situation verschlimmerte, informierte sich die Beklagte Ende Dezember 2010 über eine Scheidung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger schon im Dezember 2010 eine Wohnung suchte.

Am 8. 1. 2011 kam es zu einem Streit. Da der Kläger die österreichische Staatsbürgerschaft erlangen wollte, hatte er die dafür notwendigen Dokumente in einer Mappe gesammelt am Tisch liegen. Die Beklagte öffnete diese Mappe und entnahm daraus Dokumente. Der Kläger meinte, dass sie kein Recht dazu habe; darauf gab sie zur Antwort, dass er die Staatsbürgerschaft nicht benötige, „weil Österreich so einen Trottel nicht brauche“. Der Kläger äußerte, dass er weggehen werde, sobald er eine Wohnung habe, worauf die Beklagte antwortete, dass er gleich zu seiner Freundin gehen könne. Der Kläger verließ daraufhin die Ehewohnung. Die Streitteile wollten die Ehe zu diesem Zeitpunkt nicht weiter fortsetzen.

In einem Vorverfahren vor dem Erstgericht begehrte der Kläger die Scheidung aus dem Alleinverschulden der Beklagten gemäß § 49 EheG. Das Scheidungsbegehren wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 21. 3. 2013 mangels Feststellung von Eheverfehlungen der Beklagten abgewiesen.

Der Kläger begehrte mit seiner Klage vom 11. 2. 2014 die Scheidung gemäß § 55 Abs 1 EheG infolge Aufhebung der häuslichen Lebensgemeinschaft seit mehr als drei Jahren und tiefgreifender, unheilbarer Zerrüttung der Ehe. Die Ehe sei nie gänzlich ohne Streitigkeiten verlaufen. Der Kläger sei nach jedem Streit aus der Wohnung geworfen worden und es sei zu mehrwöchigen Kontaktabbrüchen gekommen. Zuletzt sei er im Jänner 2011 von der Beklagten aus der Wohnung verwiesen worden. Seitdem verweigere sie ihm den Zutritt. Sie habe seit Jahren Eheverfehlungen gesetzt, insbesondere die Treuepflicht und Pflicht zur anständigen Begegnung verletzt. Ab dem Jahr 2009 habe sie den sexuellen Kontakt verweigert und öfters getrennt vom Kläger geschlafen. Seit 2002 habe sie nichts für den Haushalt beigetragen. Sie habe heimlich einen Tresor angemietet und dort die gemeinsamen Ersparnisse deponiert.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und hilfsweise die Feststellung des Alleinverschuldens des Klägers an der Ehezerrüttung. Er habe sie nach Aufnahme eines ehewidrigen Verhältnisses böswillig nach längerer Planung verlassen. Dabei habe er nicht nur die arbeitsunfähige Beklagte und die Kinder ohne Geld zurückgelassen, sondern auch ihre Ersparnisse (Sparbuch mit 30.000 EUR) mit sich genommen. Schon seit März 2010 habe er sein Verhalten gegenüber der Beklagten geändert; er sei lieb- und interesselos gewesen, er sei seiner eigenen Wege gegangen und erst spät abends oder erst in den Morgenstunden nach Hause gekommen und habe die Wochenenden außer Haus verbracht. Familienzusammenkünfte habe er meist mit der Behauptung, er müsse arbeiten, rasch verlassen.

Das Erstgericht schied die Ehe und wies den Antrag der Beklagten auf Ausspruch des alleinigen oder überwiegenden Verschuldens des Klägers ab. Die Ehe sei spätestens ab dem Auszug des Klägers am 8. 1. 2011 unheilbar zerrüttet und daher auf Grund der mehr als dreijährigen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zu scheiden. Das alleinige oder überwiegende Zerrüttungsverschulden des Klägers könne aus den Feststellungen nicht abgeleitet werden. Die Ehe sei schon lange Zeit vor dem Auszug von schweren Problemen und Streitigkeiten geprägt gewesen; das Verlassen der Ehewohnung sei daher als letzte Konsequenz dieser Situation und nicht als „böswilliges Verlassen“ zu betrachten.

Das Berufungsgericht sprach - ohne auf die Verfahrens- und Beweisrügen einzugehen - in Stattgebung der allein gegen die Abweisung des Schuldantrags gerichteten Berufung der Beklagten das Alleinverschulden des Klägers an der Ehezerrüttung aus und ließ die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zu. Der Kläger habe sein Vorbringen zu § 61 Abs 3 EheG auf Eheverfehlungen gestützt, die er bereits im Vorverfahren geltend gemacht habe. Deren Berücksichtigung stünde die abweisende Entscheidung im Vorverfahren entgegen, in dem zerrüttungskausale Eheverfehlungen der Beklagten nicht nachweisbar gewesen seien. Zwar stelle der Auszug des Klägers aus der gemeinsamen Ehewohnung keine schwere Eheverfehlung dar. Als Eheverfehlungen seien jedoch die im Zug von wiederholten Streitigkeiten vom Kläger gegen die Beklagte geäußerten Beschimpfungen und Beleidigungen zu werten.

Die vom Kläger gegen den Schuldausspruch erhobene und von der Beklagten ‑ nach Freistellung durch den Obersten Gerichtshof ‑ beantwortete Revision ist zulässig, sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Das Gericht darf die bei seiner Beweisaufnahme hervorkommenden Umstände nur insoweit berücksichtigen, als sie im Parteivorbringen Deckung finden. Gehen sie darüber hinaus, sind es sogenannte „überschießende“ Feststellungen. Diese dürfen daher dann berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (RIS-Justiz RS0040318, RS0037972, RS0037964 [T1, T2], RS0036933 [T6]). Werden der Entscheidung (unzulässige) überschießende Feststellungen zugrunde gelegt, so wird damit nicht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, sondern die Sache wird rechtlich unrichtig beurteilt (RIS‑Justiz RS0040318 [T2], RS0037972 [T11], RS0036933 [T10, T12]).

1.2. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht zur Begründung des Schuldausspruchs Beschimpfungen und Beleidigungen durch den Kläger herangezogen. Diese finden im Vorbringen der Beklagten, der Kläger habe sich ihr gegenüber lieblos verhalten, Deckung. Damit durfte das Berufungsgericht die vom Erstgericht festgestellten Beschimpfungen und Beleidigungen des Klägers im Rahmen des Schuldausspruchs berücksichtigen.

2.1. Für die Beurteilung, ob ein Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG zu fassen ist, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger einen Scheidungstatbestand verwirklicht hat. Entscheidend ist nur, ob ihm eine Schuld an der Zerrüttung der Ehe anzulasten ist und ob, falls beiden Eheleuten ein Verschulden an der Zerrüttung vorzuwerfen ist, seine Schuld deutlich überwiegt (RIS-Justiz RS0057256). Für den Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG genügt also das wesentlich geringgradigere Zerrüttungsverschulden (RIS‑Justiz RS0057262). Dabei ist das Gesamtverhalten der Ehegatten während der Ehedauer zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0057268). Ein überwiegendes Verschulden ist nur dort anzunehmen und auszusprechen, wo der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt (RIS‑Justiz RS0057251). Bei der Beurteilung der Frage, ob das Verschulden eines Teils überwiegt, ist insbesondere auch zu berücksichtigen, wer entscheidend und schuldhaft dazu beigetragen hat, dass die Ehe unheilbar zerrüttet wurde (RIS‑Justiz RS0056755).

2.2. Das Berufungsgericht erledigte die Verfahrens- und Beweisrügen nicht und legt dem Kläger ausgehend von seiner noch zu prüfenden Rechtsansicht letztlich nur „eskalierende und häufige Beschimpfungen“ zur Last. Es übersieht dabei, dass die Beschimpfungen nach den von ihm zugrunde gelegten Feststellungen wechselseitig erfolgten und ein gradueller Unterschied zu Lasten des Klägers nicht augenscheinlich hervortritt. Diese Feststellungen tragen im Sinn der dargelegten Judikatur den Verschuldensausspruch des Berufungsgerichts nicht.

3. Damit stellt sich die vom Berufungsgericht verneinte Rechtsfrage, ob erfolglos in einem Verfahren nach § 49 EheG geltend gemachte Eheverfehlungen im Verfahren nach § 55 EheG  im Rahmen der Verschuldensprüfung nach § 61 Abs 3 EheG zu berücksichtigen sind.

3.1. Die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft einer Vorentscheidung für den Folgeprozess wird nach § 411 ZPO grundsätzlich durch den Urteilsspruch bestimmt. Sie erstreckt sich nach herrschender Auffassung so weit auch auf die Entscheidungsgründe einschließlich der Tatsachenfeststellungen, als sie zur Individualisierung des Urteilsspruchs notwendig sind (RIS-Justiz RS0112731, RS0041357). Sie erfasst jenes Tatsachenvorbringen, das zur Vervollständigung oder Entkräftung des rechtserzeugenden Sachverhalts diente, aus dem das erste Urteilsbegehren abgeleitet wurde (RIS-Justiz RS0039843 [T3]).

Eine Bindungswirkung der Vorentscheidung ist nur dann anzunehmen, wenn sowohl die Identität der Parteien als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts (verbunden mit notwendig gleicher rechtlicher Qualifikation) gegeben sind, aber an Stelle der inhaltlichen und wörtlichen Identität der Begehren ein im Gesetz gegründeter Sachzusammenhang zwischen beiden Begehren besteht (RIS-Justiz RS0041572).

3.2. Daraus folgt, dass Eheverfehlungen, die in einer rechtskräftig abgewiesenen Scheidungsklage nach § 49 EheG bereits ohne Erfolg geltend gemacht wurden, auch nicht unterstützungsweise in einem späteren Scheidungsverfahren im Sinn des § 59 Abs 2 EheG herangezogen werden können, wenn über diese Eheverfehlungen entweder im Sinn der Ablehnung eines anrechenbaren Verschuldens der Beklagten oder mangels Erweisbarkeit der Scheidungsgründe bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist (RIS‑Justiz RS0041299). Auch ein Mitverschuldensantrag kann auf diese Eheverfehlungen nicht gestützt werden (RIS‑Justiz RS0041299 [T1]).

Dieser Grundsatz gilt dann nicht, wenn eine Scheidungsklage trotz festgestellter und auch zurechenbarer schwerer Eheverfehlungen des Beklagten nur deshalb abgewiesen wurde, weil die Ehe hiedurch noch nicht unheilbar zerrüttet war. Derartige Eheverfehlungen können in einem späteren Scheidungsverfahren neuerlich herangezogen werden, wenn die dort neu geltend gemachten Eheverfehlungen zwar nicht für sich allein, wohl aber im Zusammenhang mit den im Vorprozess erfolglos geltend gemachten Eheverfehlungen nunmehr endgültig die Zerrüttung der Ehe herbeigeführt haben (RIS-Justiz RS0041330). Dies entspricht auch dem vom Berufungsgericht zitierten Meinungsstand in der Literatur ( Hopf/Kathrein , Eherecht³, § 59 EheG Rz 4; Stabentheiner in Rummel³ , § 59 EheG Rz 3; Koch in KBB 4 § 59 EheG Rz 2; Gruber in Schwimann/Kodek, ABGB 4 § 59 EheG Rz 5; Aichhorn in Gitschthaler/Höllwerth , Ehe- und Partnerschaftsrecht, § 59 EheG Rz 6). Zudem können nach der Rechtsprechung für die Beurteilung der Zerrüttungsursache bei einer ‑ wie hier ‑ ausschließlich auf Scheidung ohne Verschulden gerichteten Klage mit der rechtskräftig abgewiesenen Verschuldensklage geltend gemachte Eheverfehlungen noch herangezogen werden (RIS‑Justiz RS0041299; 2 Ob 685/56; vgl auch Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² § 411 ZPO Rz 129). Grundsätzlich können also die dem Scheidungsverfahren nach § 49 EheG zu Grunde liegenden Lebenssachverhalte, aus denen kein Verschulden abgeleitet wurde, beim Scheidungsverfahren nach § 55 EheG unterstützend herangezogen werden, wenn es um die Beurteilung des Zerrüttungsverschuldens geht. Insofern ist dem Berufungsgericht nicht zu folgen.

Eine andere Frage ist es aber, ob bei der Beurteilung des Zerrüttungsverschuldens nach § 61 Abs 3 EheG eine Bindung an den Lebenssachverhalt eintritt, wie er im Verfahren nach § 49 EheG festgestellt wurde, oder ob darüber neuerlich ein Beweisverfahren durchgeführt und ein abweichender Sachverhalt festgestellt werden darf, der im Gegensatz zum ergangenen Vorurteil nun ein Verschulden nach § 49 EheG begründen würde. Dies ist hier geschehen. Das Erstgericht trifft Feststellungen, die diametral vom Vorverfahren abweichen.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu einem Fall mit im Kern vergleichbarer Problematik Stellung genommen. Wurde im Scheidungsurteil ausgesprochen, dass der Kläger (im Scheidungsverfahren) die Zerrüttung allein verschuldet hat, ist mit Rechtskraftwirkung für den Unterhaltsstreit festgestellt, dass die Ehe ausschließlich durch Eheverfehlungen desselben zerrüttet wurde. Damit ist nämlich zwangsläufig auch mit ausgesprochen, dass die Beklagte solche krasse Eheverfehlungen, wie sie die Unterhaltsverwirkung voraussetzt, nicht begangen hat, weil den Kläger sonst nicht das alleinige Verschulden treffen könnte. Infolge der mit der Rechtskraft der Entscheidung verbundenen Präklusionswirkung wird der Kläger im Unterhaltsstreit (dort als Beklagter) von allen Einwendungen ausgeschlossen, die er schon gegen den Schuldantrag der Beklagten (im Scheidungsverfahren) nach § 61 Abs 3 EheG hätte vorbringen müssen (RIS-Justiz RS0041201).

3.3. Die Feststellungen in einem Scheidungsurteil nach § 49 EheG gehören insofern zur Individualisierung des Spruchs als zwischen den Ehegatten abgesprochen wird, aus welchen geltend gemachten Lebenssachverhalten ein Verschulden oder kein Verschulden abgeleitet wird. Wurde ein Lebenssachverhalt zwischen den Ehegatten in dieser Weise bereits einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen, ist dies im Sinn der Judikatur für die Ehegatten bindend. Nichts anderes kann gelten, wenn derselbe Lebenssachverhalt zur Unterstützung des Zerrüttungsverschuldens herangezogen werden soll. Er wurde schon ‑ wie hier ‑ bindend als nicht zur Begründung eines Verschuldens im Sinn von § 49 EheG erkannt.

Wird also im Verfahren nach § 49 EheG das Scheidungsbegehren abgewiesen, weil kein Verhalten des Ehepartners feststand, das ein Verschulden begründen konnte, so kann zwar der festgestellte Sachverhalt bei der Beurteilung des Zerrüttungsverschuldens nach § 61 Abs 3 EheG zur Unterstützung herangezogen werden, es kann aber im Hinblick auf die Rechtskraft der Vorentscheidung nicht ein (konträrer) Sachverhalt festgestellt werden, der im Gegensatz dazu das Vorliegen von Scheidungsgründen nach § 49 EheG bejaht.

3.4. Für den vorliegenden Fall bedeutet das Folgendes:

Wurden im Vorverfahren zu Lebenssachverhalten, die auch hier geltend gemacht werden, bereits Feststellungen getroffen, so sind diese der Entscheidung zu grunde zulegen. Zu den anderen Lebenssachverhalten wird sich das Berufungsgericht mit den Verfahrens- und Beweisrügen betreffend die vorgeworfenen Eheverfehlungen zu befassen haben, bevor abschließend das Verschulden nach § 61 Abs 3 EheG beurteilt werden kann.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 52 ZPO.

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