OGH 7Ob138/15t

OGH7Ob138/15t2.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A***** L*****, vertreten durch Dr. Karl Bollmann und andere, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch DLA Piper Weiss‑Tessbach, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 48.934,94 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2015, GZ 1 R 38/15p‑19, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des

Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Soweit sich der Kläger immer wieder mit den Inhalten von Beweisurkunden und sonstigen Beweiser-gebnissen ‑ auch aus anderen Verfahren ‑ auseinandersetzt und versucht, ohne einen Bezug zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen herzustellen, darzulegen, welche Sachverhaltsfeststellungen daraus hätten gewonnen werden können und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben, ist dies schon deshalb verfehlt, weil der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist und seinen rechtlichen Erwägungen nur gesicherte Feststellungen der Vorinstanzen bzw ‑ soweit solche fehlen ‑ das (erkennbar aufrecht erhaltene) Parteivorbringen zugrunde zu legen hat.

3. Unstrittig ist, dass die Konstruktion und die tatsächliche Abwicklung der Veranlagung für die Anleger deshalb riskant war, weil sie dem Fondsmanager einen unmittelbaren Zugriff auf die Gelder und Wertpapiere ermöglichte, womit gewöhnlich nicht zu rechnen ist, sind diese doch im Anwendungsbereich des österreichischen Rechts als Sondervermögen von einer Depotbank zu verwahren. Der Kläger wirft der Beklagten, die nach den insoweit unbekämpften Feststellungen der Vorinstanzen als Repräsentantin, Zahlstelle und Prospektkontrollorin der (auf den

Cayman Islands ansässigen) Fondsgesellschaft fungierte, in erster Linie vor, ihre Pflichten als Prospektkontrollorin insoweit verletzt zu haben, als sie die Richtigkeit und Vollständigkeit des Kapitalmarktprospekts bestätigte, obwohl in diesem die riskante Fondskonstruktion nicht hinreichend deutlich offengelegt worden sei.

Zu dieser Frage hat der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass die Anleger durch die entsprechenden Informationen im Emissionsprospekt über das Risiko der Verfügungsmöglichkeit des Managers über die Gelder bzw die vom Fonds (hier Primeo Fund) erworbenen Wertpapiere ausreichend aufgeklärt wurden (5 Ob 233/11t, 6 Ob 190/12b, 3 Ob 108/13y = ecolex 2014/82 [krit Wilhelm ], 7 Ob 235/12b, 1 Ob 71/14v). Daran kann der Hinweis des Revisionswerbers darauf, dass der Beklagten zuzurechnenden Personen weitere bedenkliche Umstände bekannt gewesen seien, nichts ändern, zumal nicht behauptet wird, dass es konkrete Hinweise auf eine Veruntreuungsabsicht durch den Manager gegeben hätte (1 Ob 71/14v).

Die vom Kläger herangezogenen Entscheidungen 5 Ob 26/14f und 9 Ob 63/14a stehen mit den genannten Entscheidungen nicht in Widerspruch, weil sie einen anderen Emissionsprospekt (Herold Fund) betreffen.

Ebenfalls bereits ausgesprochen wurde, dass der Prospekt ausreichend klar stellt, dass für den Fall, dass der Manager als Subdepotverwahrer bestellt wurde und über die „Managed Accounts“ unmittelbar verfügen kann, die Depotbank die ihr sonst zukommenden und im Prospekt beschriebenen Hauptaufgaben, die Gelder des Fonds bzw die mit den Geldern erworbenen Wertpapiere zu verwahren, nicht ausübt. Die Depotbank hatte aber als solche sehr wohl weiterhin eine Funktion, nämlich die im Prospekt für den Fall des Managed Account vorgesehene ‑ im Ergebnis und ex post betrachtet freilich erfolglos gebliebene ‑ Kontrollmöglichkeit an Hand der vom Manager übermittelten Auszüge („Transaction Slips“) von jeder Wertpapiertransaktion (3 Ob 108/13y). Der Einwand des Klägers, die Anführung der Depotbank im Prospekt sei unrichtig, weil diese ‑ infolge Nichtausübung ihrer Hauptaufgaben (Verwahrung der Gelder und Wertpapiere als Sondervermögen des Fonds, Kontrolltätigkeiten) ‑ gar nicht Depotbank sei, geht ins Leere.

4. Auch zur Frage des dem inländischen Repräsentanten als Prospektkontrollor obliegenden Prüfungsumfangs hat sich der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ‑ gerade im Zusammenhang mit dem hier zu beurteilenden Prospekt ‑ geäußert. Der Zweck des § 26 InvFG 1993 liegt danach darin, dem potentiellen Anleger durch das Statuieren verpflichtender Prospektinhalte eine umfassende und objektive Grundlage für seine Erwerbsentscheidung zu bieten (6 Ob 190/12b; 3 Ob 108/13y; 1 Ob 71/14v). An diesem Zweck orientiert sich auch der Inhalt und Umfang der in § 8 Abs 2 KMG geregelten Prüfpflicht des Prospektkontrollors, wobei der Emittent diesem sämtliche Unterlagen beizustellen hat, die eine zweifelsfreie Kontrolle der Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben ermöglichen. Ergibt sich etwa bei einer stichprobenartigen Überprüfung der Verdacht mangelnder Richtigkeit oder Vollständigkeit der Unterlagen oder Prospektangaben, hat der Kontrollor zu seiner Klärung weitere Kontrolltätigkeiten vorzunehmen und erforderlichenfalls Berichtigungen und Ergänzungen im Prospekt zu veranlassen. Generell haftet er aber nicht für die inhaltliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts selbst, sondern nur für unrichtige oder unvollständige Kontrollen (3 Ob 108/13y; 1 Ob 71/14v).

Die Revisionsausführungen zu den im Prospekt nicht angeführten „Zusatzrisiken“ geben keinen Anlass, von dieser Auffassung im Grundsatz abzugehen. Sollten sie so zu verstehen sein, dass von der Beklagten als Prospektkontrollorin verlangt würde, den bisherigen Geschäftsgang im Fonds zu überprüfen, um insbesondere zu kontrollieren, „ob der Broker einzige Ausstellungsstelle war, der Broker ohne Clearingstelle handelte, oder ob die einzelnen Transaktionen und Optionen mit tatsächlich vorhandenen Partnern abgeschlossen wurden,“ ist nicht zu erkennen, aus welchen gesetzlichen Vorschriften sich derartige aufwändige inhaltliche Prüfpflichten ergeben sollten. Daran ändert auch der Hinweis nichts, dass der Prospektkontrollor bei der Kontrolle auch das ihm zur Verfügung stehende Hintergrundwissen (Sonderwissen) zu verwerten habe, wird doch nicht aufzeigt, dass maßgebliche Mitarbeiter bei der Beklagten konkrete Anhaltspunkte dafür gehabt hätten, dass die im Prospekt offengelegte Konstruktion gerade in Veruntreuungsabsicht gewählt wurde. Auch wenn unter bestimmten Umständen eine stichprobenartige Kontrolle bestimmter Geschäftsvorgänge im Einzelfall angezeigt sein mag, kann daraus aber keinesfalls eine Verpflichtung zur laufenden Gebarungskontrolle, insbesondere nicht nach der Prospektgenehmigung, abgeleitet werden (1 Ob 71/14v).

5. Dass die Beklagte für allfällige Fehler ihrer „Konzernunternehmen“ nicht haftet, wurde bereits in früheren Entscheidungen zu diesem Prospekt ausgesprochen (so etwa in 3 Ob 108/13y, 1 Ob 71/14v). Soweit der Kläger sich weiters darauf beruft, die Anlageberaterin sei aufgrund eines Treuhandvertrags mit der Beklagten deren Erfüllungsgehilfin gewesen, weshalb die Beklagte dafür hafte, dass der Kläger als Vertriebspartner aufgrund der Information der Anlageberaterin im Zusammenhang mit Vertriebsstrategieveranstaltungen seine Anteile erwarb, wurden derartige Tatsachenbehauptungen im erstgerichtlichen Verfahren nicht aufgestellt.

Auch soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang darauf beruft, der Schädigungsvorsatz der Beklagten sei darin gelegen, Beratergebühren zu vereinnahmen, ohne ausreichende eigene Leistungen zu erbringen, fehlt es schon an der nachvollziehbaren Darlegung, welche Gebühren die Beklagte selbst zu Lasten der Anleger erhalten hat. Im Übrigen ist es selbstverständlich, dass die Beklagte ihre Tätigkeit als Repräsentantin (und Prospektkontrollorin) sowie als Zahlstelle der ausländischen Fondsgesellschaft nicht unentgeltlich durchführt. Aber selbst die Inanspruchnahme eines unangemessen hohen Entgelts könnte mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs zu keiner Haftung für einen kriminellen Zugriff des Fondsmanagers auf das Fondsvermögen führen (1 Ob 71/14v).

Soweit der Revisionswerber auf die „Strategie Frontrunning“ verweist ist ihm entgegenzuhalten, dass diese Strategie tatsächlich nicht ausgeübt wurde. Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurden die vom Fondsmanager behaupteten Transaktionen nie durchgeführt, sondern dienten die Fonds lediglich dazu, um nach dem Schneeballsystem vorzugehen. Inwiefern also ein allfälliger Verdacht hinsichtlich der Anwendung einer ‑ tatsächlich gar nicht vorgenommenen ‑ Anlagestrategie eine Haftung der Beklagten begründen sollte, ist nicht verständlich. Das Argument, wäre die vermeintliche Strategie überprüft worden, hätte dies zum Erkennen der tatsächlich erfolgten illegalen Handelstätigkeiten geführt, erklärt nicht, inwieweit der eingetretene Schaden im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verlangten Überprüfung der gar nicht vorgenommenen Strategie steht.

6. Zum Vorwurf, die Beklagte hätte zufolge der Verletzung des „investmentrechtlichen Trennungsgrund-satzes“ die Richtigkeit und Vollständigkeitsbestätigung verweigern müssen, weil dieser Grundsatz auch für Auslandsgesellschaften verbindlich sei, ist auf die dazu ergangene Vorjudikatur zu verweisen: der Zweck des § 26 InvFG liegt darin, dem potentiellen Anleger durch das Vorsehen verpflichtender Prospektinhalte eine umfassende und objektive Grundlage für seine Erwerbsentscheidung zu bieten. Der nach dieser Bestimmung sinngemäß anzuwendende § 11 KMG enthält eine besondere Prospekthaftungsregel, bei der es um die Sanktionierung irreführender Anlegerinformationen geht (6 Ob 190/12b; 1 Ob 71/14v). Enthalten die Emissionsprospekte aber keine irreführenden Anlegerinformationen über die faktischen Verhältnisse, kann eine Haftung nach der bisherigen Judikatur nicht daraus abgeleitet werden, dass das (richtig) beschriebene Finanzprodukt (allenfalls) gesetzwidrig sei (6 Ob 190/12b unter Hinweis auf 10 Ob 69/11m; 1 Ob 71/14v); jedenfalls kann kein grobes Verschulden darin liegen, dass der geprüfte Prospekt einen solchen Hinweis nicht enthält.

7. Dass der sogenannte „Turmbau“ für den dem Kläger entstandenen Schaden ursächlich gewesen wäre und dieser auch nach dem maßgeblichen Normzweck verhindert werden hätte sollen, wird aus den diesbezüglichen Revisionsausführungen nicht klar. Wie der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen hat (RIS‑Justiz RS0127012 [T1]), macht die bloße Beeinträchtigung der „Willensfreiheit“ des Anlegers noch nicht für jeden dadurch verursachten Schaden haftbar; dabei ist es auch unerheblich, ob der Anleger Schadenersatz, Naturalrestitution oder den rechnerischen Schaden begehrt. Es mag durchaus sein, dass bei „regulären“ Finanzprodukten eine Strategie, die sich auf ein einziges Anlageobjekt konzentriert, zu einer Verschlechterung der Anlegersituation („Klumpenrisiko“) und einer Verteuerung durch zusätzliche „Gebühren“ führt, doch geht es hier nicht um einen solchen Schaden. Dieser ist vielmehr dadurch verursacht worden, dass das gesamte System von vornherein darauf ausgerichtet war, dass sich M***** das Anlagevermögen durch einen rechtswidrigen Zugriff verschafft. Ein solcher Zugriff wäre aber auch möglich gewesen, wenn das Fondsvermögen aus unterschiedlichen Wertpapieren und Anlageprodukten bestanden hätte. Auch wenn die Beklagte aufgrund von Erfahrungen aus der Vergangenheit allenfalls annehmen hätte müssen, dass die Investition des Fondsvermögens im Wege eines solchen „Turmbaus“ erfolgt, ist nicht zu erkennen, inwieweit der tatsächlich eingetretene Schadensverlauf im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit einer allfälligen Verletzung der Pflicht, eine solche ungünstige Anlagestrategie aufzuzeigen, stehen sollte (RIS‑Justiz RS0022933 [T7]; 1 Ob 71/14v).

Im Übrigen bleibt offen, wie der im Jahr 2007 durchgeführte „Turmbau“ auf die Kaufentscheidung des Klägers im Jahr 2005 Einfluss gehabt haben soll. Gleiches gilt für seine Behauptung, mit Kenntnis des „Turmbaus“ hätte er eine nicht näher konkretisierte „Definanzierung“ vorgenommen.

8. Der Kläger zeigt zusammengefasst keine erhebliche Rechtsfrage auf, die zu klären wäre. Seine wesentlichen Argumente waren bereits Gegenstand der Entscheidung 1 Ob 71/14v.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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